George Sand

Gesammelte Werke


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Schen­kun­gen ge­macht, und aus Dank­bar­keit hat­te man ihm die obe­re Auf­sicht über das­sel­be an­ver­traut. Die bei­den Freun­de leb­ten von der Zeit an in so gu­tem Ein­ver­neh­men als es die Un­duld­sam­keit des Pro­fes­sors ge­gen die mo­di­sche Mu­sik nur im­mer zuließ, eine Un­duld­sam­keit, die üb­ri­gens in dem­sel­ben Maße sich ver­min­der­te, als der Graf mehr und mehr, mit sei­nen Be­mü­hun­gen und mit sei­nem Gel­de, für die För­de­rung und Aus­brei­tung der erns­ten Mu­sik tat. Dazu kam noch, dass er eine Oper Por­po­ra’s, wel­che die­ser Meis­ter so­eben be­en­det hat­te, in Sau Sa­mu­el auf­füh­ren ließ.

      – Lie­ber Meis­ter, sag­te Zus­ti­nia­ni, in­dem er ihn bei Sei­te nahm, ihr müsst euch nicht al­lein ent­schlie­ßen euch eine eu­rer Schü­le­rin­nen für das Thea­ter weg­neh­men zu las­sen, son­dern ihr müsst mir so­gar die­je­ni­ge be­zeich­nen, wel­che Euch selbst am bes­ten ge­eig­net scheint, die Stel­le der Co­ril­la aus­zu­fül­len. Die­se Sän­ge­rin wird matt, ihre Stim­me nimmt ab, ihre Ca­pri­cen rich­ten uns zu Grun­de und das Pub­li­cum wird ih­rer bald über­drü­ßig sein. Wir müs­sen wahr­haf­tig dar­an den­ken, ihr eine Suc­ce­di­tri­ce zu ge­ben. (Ver­zei­he, lie­ber Le­ser, es ist dies der her­ge­brach­te Aus­druck in Ita­li­en, kein neu vom Gra­fen ge­bil­de­tes Wort.)

      – Ich kann euch nicht die­nen, gab Por­po­ra tro­cken zur Ant­wort.

      – Was alle Welt, Meis­ter! rief der Graf, wollt ihr wie­der in eue­ren gal­lich­ten Hu­mor zu­rück­fal­len? Ist es wohl recht, dass ihr nach ei­nem so großen Auf­wand von Geld und Mühe, wie ich ihn an die Be­för­de­rung eu­e­rer mu­si­ka­li­schen Zwe­cke ge­setzt habe, mir den ers­ten klei­nen Ge­fal­len ab­schlagt, den ich in Rat und Tat von euch für die mei­ni­gen in An­spruch neh­me?

      – Nein, dazu habe ich kein Recht mehr, Graf, er­wi­der­te der Pro­fes­sor; und was ich euch ge­sagt habe, ist die lau­te­re Wahr­heit, wie ich sie dem Freun­de sage, dem ich mit Freu­den einen Dienst leis­te. Ich habe in mei­ner Sin­ge­schu­le kei­ne ein­zi­ge Per­son, wel­che euch die Co­ril­la er­set­zen könn­te. Ich schla­ge sie nicht hö­her an, als nö­tig: aber wäh­rend ich er­klä­ren muss, dass das Ta­lent die­ses Mäd­chens in mei­nen Au­gen gar kei­nen re­el­len Wert hat, darf ich doch auch nicht ver­heh­len, dass sie ein Sa­voir-faire, eine Rou­ti­ne, eine Leich­tig­keit, ein Ein­ge­hen auf die Stim­mung des Pub­li­cums be­sitzt, wie sich das nur durch jah­re­lan­ge Übung er­rei­chen lässt, und wie es an­de­re De­bü­tan­tin­nen nicht so bald er­rin­gen wer­den.

      – Das ist wahr, sag­te der Graf, aber am Ende ha­ben wir die Co­ril­la ge­bil­det, wir ha­ben ihre An­fän­ge ge­se­hen, wir ha­ben sie in die Gunst des Pub­li­kums ein­ge­führt: drei Vier­tel von ih­rem Er­fol­ge ver­dankt sie ih­rer Schön­heit und ihr habt in eue­rer Schu­le noch eben so rei­zen­de We­sen. Das wer­det ihr nicht in Ab­re­de stel­len, lie­ber Meis­ter! Zum Bei­spiel, die Clo­rin­da, müsst ihr ge­ste­hen, ist doch das schöns­te Ge­schöpf der Erde.

      – Ja, aber ver­schro­ben, ge­ziert, un­leid­lich … Zwar, es ist mög­lich, dass das Pub­li­cum die­se lä­cher­li­chen Gri­mas­sen ent­zückend fin­de … aber sie singt falsch, hat kei­ne See­le, kei­ne Auf­fas­sung … Zwar, das Pub­li­cum hat de­ren eben­so we­nig als Ge­hör … Aber sie hat kein Ge­dächt­nis, kei­ne Ge­wandt­heit, und sie wird sich nicht ein­mal durch die glück­li­che Char­la­ta­ne­rie vor dem Fias­ko ret­ten, die – so vie­len Leu­ten zu stat­ten kommt.

      Bei die­sen Wor­ten fiel des Pro­fes­sors Blick un­will­kür­lich auf An­zo­le­to, der auf sei­nen An­spruch als Günst­ling des Gra­fen ge­stützt und un­ter dem Vor­ge­hen, dass er die­sen spre­chen müss­te, sich in die Klas­se ein­ge­schli­chen hat­te und in ge­rin­ger Ent­fer­nung stand, der Un­ter­re­dung hor­chend.

      – Tut nichts, sag­te der Graf, ohne auf die bos­haf­te An­spie­lung des Meis­ters zu ach­ten: ich gebe mei­ne Idee nicht auf. Es ist lan­ge, dass ich die Clo­rin­da nicht ge­hört habe. Wir wol­len sie kom­men las­sen, und noch fünf oder sechs an­de­re, die hüb­sche­s­ten, die da sind. Schau, An­zo­le­to, setz­te er la­chend hin­zu, du bist recht gut aus­staf­fiert um dir das An­se­hen ei­nes jun­gen Pro­fes­sors zu ge­ben. Gehe in den Gar­ten und su­che dir die schöns­ten un­ter die­sen jun­gen Da­men aus; de­nen sage, dass wir sie hier er­war­ten, der Herr Pro­fes­sor und ich.

      An­zo­le­to tat wie ihm ge­hei­ßen war, aber er brach­te, ent­we­der aus Schalk­heit, oder weil er sei­ne Ab­sich­ten da­bei hat­te, die häss­lichs­ten von Al­len, man hät­te mit Jean-Jac­ques aus­ru­fen kön­nen: Ein­äu­gig war So­fia, die Cat­ti­na war lahm.

      Die­ses Qui­pro­quo wur­de mit Hei­ter­keit auf­ge­nom­men, und nach­dem die Her­ren sich ins Fäust­chen ge­lacht, be­zeich­ne­te der Pro­fes­sor den jun­gen Mäd­chen die­je­ni­gen ih­rer Ge­fähr­tin­nen, wel­che sie an ih­rer Stel­le schi­cken soll­ten. Eine al­ler­liebs­te Grup­pe er­schi­en als­bald, in ih­rer Mit­te die schö­ne Clo­rin­da. –

      – Welch präch­ti­ges Haar! sag­te der Graf dem Pro­fes­sor ins Ohr, als er die rei­chen blon­den Flech­ten der letz­te­ren an sich vor­über ge­hen sah.

      – Es ist ein Kopf, der viel­mehr auf sich als in sich hat, ant­wor­te­te der gro­be Kri­ti­ker, ohne im min­des­ten sei­ne Stim­me zu dämp­fen.

      Nach­dem eine Stun­de pro­biert wor­den war, hielt es der Graf nicht län­ger aus; er ent­fern­te sich miss­mü­tig, wäh­rend er den jun­gen Mäd­chen ei­ni­ge Ar­tig­kei­ten zu ih­rem Lobe sag­te und dem Pro­fes­sor zu­flüs­ter­te: An die­se Pa­pa­gei­en ist nicht zu den­ken!

      – Wenn Ew. Gna­den mir ver­gön­nen woll­te, in die­ser Sa­che, wel­che Sie be­schäf­tigt, ein Wort mit zu re­den … hob An­zo­le­to lei­se an, als sie mit­ein­an­der die Trep­pe hin­ab­stie­gen.

      – Rede, ent­geg­ne­te der Graf; wüss­test du das Wun­der nach­zu­wei­sen, das wir su­chen?

      – Ja, Ex­cel­lenz!

      – Und in der Tie­fe wel­ches Mee­res wirst du die­se Per­le auf­fi­schen?

      – Nur in der Tie­fe der Klas­se, in wel­cher der schlaue Pro­fes­sor Por­po­ra sie ver­steckt hält, so oft Sie ihr Mäd­chen­corps die Re­vüe pas­sie­ren las­sen.

      – Wie? Gibt es in der Scuo­la einen Edel­stein, des­sen Glanz mei­ne Au­gen noch nie wahr­ge­nom­men ha­ben? Wenn Meis­ter Por­po­ra mir einen sol­chen Streich ge­spielt hat! …

      – Gna­den, der Dia­mant, den ich mei­ne, ge­hört nicht zu der Scuo­la. Es ist ein ar­mes Mäd­chen, das nur im Cho­re mit­singt, wenn man es ver­langt: der Pro­fes­sor gibt ihr aus Mild­tä­tig­keit und mehr noch aus Lie­be zur Kunst, Pri­vat­stun­den.

      – Wenn das ist, so muss dies ein Mäd­chen von aus­ge­zeich­ne­ten An­la­gen sein, denn der Pro­fes­sor ist schwer zu be­frie­di­gen und ist mit sei­ner Zeit und Mühe nicht eben frei­ge­big. Soll­te ich sie viel­leicht schon ein­mal ge­hört ha­ben, ohne sie zu ken­nen?

      – Ew. Herr­lich­keit hat sie vor lan­ger Zeit ein­mal ge­hört, sie war da­mals noch ein Kind. Jetzt ist sie ein großes, star­kes Mäd­chen, vol­ler Fleiß, und weiß schon so viel wie der Pro­fes­sor selbst; wenn die­se ein­mal nur drei Tak­te auf dem Thea­ter ne­ben der Co­ril­la sän­ge, so wür­de die Co­ril­la si­cher­lich aus­ge­zischt.