George Sand

Gesammelte Werke


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und ohne Wi­der­stand ge­wann. Nach dem Mah­le lud der Graf sie ein, der Abend­küh­le in sei­ner Gon­del mit ihm und sei­nen Freun­den zu ge­nie­ßen. Mar­cel­lo wur­de sei­ner schwa­chen Ge­sund­heit we­gen von der Spa­zier­fahrt ent­bun­den. Aber Por­po­ra, Graf Bar­be­ri­go und meh­re­re an­de­re Pa­tri­zi­er fan­den sich zur Teil­nah­me be­reit. An­zo­le­to wur­de zu­ge­las­sen.

      Da sich Con­sue­lo ein we­nig be­klom­men fühl­te, mit so vie­len Män­nern al­lein zu sein, bat sie ganz lei­se den Gra­fen, auch die Clo­rin­da mit ein­zu­la­den, und dem Gra­fen, der An­zo­le­to’s Spiel mit dem ar­men Mäd­chen nicht durch­schau­te, war es gar nicht un­lieb, die­sen um eine an­de­re als sei­ne Braut be­schäf­tigt zu se­hen. Als ein leicht­fer­ti­ger Cha­rak­ter und ein schö­ner Mann, bei sei­nem Reich­tum, sei­nem Thea­ter und über­dies bei den lo­cke­ren Sit­ten des Lan­des und der Zeit, er­man­gel­te der ede­le Graf nicht ei­ner gu­ten Do­sis von Ge­cken­haf­tig­keit. Der grie­chi­sche Wein und der Kuns­ten­thu­si­as­mus hat­ten ihn be­feu­ert, die Un­ge­duld sich an sei­ner »un­ge­treu­en« Co­ril­la zu rä­chen, war groß: nichts na­tür­li­cher, als dass er Con­sue­lo den Hof zu ma­chen ge­dach­te. Er setz­te sich in der Gon­del ne­ben sie, nach­dem er al­les der­ge­stalt ge­ord­net hat­te, dass das an­de­re Pär­chen am ent­ge­gen­ge­setz­ten Ende zu sit­zen kam, und be­gann sei­ne neue Beu­te auf eine sehr be­deu­tungs­vol­le Wei­se an­zu­bli­cken.

      Die gute Con­sue­lo ver­stand in­des­sen von dem al­len nichts. Ihre Un­schuld und Ehr­lich­keit wür­den sich ge­gen die Ver­mu­tung em­pört ha­ben, dass der Be­schüt­zer ih­res »Freun­des« so schlech­te Ab­sich­ten he­gen könn­te, aber ihre ge­wohn­te Be­schei­den­heit, wel­che von dem glän­zen­den Tri­um­phe des Ta­ges nicht den kleins­ten Wan­del er­fah­ren hat­te, ließ sie der­glei­chen Ab­sich­ten nicht ein­mal für mög­lich hal­ten. In ih­rem Her­zen war und blieb nur Ehr­furcht vor dem vor­neh­men Herrn, wel­cher sie zu­gleich mit An­zo­le­to un­ter sei­ne Ob­hut ge­nom­men hat­te, und un­be­fan­ge­ne Freu­de an ei­ner Lust­bar­keit, un­ter wel­cher sie kei­ne Tücke ver­bor­gen glaub­te.

      Die­se Ruhe, die­ses Ver­trau­en setz­ten den Gra­fen in ein sol­ches Er­stau­nen, dass er nicht wuss­te, ob er dar­in die be­reit­wil­li­ge Hin­ge­bung ei­ner wi­der­stand­lo­sen See­le oder die Dumm­heit der voll­kom­me­nen Un­schuld er­ken­nen soll­te. Ob aber eine Ita­li­e­ne­rin von acht­zehn Jah­ren nicht Be­scheid weiß, wuss­te, will ich sa­gen, zu­mal vor hun­dert Jah­ren und mit ei­nem »Freun­de« wie An­zo­le­to? Alle Wahr­schein­lich­keit war in der Tat für die Hoff­nun­gen des Gra­fen. Und den­noch konn­te er die Hand sei­nes Schütz­lin­ges nicht er­grei­fen, konn­te sei­nen Arm nicht aus­stre­cken um ih­ren Leib zu um­span­nen, ohne dass ihn eine un­er­klär­li­che Furcht au­gen­blick­lich zu­rück­hielt: er hat­te ein Ge­fühl von Un­si­cher­heit, fast Ehr­furcht, wel­ches er sich nicht zu deu­ten ver­moch­te.

      Auch Bar­be­ri­go fand die Con­sue­lo sehr ver­füh­re­risch in ih­rer Ein­falt, und er hät­te sich gern bei ihr das­sel­be wie der Graf her­aus­ge­nom­men, wenn er es nicht für eine Pf­licht der De­li­ca­tes­se ge­hal­ten hät­te, die Ab­sich­ten sei­nes Freun­des nicht zu kreu­zen. Je­dem das sei­ne, dach­te er, als er Zus­ti­nia­ni’s Au­gen in sei­nem Glan­ze wol­lüs­ti­ger Berau­schung schwim­men sah; die Rei­he wird auch an mich kom­men. Der jun­ge Bar­be­ri­go hat­te es in­des­sen gar nicht in der Art, die Ster­ne an­zu­gaf­fen, wenn er sich in Frau­en­ge­sell­schaft be­fand; er frag­te sich, wie doch die­ser klei­ne Sch­lin­gel von An­zo­le­to dazu kom­me, die blon­de Clo­rin­da in Be­schlag zu neh­men, und er trat zu ihr, um dem jun­gen Te­nor wo mög­lich be­greif­lich zu ma­chen, dass es für ihn sich bes­ser schi­cken wür­de, zum Ru­der zu grei­fen, als mit dem Däm­chen schön zu tun.

      An­zo­le­to hat­te nicht Er­zie­hung ge­nug, um, un­ge­ach­tet sei­ner schar­fen Fas­sungs­kraft, so­gleich beim ers­ten Wor­te den jun­gen Gra­fen zu ver­ste­hen. Über­dies war sein Stolz nicht klei­ner als der Hoch­mut der Pa­tri­zi­er. Er ver­ach­te­te die­se von Her­zen, und wenn er äu­ßer­lich sich ih­nen ge­schmei­dig zeig­te, so war dies nur eine Schlau­heit, hin­ter wel­cher sich sei­ne in­ne­re Ge­ring­schät­zung ver­barg. Da Bar­be­ri­go sah, dass An­zo­le­to sich ein Ver­gnü­gen dar­aus mach­te, ihm hin­der­lich zu sein, so er­sann er eine grau­sa­me Ra­che.

      – Alle Wet­ter, sag­te er laut zur Clo­rin­da, se­hen Sie nur, was für ein Glück Ihre Freun­din Con­sue­lo macht. Wo wird die heu­te auf­hö­ren? Nicht ge­nug, dass sie in der gan­zen Stadt mit ih­rem schö­nen Ge­sang Fu­ro­re ge­macht hat, ver­dreht sie nun mit ih­ren feu­ri­gen Bli­cken noch un­se­rem ar­men Gra­fen den Kopf. Er wird ganz ver­narrt in sie wer­den, wenn er es nicht schon ist, und mit den Sa­chen der Ma­da­me Co­ril­la steht es nun vollends schlecht.

      – O, es ist nichts zu be­sor­gen, er­wi­der­te Clo­rin­da hä­misch, Con­sue­lo ist in den An­zo­le­to hier ver­liebt, und mit ihm ver­spro­chen. Die bei­den bren­nen für ein­an­der, wer weiß seit wie vie­len Jah­ren.

      – Man ver­gisst auch wohl, wer weiß wie vie­le Jah­re der Lie­be, in ei­nem Au­gen­blin­zen, zu­mal wenn Zus­ti­nia­ni’s Au­gen sich dar­auf ein­las­sen, den töd­li­chen Pfeil ab­zu­schnel­len. Mei­nen Sie nicht, schö­ne Clo­rin­da?

      An­zo­le­to hielt die­se Spöt­te­rei­en nicht lan­ge aus. Tau­send Schlan­gen hat­ten sich schon in sei­ne Brust ge­schli­chen. Bis die­sen Au­gen­blick hat­te er um der­glei­chen we­der Arg­wohn noch Sor­ge ge­hegt: er hat­te sich blind­lings der Freu­de über den Tri­umph sei­ner Freun­din hin­ge­ge­ben, und nur, um teils sei­nem Ju­bel einen be­stimm­ten An­halt, teils sei­ner Ei­tel­keit einen raf­fi­nier­ten Ge­nuss zu ver­schaf­fen, hat­te er sich seit zwei Stun­den dar­an er­götzt, das Op­fer die­ses be­rau­schen­den Ta­ges auf­zu­zie­hen. Nach ei­ni­gen scha­len Wit­zen, wel­che er mit Bar­be­ri­go wech­sel­te, tat er, als ob die Un­ter­hal­tung über mu­si­ka­li­sche Ge­gen­stän­de, wel­che Por­po­ra in der Mit­te der Gon­del mit der üb­ri­gen Ge­sell­schaft führ­te, sei­ne Auf­merk­sam­keit er­regt hät­te: er ent­fern­te sich all­mäh­lich von ei­nem Plat­ze, wel­chen er nicht län­ger Lust hat­te, sei­nem Geg­ner strei­tig zu ma­chen und stahl sich im Dun­kel an das Vor­der­teil der Bar­ke. So­gleich bei dem ers­ten Ver­su­che, das Tête-à-Tête des Gra­fen und sei­ner Braut zu un­ter­bre­chen, be­merk­te er, dass Zus­ti­nia­ni an die­ser Da­zwi­schen­kunft we­nig Ge­fal­len fand, denn der Graf ant­wor­te­te ihm kalt und fer­tig­te ihn so­gar kurz ab. Nach­dem An­zo­le­to mit ver­schie­de­nen mü­ßi­gen Fra­gen übel an­ge­kom­men war, er­hielt er zu­letzt den gu­ten Rat, doch lie­ber die tie­fen und ge­lehr­ten Sa­chen mit an­zu­hö­ren, wel­che der große Por­po­ra über den Kon­tra­punkt ver­neh­men lie­ße.

      – Der große Por­po­ra ist nicht mein Leh­rer, ant­wor­te­te An­zo­le­to, sei­ne in­ne­re Wut so gut als mög­lich un­ter ei­nem scher­zen­den Tone ver­ber­gend; er ist aber Con­sue­lo’s Leh­rer, und wenn es mei­nem teu­ern und ge­lieb­ten gnä­di­gen Herrn ge­fie­le; füg­te er, zu dem Gra­fen nie­der­ge­beugt, ganz lei­se und mit ein­schmei­cheln­dem Tone hin­zu, mei­ne arme Con­sue­lo kei­nen an­de­ren Un­ter­richt als den ih­res al­ten Leh­rers ge­nie­ßen zu las­sen …

      – Mein teu­rer und ge­lieb­ter Zoto, ant­wor­te­te der Graf, den­sel­ben schmei­cheln­den Ton in der bos­haf­tes­ten