dass eine Vereinigung der Interessen ihnen vorteilhaft sein würde, um sich mit der Zeit ein glänzendes Auskommen zu schaffen. Consuelo dagegen hatte sich nicht gewöhnt, an die Zukunft zu denken. Voraussicht gehörte nicht in den Kreis dessen, was ihre Gedanken beschäftigte. Sie hätte Musik getrieben ohne einen anderen Zweck als den, ihrem Berufe zu folgen, und die Gemeinsamkeit der Interessen, welche die Ausübung dieser Kunst zwischen ihr und ihrem Freunde notwendig schuf, hatte für sie keinen anderen Sinn als den – verbundenen Glückes und gemeinschaftlicher Neigung.
So hatte er denn, ohne ihr davon ein Wort zu sagen, auf einmal Hoffnung gefasst, dass die Verwirklichung seiner Träume sich beschleunigen ließe, und in derselben Zeit als Zustiniani damit umging, sich eine Stellvertreterin für die Corilla zu verschaffen, war Anzoleto, welcher mit seltenem Scharfblick die Stimmung seines Gönners erriet, auf den Gedanken gekommen, ihm Consuelo vorzuschlagen.
Aber dass Consuelo hässlich sein sollte, dieses ungeahnte, seltsame, und, wofern der Graf sich nicht irrte, unübersteigliche Hindernis hatte Schrecken und Bestürzung in seine Seele geworfen. Er machte sich sogleich auf den Weg nach der Corte Minelli, aber bei jedem Schritte blieb er stehen, um sich das Bild seiner Freundin in einem neuen Lichte vor die Seele zu rufen, und um zu wiederholen, mit einem Fragezeichen hinter jedem Worte: Nicht hübsch? Sehr hässlich? Abscheulich?
8.
– Was siehst du mich so an? rief ihm Consuelo zu, als er bei ihr eingetreten war und sie mit einer seltsamen Miene betrachtete, ohne ein Wort zu sprechen. Du tust ja, als ob du mich noch nie gesehen hättest.
– Das ist auch der Fall, Consuelo! erwiderte er. Ich habe dich nie gesehen.
– Redest du irre? versetzte sie, ich weiß nicht was du meinst.
– Mein Gott, mein Gott! ich glaube dir’s, rief Anzoleto. Ich habe einen großen schwarzen Fleck im Gehirne und kann davor nicht sehen.
– Himmlische Barmherzigkeit! Ist dir nicht wohl, mein Freund?
– Nein, liebes Mädchen, beruhige dich, und ich will es versuchen, deutlich zu sehen. Sage, Consuelina, findest du mich schön?
– Ei freilich, ich habe dich ja lieb.
– Und wenn du mich nicht lieb hättest, wie würdest du mich dann finden?
– Was weiß ich?
– Wenn du andere Männer siehst, weißt du dann, ob sie schön oder hässlich sind?
– Jawohl, aber ich finde dich schöner als die Schönsten.
– Bloß weil du mich lieb hast?
– Ich glaube, ja und nein. Und zudem sagen alle Leute dass du schön bist, und das weißt du recht gut. Aber was kümmert dich das?
– Ich möchte wissen ob du mich lieb hättest, wenn ich auch abscheulich wäre.
– Ich würde es vielleicht gar nicht merken.
– Du glaubst also, dass man eine hässliche Person lieben kann?
– Warum nicht? Liebst du mich doch.
– Du bist also hässlich, Consuelo? Im Ernste, sage, gib Antwort, du bist also hässlich?
– Man hat es mir immer gesagt, siehst du denn das nicht selbst?
– Nein, nein, wahrhaftig nicht, ich sehe es nicht!
– Nun sieh, dann finde ich mich schön genug, und ich bin sehr zufrieden.
– Jetzt, jetzt eben, Consuelo, wie du mich ansiehst, mit einer so natürlichen, so liebenswürdigen Miene, da scheinst du mir schöner als die Corilla. Aber ich möchte nur wissen, ob das eine Einbildung von mir oder ob es wirklich so ist. Ich kenne dein Gesicht, es ist so ehrlich und gefällt mir so, und wenn ich zornig bin, so macht es mich still; und wenn sich traurig bin, so macht es mich froh; und wenn ich niedergeschlagen bin, so macht es mich munter. Aber deine Gestalt kenne ich nicht. Deine Gestalt, Consuelo, ob die hässlich ist, das kann ich nicht wissen.
– Noch einmal, was kümmert dich das?
– Ich muss es wissen; sage doch, ob wohl ein schöner Mann ein hässliches Weib lieb haben kann?
– Du hast ja doch meine arme Mutter lieb gehabt, die nur ein Gespenst war! Und ich, wie lieb habe ich sie gehabt!
– Kam sie dir denn hässlich vor?
– Nein, und dir?
– Ich habe nicht darauf geachtet. Aber lieben aus Liebschaft, Consuelo … denn im Grunde liebe ich dich doch aus Liebschaft, nicht wahr? Ich kann dich nicht entbehren, ich kann dich nicht lassen. Das ist Liebschaft, meinst du nicht?
– Was sollte es anderes sein?
– Es könnte jawohl auch Freundschaft sein.
– Freilich, es könnte jawohl auch Freundschaft sein.
Hier hielt Consuelo überrascht inne und sah Anzoleto aufmerksam an. Er aber, in ein schwermütiges Sinnen versunken, fragte sich selbst zum ersten male mit Bestimmtheit, ob er Liebe oder Freundschaft für Consuelo fühle, ob die Ruhe seines Innern, ob die keusche Zurückhaltung, welche er ihr gegenüber ohne Mühe bewahrte, aus Achtung oder aus Gleichgültigkeit entsprängen. Zum ersten male schaute er dieses junge Mädchen mit den Augen eines jungen Mannes an, in prüfender Absicht, aber ziemlich verwirrt, diese Stirn, diese Augen, diesen Wuchs und jede Einzelheit betrachtend, wovon er bisher immer nur einen gewissen idealen Gesamteindruck, gleichsam verschleiert in seiner Vorstellung, empfunden hatte.
Zum ersten male fühlte sich auch die bestürzte Consuelo durch den Blick ihres Freundes verwirrt: sie errötete, ihr Herz schlug heftig und ihre Augen wendeten sich ab, unfähig denen Anzoleto’s zu begegnen. Und als er noch immer das Schweigen nicht brach und auch sie nicht den Mut hatte es zu brechen, bemächtigte sich ihrer endlich eine unbeschreibliche Angst, große Tränen rollten über ihre Wangen und sie verbarg das Gesicht in ihren Händen.
– Ach, ich sehe es wohl, sprach sie, du willst mir sagen, dass du mich nicht mehr zu deiner Freundin magst.
– Nein, nein, das habe ich nicht gesagt! Das sage ich nicht! rief Anzoleto, erschreckt von diesen Tränen, die er zum ersten male fließen machte, und indem seine brüderliche Zuneigung lebhaft erwachte, umschloss er Consuelo mit seinen Armen. Da sie aber ihr Gesicht wegwendete, so küsste er statt ihrer frischen und stillen Wange eine glühende Schulter, die sich unter einem schwarzen groben Kantentuche nur schlecht verbarg.
Entzündet sich plötzlich der erste Blitz der Leidenschaft in einer starken Natur, die unter der vollkommnen