Während der Triumphe, welche Consuelo feierte, hatte Anzoleto so ganz nur in ihr gelebt, dass er sich selbst vergaß. Erst als der Graf beim Abschiede auf das Engagement seiner Braut hindeutete, ohne ihm über das seinige ein Wort zu sagen, fiel ihm die Kälte auf, mit welcher sein Gönner ihn den ganzen Abend behandelt hatte, und die Besorgnis, es mit diesem unabänderlich verscherzt zu haben, goss ihm Gift in seine Freude. Es kam ihm der Gedanke, Consuelo auf der Treppe an Porpora’s Arme zu lassen und zurückeilend sich seinem Beschützer zu Füßen zu werfen; er fühlte aber in diesem Augenblicke, dass er ihn hasste, und es muss hier zu seinem Lobe gesagt werden, dass er der Versuchung, sich vor ihm zu demütigen, widerstand. Er hatte eben von Porpora Abschied genommen und schickte sich an, mit Consuelo an den Kanal hinab zu gehen, als des Grafen Gondolier ihn anhielt und ihm sagte, dass auf Befehl seines Herrn die Gondel bereit läge, um die Signora Consuelo nach Hause zu bringen. Ein kalter Schweiß trat ihm vor die Stirn.
– Die Signora ist gewohnt, zu Fuße zu gehen, gab er heftig zur Antwort. Sie ist dem Grafen sehr verbunden für seine Aufmerksamkeiten.
– Wer gibt Ihnen das Recht, in ihrem Namen zu danken? fragte der Graf, der dicht auf seinen Fersen war.
Anzoleto sah sich um und erblickte ihn, nicht unbedeckt, wie einen Mann, der nur seinen Gästen das Geleite gibt, sondern den Mantel umgeschlagen, den Degen in der einen, den Hut in der anderen Hand, wie einen Mann, der auf nächtliche Abenteuer ausgeht. Anzoleto spürte in sich einen solchen Wutanfall, dass er schon daran dachte, ihm das kleine, scharfe Messer, das ein Venetianer aus dem Volke allezeit in irgend einer Tasche seines Anzugs versteckt trägt, zwischen die Rippen zu stoßen.
– Ich hoffe, Madame, sagte der Graf mit festem Tone zu Consuelo, Sie werden mir nicht die Beleidigung zufügen, meine Gondel zu Ihrer Heimfahrt auszuschlagen; und mich nicht so betrüben, sich beim Einsteigen nicht auf meinen Arm zu stützen.
Consuelo, die in ihrer stäten Unbefangenheit nichts von dem ahnte, was neben ihr vorging, nahm dankend an, und sprang, ihren hübschen runden Ellbogen in der Hand des Grafen, ohne Umstände in die Gondel.
Gleich darauf fand eine stumme, aber nachdrückliche Verständigung zwischen dem Grafen und Anzoleto statt. Der Graf stand mit dem einen Fuße auf dem Ufer, mit dem anderen auf der Gondel und maß Anzoleto mit den Augen; Anzoleto stand auf der letzten Stufe der Treppe, ebenso den Grafen messend, aber mit einem wilden Blick, die Hand in der Brusttasche und an den Griff seines Messers gelegt. Eine kleine Bewegung gegen die Barke hin und der Graf war kalt. Was am meisten venetianisch bei diesem raschen, stummen Auftritte war, ist dies, dass die beiden Nebenbuhler sich fest im Auge behielten, ohne von einer oder der anderen Seite die Catastrophe, welche bevorstehen mochte, zu beschleunigen.
Der Graf wollte nichts, als seinen Nebenbuhler durch einen Schein von Unschlüssigkeit martern, und er führte diese Rolle gemächlich durch, obwohl er Anzoleto’s Griff an seinen Dolch sehr gut sah und noch besser verstand. Anzoleto hatte seinerseits Herrschaft genug über sich, um zu warten, ohne sich tatsächlich zu verraten, bis es dem Grafen gefallen würde, sein grausames Spiel entweder zu beschließen, oder dem Leben zu entsagen. Dies währte zwei Minuten, welche ihm eine Ewigkeit schienen, und welche der Graf mit einem stoischen Gleichmute aushielt, worauf er Consuelo eine tiefe Verbeugung machte und sich zu seinem Schützling wendete.
– Ich erlaube Ihnen, sprach er, ebenfalls in meine Gondel zu steigen: künftig werden Sie wissen, wie sich ein gesitteter Mann beträgt.
Er trat zurück, um Anzoleto in die Barke zu lassen; dann befahl er den Gondolieren nach der Corte-Minelli zu rudern.. Er blieb auf dem Ufer stehn, unbeweglich wie eine Bildsäule. Er schien entschlossen festen Fußes zu erwarten, ob sein gedemütigter Nebenbuhler einen neuen Mordgedanken fassen würde.
– Woher weiß denn der Graf deine Wohnung? war Anzoleto’s erstes Wort an seine Freundin, sobald sie den Pallast Zustiniani aus dein Gesichte verloren hatten.
– Ich habe sie ihm gesagt, erwiderte Consuelo.
– Warum tatest du das?
– Weil er mich danach fragte.
– Du hast also nicht gemerkt, weshalb er sie wissen wollte?
– Vermutlich, um mich nach Hause bringen zu lassen.
– Du denkst, das sei alles? Du denkst, er werde dich nicht besuchen?
– Mich besuchen? Welch ein Einfall! In einer solchen elenden Hütte? Das wäre ein Übermaß von Höflichkeit, und es wäre mir gar nicht lieb.
– Es darf dir auch nicht lieb sein, Consuelo, denn ein Übermaß von Schande könnte für dich aus diesem Übermaß von Ehre entstehen.
– Schande? Weshalb Schande für mich? Du führst heut Abend wunderliche Reden, lieber Anzoleto. Es ist seltsam, dass du mir Dinge vorsprichst, die ich nicht verstehen kann, anstatt mir zu sagen, wie du dich über den unverhofften und unglaublichen Erfolg unseres Tages gefreut hast.
– Den unverhofften, ja, einen sehr unverhofften! sagte Anzoleto bitter.
– Bei der Vesper und heut Abend bei all dem Beifall warst du, wie mir schien, mehr berauscht als ich. Du sahest mich mit so entzückten Augen an, und ich fand mein Glück so süß, da ich es aus deinen Mienen abgespiegelt sah! Aber seit einigen Augenblicken bist du finster und launisch, wie manchmal, wenn wir kein Brot haben, oder wenn unsere Zukunft ungewiss und böse scheint.
– Und jetzt soll ich mit Freuden an die Zukunft denken? Ungewiss, nun ungewiss ist sie vielleicht nicht mehr, aber Freudiges für mich sehe ich wahrhaftig nicht darin!
– Was verlangst du denn mehr? Es sind kaum acht Tage, dass du beim Grafen debütiert hast, und mit einem Beifall, einem Erfolg …
– Meinen Erfolg beim Grafen hat der deinige sehr verdunkelt, meine Liebe, wie du recht gut weißt.
– Ich hoffe, nicht. Übrigens, wenn das auch wäre, so können doch wir nicht eifersüchtig auf einander sein.
Diese offenherzige Rede, mit dem Ausdrucke der Zärtlichkeit und unwiderstehlicher Wahrheit gesprochen, brachte wieder Ruhe in Anzoleto’s Seele.
– Oh, wie recht hast du, rief er, und presste die Braut in seine Arme, wir können nicht eifersüchtig auf einander sein, denn wir können einander nicht betrügen.
Bei diesen letzten Worten erinnerte er sich plötzlich, zu seiner Pein, des Abenteuers, welches er