George Sand

Gesammelte Werke


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sau­be­ren, aber an hun­dert Stel­len mit Läpp­chen von al­len Far­ben ge­flick­ten Pi­qué­de­cke, ein Stroh­stuhl, ein Tisch­chen, eine sehr alte Gui­tar­re und ein Christ­kind von Draht­ar­beit, die Reich­tü­mer wel­che ihre Mut­ter ihr hin­ter­las­sen; ein klei­nes Spi­nett und ein großes Pack al­ter wurm­sti­chi­ger Mu­si­ka­li­en, Sa­chen die Pro­fes­sor Por­po­ra ihr aus be­son­de­rer Güte ge­lie­hen hat­te – mit die­sem Haus­rat be­half sich die jun­ge Künst­le­rin, ei­ner ar­men Zi­geu­ne­rin Kind, die Schü­le­rin ei­nes großen Meis­ters und die Ge­lieb­te ei­nes schö­nen Aben­teu­rers.

      Da nur Ein Stuhl da war und der Tisch voll Mu­si­ka­li­en lag, so blieb für An­zo­le­to kein Sitz als das Bett, und dazu mach­te er es auch ohne Um­stän­de. Kaum hat­te er sich aber auf den Rand des­sel­ben ge­setzt, als ihn die Mü­dig­keit über­wäl­tig­te: er ließ sei­nen Kopf auf ein großes Wol­len­pfühl, das als Kopf­kis­sen diente, nie­der­sin­ken und sag­te: o du, mein Weib­chen, woll­te ich doch in die­sem Au­gen­bli­cke al­les was ich noch zu le­ben habe um eine Stun­de gu­ten Schla­fes ge­ben, und alle Schät­ze der Welt um ein Eck­chen die­ser De­cke auf mei­ne Füße. Ich habe noch nie so ge­fro­ren wie in die­sen ver­wünsch­ten Klei­dern, und von dem Un­be­ha­gen die­ser schlaflo­sen Nacht habe ich einen Fie­ber­schau­er.

      Con­sue­lo be­sann sich einen Au­gen­blick. Wai­se und zu acht­zehn Jah­ren al­lein auf der Welt, hat­te sie Kei­nem über ihre Hand­lun­gen Re­chen­schaft zu ge­ben als ih­rem Gott. Sie glaub­te an An­zo­le­to’s Ver­spre­chen wie an das Evan­ge­li­um, sie fürch­te­te we­der Ab­nei­gung noch Ver­las­sung von ihm, wenn sie ihm auch al­les zu Ge­fal­len täte. Aber ihr Scham­ge­fühl, das An­zo­le­to nie be­kämpft noch ge­dämpft hat­te, mach­te, dass ihr sei­ne Zu­mu­tung ein we­nig stark schi­en. Sie trat zu ihm, sie fühl­te sei­ne Hand an: die­se war wirk­lich sehr kalt. An­zo­le­to er­griff die Hand Con­sue­lo’s und führ­te sie an sei­ne Stirn, die glü­hend heiß war.

      – Du bist krank, sag­te sie zu ihm, von ei­ner Be­sorg­nis er­grif­fen, wel­che je­des an­de­re Be­den­ken zum Schwei­gen brach­te. Nun denn, schlaf ein Stünd­chen auf die­sem Bet­te.

      An­zo­le­to ließ es sich nicht zwei­mal sa­gen. Gut wie Gott im Him­mel! lis­pel­te er, in­dem er sich auf der See­gras­ma­trat­ze aus­streck­te. Con­sue­lo deck­te ihn zu; sie hol­te aus ei­nem Win­kel ein paar arm­se­li­ge Klei­dungs­stücke, die sie noch hat­te und deck­te sie über sei­ne Füße. An­zo­le­to, sag­te sie lei­se, wäh­rend sie so müt­ter­lich wal­te­te, auf die­sem Bet­te, wo du schla­fen wirst, habe ich mit mei­ner Mut­ter die letz­ten Jah­re ih­res Le­bens ge­schla­fen, auf die­sem Bet­te habe ich sie ster­ben se­hen, und ihr das Lei­chen­tuch um­ge­tan und bei ih­rer Lei­che ge­wacht un­ter Ge­bet und Trä­nen, bis die To­ten­bar­ke kam, um sie mir auf im­mer hin­weg­zu­neh­men. Nun gib Acht, ich will dir jetzt sa­gen was für ein Ver­spre­chen sie mir in ih­rer letz­ten Stun­de ab­nahm. Con­sue­lo, sag­te sie, schwö­re mir beim Christ, dass An­zo­le­to mei­nen Platz auf die­sem Bet­te nicht eher ein­neh­men darf, als bis ihr euch vor ei­nem Pries­ter ge­hei­ra­tet habt.

      – Und du schwu­rest?

      – Ich schwur. Und nun las­se ich dich hier zum ers­ten Male schla­fen, es ist aber nicht mei­ner Mut­ter Platz, den ich dir gebe, son­dern mein ei­ge­ner.

      – Und du, ar­mes Kind, du wirst also nun nicht schla­fen? ent­geg­ne­te An­zo­le­to in­dem er sich mit ei­ner plötz­li­chen An­stren­gung halb auf­rich­te­te. Oh, ich bin ein er­bärm­li­cher Wicht, ich gehe und schla­fe auf der Stra­ße.

      – Nein, sag­te Con­sue­lo, in­dem sie ihn mit sanf­ter Ge­walt auf das Kis­sen zu­rück­drück­te, dir ist un­wohl, und mir nicht. Mei­ne Mut­ter, die als gute Ka­tho­li­kin starb und im Him­mel ist, sieht uns je­der Stun­de. Sie weiß, dass du das Ver­spre­chen ge­hal­ten hast, das du ihr gabst, mich nicht zu ver­las­sen. Sie weiß auch, dass un­se­re Lie­be seit ih­rem Tode so rein ge­blie­ben ist, wie sie bei ih­ren Leb­zei­ten war. Sie sieht in die­sem Au­gen­blick, dass ich nichts Bö­ses den­ke und tue. Ruhe ihre See­le in dem Herrn! Hier­bei mach­te Con­sue­lo ein großes Kreuz. An­zo­le­to schlief ein. Ich will oben auf der Ter­ras­se mei­nen Ro­sen­kranz sa­gen, dass du das Fie­ber nicht kriegst, setz­te Con­sue­lo hin­zu und ging hin­aus.

      – Gut wie Gott! wie­der­hol­te An­zo­le­to noch mit schwa­cher Stim­me und be­merk­te nicht ein­mal, dass sei­ne Braut ihn al­lein ließ. Sie ging auf das Dach und be­te­te ih­ren Ro­sen­kranz ab. Dann kehr­te sie zu­rück, um zu se­hen, ob ihm nicht mehr un­wohl wäre, und da sie ihn ru­hig schla­fend fand, be­trach­te­te sie lan­ge sein schö­nes blas­ses, von dem Mon­de be­leuch­te­tes Ge­sicht.

      Dann, da sie sich dem Schla­fe nicht über­las­sen woll­te und sich er­in­ner­te, dass sie über die Auf­re­gung des vo­ri­gen abends ihre Ar­beit ver­säumt hat­te, zün­de­te sie ihr Lämp­chen wie­der an, setz­te sich an ih­ren klei­nen Tisch und schrieb eine Kom­po­si­ti­ons­übung, die ihr Por­po­ra für den fol­gen­den Tag auf­ge­ge­ben hat­te.

      6.

      Graf Zus­ti­nia­ni war un­ge­ach­tet sei­ner phi­lo­so­phi­schen Selbst­be­herr­schung und ei­ni­ger neu­en Lieb­schaf­ten, we­gen de­nen Co­ril­la ziem­lich un­ge­schickt die Ei­fer­süch­ti­ge spiel­te, kei­nes­wegs so un­emp­find­lich ge­gen die über­mü­ti­gen Ca­pri­zen die­ser tol­len Maitres­se, als er sich den An­schein zu ge­ben such­te. Zus­ti­nia­ni mach­te nur um des gu­ten To­nes und um sei­ner ge­sell­schaft­li­chen Stel­lung wil­len den Roué: er war ein gu­ter, schwa­cher Mensch und ein Le­be­mann. Er konn­te es aber nicht ver­mei­den, den Un­dank, wo­mit die­ses Mäd­chen sei­ne Groß­mut ver­galt, im Grun­de sei­nes Her­zens bit­ter zu emp­fin­den; und ob­gleich es da­mals, in Ve­ne­dig eben­so gut wie in Pa­ris, für äu­ßerst un­schick­lich galt, sich ei­fer­süch­tig zu zei­gen, so em­pör­te sich doch sein ita­lie­ni­scher Stolz ge­gen die lä­cher­li­che und trau­ri­ge Rol­le, die ihn Co­ril­la spie­len ließ.

      Noch an dem­sel­ben Abend, an wel­chem An­zo­le­to im Pal­last Zus­ti­nia­ni ge­glänzt hat­te, nahm der Graf, der eben erst mit sei­nem Freun­de Bar­be­ri­go über die Schel­me­rei­en sei­ner Maitres­se ge­scherzt hat­te, so­bald er sei­ne Säle ge­leert und die Flam­be­aux ge­löscht sah, Man­tel und De­gen, und lief, um sich »rei­nen Wein« zu ho­len, nach dem Pal­las­te, wel­chen die Co­ril­la be­wohn­te.

      Er über­zeug­te sich, dass sie al­lein war, und war doch doch nicht be­ru­higt; er fand den Bar­ca­ro­len der Pri­ma Don­na be­schäf­tigt die Gon­del un­ter das Ge­wöl­be zu sto­ßen, wel­ches die­sel­be auf­zu­be­wah­ren diente, und ließ sich mit dem Men­schen in Ge­spräch ein; mit­telst ei­ni­ger Ze­chi­nen öff­ne­te er ihm den Mund und fand sei­ne Ver­mu­tung be­stä­tigt, dass Co­ril­la je­man­den un­ter We­ges in ih­rer Gon­del bei sich ge­habt hat­te. Aber er konn­te nicht er­fah­ren, wer die­ser Beglei­ter war, der Gon­de­lier wuss­te es selbst nicht. Er hat­te den An­zo­le­to wohl hun­dert­mal bei dem Thea­ter und dem Pal­las­te Zus­ti­nia­ni ge­se­hen, hat­te ihn aber in der Dun­kel­heit un­ter sei­nem schwar­zen An­zu­ge und dem Pu­der nicht er­kannt.

      Die­ses un­durch­dring­li­che Ge­heim­nis ver­stimm­te den Gra­fen vollends. Er hat­te Trost ge­sucht im Be­spöt­teln sei­nes Ne­ben­buh­lers, der ein­zi­gen, nach den Re­geln des gu­ten Ge­schmackes er­laub­ten Ra­che, die aber in Zei­ten der ei­teln