hatte er ein Bein hinausgestreckt, als der zweite Ruderer der Prima Donna, der welcher am Hinterteile arbeitete, sich an der Seite des Gondelzeltes herüberbeugend, ihm zuflüsterte: Wenn man singt, so bedeutet das, ihr sollt euch still verhalten und ohne Furcht warten.
– Ich kannte den Brauch nicht, dachte Anzoleto und wartete, aber nicht ohne einen Rest von schmerzlicher Angst. Corilla machte sich das Vergnügen, den Grafen bis an den Schnabel ihrer Gondel mit sich zu ziehen, und dort noch indem sie ihm felicissima notte wünschte, stehen zu bleiben, bis man abgestoßen war; hierauf setzte sie sich mit einer solchen Unbefangenheit und Ruhe an die Seite ihres neuen Liebhabers, als ob sie nicht dessen Leben und ihr eigenes Glück bei diesem frechen Spiele gewagt hätte.
– Seht ihr die Corilla? sagte währenddessen Zustiniani zu dem Grafen Barberigo; nun, ich wollte meinen Kopf verwerten, dass sie nicht allein in ihrer Gondel ist.
– Und wie kommt ihr auf einen solchen Gedanken? erwiderte Barberigo.
– Weil sie mir tausend Vorstellungen gemacht hat, dass ich sie nach Hause begleiten möchte.
– Und ihr seid nicht eifersüchtiger?
– Von dieser Schwachheit bin ich schon lange geheilt. Ich würde vieles darum geben, wenn unsere erste Sängerin sich ernstlich in irgendjemanden verliebte, damit ihr der Aufenthalt in Venedig angenehmer würde als die Reiseträume, mit denen sie mich ängstiget. Über ihre Untreue kann ich mich leicht trösten, aber ihre Stimme und ihr Talent und die Wut des Publicums, welches sie mir an San Samuel fesselt, ersetzt mir keine.
– Ich verstehe; aber wer könnte denn der glückliche Liebhaber dieser tollen Prinzessin sein?
Der Graf und sein Freund gingen alle die Personen der Reihe nach durch, welche Corilla während dieses Abends ausgezeichnet und aufgemuntert haben mochte. Anzoleto war der einzige, an den sie durchaus nicht dachten.
5.
Inzwischen brach ein heftiger Kampf aus in der Seele dieses glücklichen Liebsten, welchen Woge und Nacht in ihrem dunkeln Schoße hinwegtrugen. Bang und zitternd saß er neben der berühmtesten Schönheit Venedigs. Wohl fühlte Anzoleto wie das Feuer eines Verlangens in ihm brauste, das von der Freude befriedigten Stolzes noch heftiger angefacht wurde; aber die Furcht, bald zu missfallen, verspottet, weggeworfen, verräterisch bei dem Grafen angeklagt zu werden, erkältete sein Entzücken. Klug und schlau, ein echter Venetianer, hatte er nicht sechs Jahre lang nach dem Theater gestrebt, ohne Erkundigung einzuziehen über die schwärmerische und gebieterische Frau, welche dort an der Spitze aller Intriguen stand. Er hatte Ursache zu vermuten, dass sein Reich bei ihr nur von kurzer Dauer sein würde; und wenn er dieser gefährlichen Ehre nicht zu entgehen gesucht, so kam dies daher, dass er dieselbe nicht so nahe erwartet hatte: er war durch Überraschung unterjocht und fortgerissen. Er hatte nur gemeint, durch seine Galanterie sich gern gelitten zu machen, und siehe da, sogleich geliebt ward er, um seiner Jugend, seiner Schönheit, seines aufblühenden Ruhmes willen.
Jetzt, sagte sich Anzoleto mit jener Raschheit des Durchschauens und Schließens, welche einigen wundersam organisierten Köpfen von Natur beiwohnt, jetzt bleibt nichts mehr übrig als mich gefürchtet zu machen, wenn ich mir nicht ein bitteres und lächerliches Erwachen von meinem Triumphe bereiten will. Aber was kann ich, solch ein armer Teufel, tun, dass sie, die Fürstin der Hölle in Person, mich fürchten müsse?
Seine Partie war bald ergriffen. Er entwickelte ein System von Bedenklichkeiten, Eifersüchteleien, Bitterkeiten, deren leidenschaftliches, coquettes Spiel die Prima Donna in Erstaunen setzte. Kurz zusammengefasst lautete ihr brünstiges und loses Liebesgeschwätz etwa so:
Anzoleto. – Ich weiß wohl, dass Sie mich nicht lieben, dass Sie mich nie lieben werden: das ist es was mich an Ihrer Seite traurig und befangen macht.
Corilla. – Und wenn ich dich liebte?
Anzoleto. – Dann würde ich völlig in Verzweiflung sein. Das hieße, mich aus dem Himmel nieder stürzen in einen Abgrund: ich müsste Sie verlieren vielleicht in der nächsten Stunde, nachdem ich Sie auf Kosten meines ganzen künftigen Glückes mir gewonnen hätte.
Corilla. – Und warum fürchtest du von mir eine solche Unbeständigkeit?
Anzoleto. – Zuerst, weil mein Verdienst gering ist, und sodann, weil man Ihnen so viel Schlechtes nachsagt.
Corilla. – Wer sagt mir denn Schlechtes nach?
Anzoleto. – Ach, alle Leute; denn alle Leute beten Sie an.
Corilla. – So würdest du, wenn ich Törin genug wäre, dich liebzugewinnen und es dir zu sagen, mich dann zurückstoßen?
Anzoleto. – Ich weiß nicht, ob ich Kraft genug haben würde, zu entfliehen: wenn ich sie aber hätte, wahrhaftig, nie im Leben würde ich Sie wiedersehen.
– Wohlan! rief die Corilla, mich reizt die Neugier eine Probe zu machen … Anzoleto, ich glaube in der Tat, dass ich dich liebe.
– Und ich, ich glaube es nicht, erwiderte er. Ich bleibe; denn ich sehe nur zu gut, dass Sie mich höhnen. Mit diesem Spiele können Sie mich nicht kirren, und noch viel weniger empfindlich machen.
– Du willst dich auf Finessen legen, scheint mir?
– Warum nicht? Ich bin nicht sehr zu fürchten, da ich Ihnen das Mittel biete, mich zu besiegen.
– Welches?
– Mich starr zu machen vor Schrecken und mich in die Flucht zu jagen durch dasselbe Wort im Ernste, das Sie mir jetzt im Spotte zugeworfen.
– Du bist ein abgefeimter Schelm! Ich sehe wohl dass man sich mit dir in Acht nehmen muss. Du bist einer von denen, welche sich nicht begnügen, den Duft der Rose zu atmen, sondern sie pflücken und unter Glas bringen wollen. Ich hätte dich in deinem Alter weder für so keck noch für so eigenwillig gehalten!
– Sind Sie mir deshalb gram?
– Im Gegenteile, du gefällst mir desto mehr. Gute Nacht, Anzoleto, wir sehen uns wieder.
Sie reichte ihm ihre schöne Hand, welche er mit Inbrunst küsste. Ich habe mich nicht übel herausgezogen, sagte er zu sich, während er unter den Galerien am Borde des Canaletto entschlüpfte.
Er glaubte nicht, dass man ihm noch zu dieser Stunde den Verschlag, wo er zu übernachten gewohnt