George Sand

Gesammelte Werke


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in ei­ner Art von Wut.

      – Ich, kalt! rief die jun­ge Spa­nie­rin stau­nend und rot vor Un­wil­len aus.

      – Ach, ich lie­be dich, wie man ein Weib nur lie­ben kann, und du hörst mich an und ant­wor­test mir wie ein Kind. Von Freund­schaft weißt du al­lein, von der Lie­be ver­stehst du nichts. Mich mar­tert es, mich ver­brennt es, mich tö­tet es zu dei­nen Fü­ßen, und du sprichst mir vom Pries­ter, vom Kleid und vom Thea­ter.

      Con­sue­lo, wel­che mit Un­ge­stüm auf­ge­stan­den war, setz­te sich wie­der, ver­wirrt und über und über zit­ternd. Sie schwieg eine lan­ge Zeit still, und als ihr An­zo­le­to neue Lieb­ko­sun­gen ent­rei­ßen woll­te, stieß sie ihn sanft zu­rück.

      – Höre mich, sprach sie, man muss sich ver­stän­di­gen und sich ken­nen. Du hältst mich in der Tat für zu kin­disch und es wäre eine läp­pi­sche Zie­re­rei von mir, wenn ich dir nicht ge­stün­de, dass ich dich jetzt recht gut ver­ste­he. Ich habe nicht drei Vier­tel von ganz Eu­ro­pa mit Leu­ten al­ler Art durch­stri­chen, ich habe nicht die un­ge­bun­de­nen und wüs­ten Sit­ten der her­um­zie­hen­den Künst­ler in der Nähe ge­se­hen, ich habe nicht, Gott sei es ge­klagt! die schlecht ver­hehl­ten Ge­heim­nis­se mei­ner Mut­ter er­ra­ten, – um nicht zu wis­sen, was üb­ri­gens je­des Mäd­chen vom Vol­ke in mei­nem Al­ter weiß. Aber ich habe mich nicht ent­schlie­ßen kön­nen, zu glau­ben, An­zo­le­to, dass du mich wür­dest ver­lei­ten wol­len, einen Eid­schwur, den ich vor Gott in die Hän­de mei­ner ster­ben­den Mut­ter nie­der­ge­legt, zu bre­chen. Ich hal­te nicht viel von dem, was die Pa­tri­zi­e­rin­nen, de­ren Ge­schwätz ich manch­mal höre, ih­ren gu­ten Ruf nen­nen. Ich bin zu un­be­deu­tend in der Welt, um mei­ne Ehre dar­an zu hän­gen, ob man mir ein bi­schen mehr oder min­der Keusch­heit zu­traut; aber ich sehe mei­ne Ehre dar­in, zu hal­ten was ich ver­spro­chen habe, so wie ich auch die dei­ni­ge dar­in su­che, dass du hältst was du ver­spro­chen hast. Ich bin viel­leicht kei­ne so gute Ka­tho­li­kin, als ich es zu sein wünsch­te. Ich habe so we­nig Un­ter­richt in der Re­li­gi­on ge­habt. Ich habe kei­ne so schö­nen Sit­ten­leh­ren und Tu­gend­vor­schrif­ten er­lan­gen kön­nen wie die jun­gen Mäd­chen der Scuo­la, die im Klos­ter er­zo­gen und von früh bis spät in Got­tes Wort un­ter­rich­tet wer­den. Aber ich hand­le, wie ich es weiß und wie ich kann. Ich glau­be nicht, dass es un­se­re Lie­be mit Un­rei­nig­keit be­su­deln konn­te, wenn sie mit den Jah­ren ein we­nig leb­haf­ter ge­wor­den ist. Ich zäh­le nicht eben ängst­lich die Küs­se, die ich dir gebe, aber ich weiß, dass wir mei­ner Mut­ter nicht un­ge­hor­sam ge­we­sen sind, und dass ich ihr nicht un­ge­hor­sam sein wer­de, um eine Un­ge­duld zu be­frie­di­gen, wel­che sich leicht un­ter­drücken lässt.

      – Leicht, schrie An­zo­le­to, in­dem er sie glü­hend an sei­ne Brust drück­te; leicht! ich wuss­te es wohl, dass du kalt bist.

      – So kalt du willst, ant­wor­te­te sie, in­dem sie sich aus sei­nen Ar­men los­mach­te. Gott, der in mei­nem Her­zen liest, weiß es, wie ich dich lie­be!

      – Gut, gut! wirf dich denn an sei­ne Brust, rief An­zo­le­to un­wil­lig; die mei­ni­ge ist frei­lich kei­ne so si­che­re Zuf­lucht. Und ich will mich da­von ma­chen, da­mit ich nicht gott­los wer­de.

      Er lief zur Türe; er glaub­te, dass Con­sue­lo sich be­ei­len wür­de, ihn zu­rück­zu­hal­ten, denn sie hat­te sich nie­mals mit­ten in ei­nem Strei­te, wie un­be­deu­tend er war, von ihm zu tren­nen ver­mocht, ohne zu ver­su­chen, ob sie ihn nicht be­sänf­ti­gen könn­te. Sie mach­te auch wirk­lich eine has­ti­ge Be­we­gung ihm nach; dann blieb sie ste­hen, sah ihn hin­aus­ge­hen, lief eben­falls zur Türe, und leg­te die Hand an den Drücker, um zu öff­nen und ihn wie­der her­ein­zu­ru­fen. Al­lein, zu ih­rem Ent­schluss zu­rück­ge­drängt durch eine über­mensch­li­che Macht, schob sie den Rie­gel hin­ter ihm vor, und – über­wäl­tigt von zu hef­ti­gem Kamp­fe, fiel sie starr, in Ohn­macht auf den Bo­den und blieb re­gungs­los lie­gen, bis es Tag ward.

      14.

      – Ich ge­ste­he dir, dass ich sterb­lich in sie ver­liebt bin, sag­te in der­sel­ben Nacht Graf Zus­ti­nia­ni zu sei­nem Freun­de Bar­be­ri­go, ge­gen zwei Uhr mor­gens, auf dem Bal­kon sei­nes Pal­las­tes in das Schwei­gen und Dun­kel der Nacht hin­aus.

      – Das heißt, gibst du mir zu ver­ste­hen, ich soll mich hü­ten, es zu wer­den, ant­wor­te­te der jun­ge, glän­zen­de Bar­be­ri­go; ich will mich auch fü­gen, denn dei­ne An­sprü­che ge­hen den mei­ni­gen vor. Das aber fra­ge ich dich. Wenn etwa die Co­ril­la das Glück ha­ben soll­te, dich wie­der in ihre Net­ze ein­zu­fan­gen, woll­test du nicht dann die Güte ha­ben, es mich wis­sen zu las­sen, da­mit ich auch mei­ner­seits ver­su­chen könn­te, mir Ge­hör zu ver­schaf­fen? …

      – Den­ke nicht dar­an, wenn du mich lieb hast. Die Co­ril­la ist im­mer nur ein Spiel­werk für mich ge­we­sen. Ich sehe dir’s am Ge­sicht an, du willst spot­ten?

      – Nein! ich den­ke nur dar­an, dass das doch ein sehr ernst­haf­tes Spiel­werk ist, was uns zu so be­deu­ten­den Aus­ga­ben und zu so großen Tor­hei­ten ver­lei­tet.

      – Nimm an, ich habe für mei­ne klei­nen Freu­den Feu­er ge­nug, dass ich kei­ne Kos­ten scheue, um mir ihre Fort­dau­er zu si­chern. Im ge­gen­wär­ti­gen Fal­le je­doch ist es mehr als ein Ver­lan­gen; es ist, dünkt mich, eine Lei­den­schaft. Ich habe noch kein Ge­schöpf von ei­ner so selt­sa­men Schön­heit ge­se­hen, wie die­se Con­sue­lo; sie ist wie das Flämm­chen ei­ner Lam­pe, wel­ches von Zeit zu Zeit erb­lasst, und wenn es eben im Er­lö­schen scheint, dann plötz­lich mit ei­ner Hel­le auf­leuch­tet, um die Ster­ne zu ver­dun­keln, wie un­se­re Poe­ten sa­gen.

      – Ach! seufz­te Bar­be­ri­go, die­ses schwar­ze Kleid­chen und die­ses wei­ße Krä­gel­chen, die­ser halb arm­se­li­ge, halb de­vo­te An­zug, die­ses blei­che, stil­le und auf den ers­ten Blick glanz­lo­se An­ge­sicht, die­se ab­ge­run­de­ten und un­ge­zwun­ge­nen Be­we­gun­gen, die­se stau­nens­wer­te Frei­heit von al­ler und je­der Co­quet­te­rie – wie um­ge­wan­delt und ver­klärt er­scheint das al­les, wenn sie sich im Ge­san­ge von ih­rem ei­ge­nen Ge­ni­us hin­rei­ßen lässt! Glück­li­cher Zus­ti­nia­ni, der du die Zu­kunft die­ser er­wa­chen­den Am­bi­ti­on in Hän­den hast!

      – Wa­rum ist mir doch die­ses Glück nicht ge­wiss, um das du mich be­nei­dest! Aber ich hab’ im Ge­gen­tei­le große Furcht, dass ich da von al­len den weib­li­chen Lei­den­schaf­ten, die mir be­kannt sind, und die sich so leicht in Be­we­gung set­zen las­sen, nichts an­tref­fen wer­de. Soll­test du den­ken, Freund, dass die­ses klei­ne Mäd­chen mir nach ei­nem gan­zen Tage des Son­die­rens und Beo­b­ach­tens ein voll­kom­me­nes Rät­sel ge­blie­ben ist? Ich glau­be fast, nach ih­rer Si­cher­heit und mei­nem Un­ge­schick zu ur­tei­len, bin ich be­reits in sol­chem Maße von ihr ein­ge­nom­men, dass ich nicht mehr klar sehe.

      – Wahr­haf­tig, du bist ein­ge­nom­me­ner als du soll­test, denn du bist wirk­lich blind. Ich, der ich nicht von Hoff­nun­gen be­fan­gen bin, könn­te dir in drei Wor­ten er­klä­ren, was dir un­be­greif­lich schi­en. Con­sue­lo ist ein Blüm­chen Un­schuld; sie liebt den klei­nen An­zo­le­to; sie wird ihn noch ein paar Tage lie­ben; und wenn du die­ses At­ta­che­ment brüs­kirst, so wirst du ihm neue Kräf­te zu­wen­den. Wenn du aber den Schein an­nimmst, nicht dar­auf zu ach­ten, so wird sie Ver­glei­chun­gen zwi­schen ihm und dir an­stel­len, und die­se wer­den bald ihre Lie­be ab­küh­len.