George Sand

Gesammelte Werke


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      Wäh­rend der Tri­um­phe, wel­che Con­sue­lo fei­er­te, hat­te An­zo­le­to so ganz nur in ihr ge­lebt, dass er sich selbst ver­gaß. Erst als der Graf beim Ab­schie­de auf das En­ga­ge­ment sei­ner Braut hin­deu­te­te, ohne ihm über das sei­ni­ge ein Wort zu sa­gen, fiel ihm die Käl­te auf, mit wel­cher sein Gön­ner ihn den gan­zen Abend be­han­delt hat­te, und die Be­sorg­nis, es mit die­sem un­ab­än­der­lich ver­scherzt zu ha­ben, goss ihm Gift in sei­ne Freu­de. Es kam ihm der Ge­dan­ke, Con­sue­lo auf der Trep­pe an Por­po­ra’s Arme zu las­sen und zu­rück­ei­lend sich sei­nem Be­schüt­zer zu Fü­ßen zu wer­fen; er fühl­te aber in die­sem Au­gen­bli­cke, dass er ihn hass­te, und es muss hier zu sei­nem Lobe ge­sagt wer­den, dass er der Ver­su­chung, sich vor ihm zu de­mü­ti­gen, wi­der­stand. Er hat­te eben von Por­po­ra Ab­schied ge­nom­men und schick­te sich an, mit Con­sue­lo an den Kanal hin­ab zu ge­hen, als des Gra­fen Gon­do­lier ihn an­hielt und ihm sag­te, dass auf Be­fehl sei­nes Herrn die Gon­del be­reit läge, um die Si­gno­ra Con­sue­lo nach Hau­se zu brin­gen. Ein kal­ter Schweiß trat ihm vor die Stirn.

      – Die Si­gno­ra ist ge­wohnt, zu Fuße zu ge­hen, gab er hef­tig zur Ant­wort. Sie ist dem Gra­fen sehr ver­bun­den für sei­ne Auf­merk­sam­kei­ten.

      – Wer gibt Ih­nen das Recht, in ih­rem Na­men zu dan­ken? frag­te der Graf, der dicht auf sei­nen Fer­sen war.

      An­zo­le­to sah sich um und er­blick­te ihn, nicht un­be­deckt, wie einen Mann, der nur sei­nen Gäs­ten das Ge­lei­te gibt, son­dern den Man­tel um­ge­schla­gen, den De­gen in der einen, den Hut in der an­de­ren Hand, wie einen Mann, der auf nächt­li­che Aben­teu­er aus­geht. An­zo­le­to spür­te in sich einen sol­chen Wu­t­an­fall, dass er schon dar­an dach­te, ihm das klei­ne, schar­fe Mes­ser, das ein Ve­ne­tia­ner aus dem Vol­ke al­le­zeit in ir­gend ei­ner Ta­sche sei­nes An­zugs ver­steckt trägt, zwi­schen die Rip­pen zu sto­ßen.

      – Ich hof­fe, Ma­da­me, sag­te der Graf mit fes­tem Tone zu Con­sue­lo, Sie wer­den mir nicht die Be­lei­di­gung zu­fü­gen, mei­ne Gon­del zu Ih­rer Heim­fahrt aus­zu­schla­gen; und mich nicht so be­trü­ben, sich beim Ein­stei­gen nicht auf mei­nen Arm zu stüt­zen.

      Con­sue­lo, die in ih­rer stä­ten Un­be­fan­gen­heit nichts von dem ahn­te, was ne­ben ihr vor­ging, nahm dan­kend an, und sprang, ih­ren hüb­schen run­den Ell­bo­gen in der Hand des Gra­fen, ohne Um­stän­de in die Gon­del.

      Gleich dar­auf fand eine stum­me, aber nach­drück­li­che Ver­stän­di­gung zwi­schen dem Gra­fen und An­zo­le­to statt. Der Graf stand mit dem einen Fuße auf dem Ufer, mit dem an­de­ren auf der Gon­del und maß An­zo­le­to mit den Au­gen; An­zo­le­to stand auf der letz­ten Stu­fe der Trep­pe, eben­so den Gra­fen mes­send, aber mit ei­nem wil­den Blick, die Hand in der Brust­ta­sche und an den Griff sei­nes Mes­sers ge­legt. Eine klei­ne Be­we­gung ge­gen die Bar­ke hin und der Graf war kalt. Was am meis­ten ve­ne­tia­nisch bei die­sem ra­schen, stum­men Auf­trit­te war, ist dies, dass die bei­den Ne­ben­buh­ler sich fest im Auge be­hiel­ten, ohne von ei­ner oder der an­de­ren Sei­te die Ca­ta­stro­phe, wel­che be­vor­ste­hen moch­te, zu be­schleu­ni­gen.

      Der Graf woll­te nichts, als sei­nen Ne­ben­buh­ler durch einen Schein von Un­schlüs­sig­keit mar­tern, und er führ­te die­se Rol­le ge­mäch­lich durch, ob­wohl er An­zo­le­to’s Griff an sei­nen Dolch sehr gut sah und noch bes­ser ver­stand. An­zo­le­to hat­te sei­ner­seits Herr­schaft ge­nug über sich, um zu war­ten, ohne sich tat­säch­lich zu ver­ra­ten, bis es dem Gra­fen ge­fal­len wür­de, sein grau­sa­mes Spiel ent­we­der zu be­schlie­ßen, oder dem Le­ben zu ent­sa­gen. Dies währ­te zwei Mi­nu­ten, wel­che ihm eine Ewig­keit schie­nen, und wel­che der Graf mit ei­nem stoi­schen Gleich­mu­te aus­hielt, wor­auf er Con­sue­lo eine tie­fe Ver­beu­gung mach­te und sich zu sei­nem Schütz­ling wen­de­te.

      – Ich er­lau­be Ih­nen, sprach er, eben­falls in mei­ne Gon­del zu stei­gen: künf­tig wer­den Sie wis­sen, wie sich ein ge­sit­te­ter Mann be­trägt.

      Er trat zu­rück, um An­zo­le­to in die Bar­ke zu las­sen; dann be­fahl er den Gon­do­lie­ren nach der Cor­te-Mi­nel­li zu ru­dern.. Er blieb auf dem Ufer stehn, un­be­weg­lich wie eine Bild­säu­le. Er schi­en ent­schlos­sen fes­ten Fu­ßes zu er­war­ten, ob sein ge­de­mü­tig­ter Ne­ben­buh­ler einen neu­en Mord­ge­dan­ken fas­sen wür­de.

      – Wo­her weiß denn der Graf dei­ne Woh­nung? war An­zo­le­to’s ers­tes Wort an sei­ne Freun­din, so­bald sie den Pal­last Zus­ti­nia­ni aus dein Ge­sich­te ver­lo­ren hat­ten.

      – Ich habe sie ihm ge­sagt, er­wi­der­te Con­sue­lo.

      – Wa­rum ta­test du das?

      – Weil er mich da­nach frag­te.

      – Du hast also nicht ge­merkt, wes­halb er sie wis­sen woll­te?

      – Ver­mut­lich, um mich nach Hau­se brin­gen zu las­sen.

      – Du denkst, das sei al­les? Du denkst, er wer­de dich nicht be­su­chen?

      – Mich be­su­chen? Welch ein Ein­fall! In ei­ner sol­chen elen­den Hüt­te? Das wäre ein Über­maß von Höf­lich­keit, und es wäre mir gar nicht lieb.

      – Es darf dir auch nicht lieb sein, Con­sue­lo, denn ein Über­maß von Schan­de könn­te für dich aus die­sem Über­maß von Ehre ent­ste­hen.

      – Schan­de? Wes­halb Schan­de für mich? Du führst heut Abend wun­der­li­che Re­den, lie­ber An­zo­le­to. Es ist selt­sam, dass du mir Din­ge vor­sprichst, die ich nicht ver­ste­hen kann, an­statt mir zu sa­gen, wie du dich über den un­ver­hoff­ten und un­glaub­li­chen Er­folg un­se­res Ta­ges ge­freut hast.

      – Den un­ver­hoff­ten, ja, einen sehr un­ver­hoff­ten! sag­te An­zo­le­to bit­ter.

      – Bei der Ve­s­per und heut Abend bei all dem Bei­fall warst du, wie mir schi­en, mehr be­rauscht als ich. Du sa­hest mich mit so ent­zück­ten Au­gen an, und ich fand mein Glück so süß, da ich es aus dei­nen Mie­nen ab­ge­spie­gelt sah! Aber seit ei­ni­gen Au­gen­bli­cken bist du fins­ter und lau­nisch, wie manch­mal, wenn wir kein Brot ha­ben, oder wenn un­se­re Zu­kunft un­ge­wiss und böse scheint.

      – Und jetzt soll ich mit Freu­den an die Zu­kunft den­ken? Un­ge­wiss, nun un­ge­wiss ist sie viel­leicht nicht mehr, aber Freu­di­ges für mich sehe ich wahr­haf­tig nicht dar­in!

      – Was ver­langst du denn mehr? Es sind kaum acht Tage, dass du beim Gra­fen de­bü­tiert hast, und mit ei­nem Bei­fall, ei­nem Er­folg …

      – Mei­nen Er­folg beim Gra­fen hat der dei­ni­ge sehr ver­dun­kelt, mei­ne Lie­be, wie du recht gut weißt.

      – Ich hof­fe, nicht. Üb­ri­gens, wenn das auch wäre, so kön­nen doch wir nicht ei­fer­süch­tig auf ein­an­der sein.

      Die­se of­fen­her­zi­ge Rede, mit dem Aus­dru­cke der Zärt­lich­keit und un­wi­der­steh­li­cher Wahr­heit ge­spro­chen, brach­te wie­der Ruhe in An­zo­le­to’s See­le.

      – Oh, wie recht hast du, rief er, und press­te die Braut in sei­ne Arme, wir kön­nen nicht ei­fer­süch­tig auf ein­an­der sein, denn wir kön­nen ein­an­der nicht be­trü­gen.

      Bei die­sen letz­ten Wor­ten er­in­ner­te er sich plötz­lich, zu sei­ner Pein, des Aben­teu­ers, wel­ches er