George Sand

Gesammelte Werke


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Dem­nach müss­te ich ge­ra­de das wün­schen was ich er­schreck­lich fürch­te, was mich, wenn ich nur dar­an den­ke, toll vor Wut macht. Was hältst du für wahr­schein­lich?

      – Ich glau­be, dass sie kei­ne Amour ha­ben.

      – Un­denk­bar! Der Bur­sche ist lie­der­lich, dreist, hit­zig; und dann die Sit­ten die­ses Vol­kes!

      – Con­sue­lo ist ein Wun­der in al­len Stücken. Du hast noch nicht Er­fah­rung ge­nug, un­ge­ach­tet all dei­nes Glückes bei den Frau­en, lie­ber Zus­ti­nia­ni, wenn du es nicht die­sem Mäd­chen an je­der Be­we­gung, an je­dem Wort, an je­der Mie­ne ab­merkst, dass sie rein wie der Cris­tall im Scho­ße des Ber­ges ist.

      – Du ent­zückst mich.

      – Sach­te! das ist Narr­heit, Vor­ur­teil. Wenn du Con­sue­lo liebst, ver­hei­ra­te sie mor­gen, und in acht Ta­gen hat ihr Herr ihr die Last ei­ner Ket­te, die Qua­len der Ei­fer­sucht, die Uner­träg­lich­keit ei­nes mür­ri­schen, un­ge­rech­ten und treu­lo­sen Wäch­ters zu füh­len ge­ge­ben; denn der schö­ne An­zo­le­to wird das al­les sein. Ich habe ihn ges­tern zwi­schen der Con­sue­lo und der Clo­rin­da be­ob­ach­tet, um mich in den Stand zu set­zen, ihm sei­ne Sün­den und sei­ne bö­sen Schick­sa­le vor­aus­zu­sa­gen. Fol­ge mei­nem Rate, Freund, und du wirst bald Ur­sach ha­ben, mir zu dan­ken. Das Ehe­band ist un­ter Leu­ten die­ses Schla­ges leicht zu lo­ckern, und du weißt wohl, bei die­ser Art Frau­en ist die Lie­be eine ent­flamm­te Ein­bil­dung, die sich nur an den Hin­der­nis­sen nährt und stei­gert.

      – Du set­zest mich in Verzweif­lung, ant­wor­te­te der Graf, und den­noch sehe ich ein, dass du recht hast.

      Zum Un­glück für die Plä­ne des Gra­fen Zus­ti­nia­ni, hat­te die­ses Ge­spräch einen Zu­hö­rer, auf wel­chen man nicht rech­ne­te, und dem kei­ne Sil­be da­von ent­ging. Nach sei­ner Tren­nung von Con­sue­lo, war An­zo­le­to, aufs neue von Ei­fer­sucht ge­spornt, nach dem Pal­las­te sei­nes Be­schüt­zers zu­rück­ge­kehrt und um­schlich die­sen, um sich zu über­zeu­gen, ob nicht etwa eine Ent­füh­rung im Wer­ke wäre, wie sie da­mals häu­fig statt fand und den Pa­tri­zi­ern fast ohne Aus­nah­me straf­los hin­ging. Er ver­nahm nichts wei­ter als das Er­zähl­te. Denn der Mond, wel­cher in­zwi­schen über den Gie­beln des Pal­las­tes em­por­ge­stie­gen war, zeich­ne­te An­zo­le­to’s Schat­ten auf dem Stein­pflas­ter all­mäh­lich im­mer deut­li­cher ab, und da nun­mehr die bei­den jun­gen Herrn die An­we­sen­heit ei­nes Men­schen un­ter dem Bal­kon be­merk­ten, zo­gen sie sich zu­rück und schlos­sen das Fens­ter.

      An­zo­le­to eil­te hin­weg, um in Frei­heit über das was er ge­hört hat­te, nach­zu­den­ken. Er hat­te auch ge­ra­de ge­nug ge­hört, um zu wis­sen, wor­an er sich zu hal­ten hät­te und um von den tu­gend­haf­ten Ratschlä­gen, die Bar­be­ri­go sei­nem Freun­de gab, Vor­teil für sich zu zie­hen. Er schlief kaum zwei Stun­den ge­gen. Mor­gen, und lief dann so­gleich nach der Cor­te-Mi­nel­li. Con­sue­lo’s Tür war noch ver­rie­gelt, aber durch die Spal­ten die­ser schlecht ver­wahr­ten Schutz­wehr sah er, dass sie noch ganz an­ge­klei­det, schla­fend, bleich und re­gungs­los wie eine Tote, auf ih­rem Bet­te lag. Die Mor­gen­küh­le hat­te sie aus ih­rer Ohn­macht ge­weckt, und zu schwach, um sich aus­zu­klei­den, hat­te sie sich, wie sie war, auf das La­ger ge­wor­fen. Er stand eine Wei­le und be­trach­te­te sie voll Un­ru­he und Ge­wis­sens­angst. Bald ward er un­ge­dul­dig und ge­ängs­tet von die­sem tie­fen Schla­fe, wel­cher der wach­sa­men Ge­wohn­heit sei­ner Freun­din so ganz wi­der­sprach, er­wei­ter­te er sacht eine Spal­te ver­mit­telst sei­nes Mes­sers, steck­te die Klin­ge dann hin­durch und schob da­mit den Rie­gel zu­rück. Es ging dies nicht ohne ei­ni­ges Geräusch ab, je­doch Con­sue­lo war so von Mü­dig­keit zer­schla­gen, dass sie nicht da­von er­wach­te. Er trat ein, ver­schloss die Türe wie­der, knie­te ne­ben ih­rem Kopf­kis­sen nie­der und war­te­te, bis sie die Au­gen öff­ne­te. Als Con­sue­lo ihn er­blick­te, war ihre ers­te Re­gung ein Freu­den­schrei, aber schnell ließ sie die Arme, wel­che sie um sei­nen Hals ge­schlun­gen hat­te, wie­der sin­ken und wich vor ihm mit ei­ner Ge­bär­de des Ent­set­zens zu­rück.

      – Du hast jetzt Furcht vor mir, und statt mich zu um­ar­men, willst du vor mir flie­hen! sag­te er mit schmerz­li­chem Tone. Ach! wie hart bin ich für mein Ver­ge­hen ge­straft. Ver­gib mir, Con­sue­lo, und sie­he, ob du dei­nem Freun­de nicht ver­trau­en darfst. Eine gute Stun­de bin ich nun schon da, und sah dich an, wie du schliefst. O, ver­gib mir, mei­ne Schwes­ter! es ist das ers­te und das letz­te mal in dei­nem Le­ben, dass du Ur­sach ha­ben sollst, dei­nen Bru­der zu ta­deln und zu­rück­zu­sto­ßen. Nie will ich wie­der die Hei­lig­keit un­se­rer Lie­be durch sträf­li­che Auf­wal­lun­gen ent­wei­hen. Ver­lass mich, jage mich von dir, wenn ich mein Ge­lüb­de je­mals bre­che. Sieh, hier bei dei­nem jung­fräu­li­chen La­ger, bei dem To­ten­bet­te dei­ner ar­men Mut­ter schwö­re ich dir, dir Ach­tung zu be­wei­sen wie bis­her, und auch nicht einen ein­zi­gen Kuss von dir zu for­dern, wenn du es ver­langst, bis uns der Pries­ter ein­ge­seg­net ha­ben wird. Bist du so mit mir zu­frie­den, lie­be, from­me Con­sue­lo?

      Con­sue­lo drück­te statt der Ant­wort den blon­den Kopf des Ve­ne­tia­ners an ihr Herz und be­netz­te ihn mit Trä­nen. Die­ser Er­guss schaff­te ihr Er­leich­te­rung; und bald nach­her sag­te sie, auf ihr klei­nes har­tes Kis­sen zu­rück­sin­kend:

      – Ich ge­ste­he dir, dass ich ganz hin bin; denn die­se gan­ze Nacht hab’ ich kein Auge zu­tun kön­nen. Wir hat­ten uns so schlimm ver­las­sen!

      – Schlaf, Con­sue­lo, schlaf, mein lie­ber En­gel, ant­wor­te­te An­zo­le­to; er­in­ne­re dich der Nacht, wo du mir er­laub­test auf dei­nem Bet­te zu ru­hen, wäh­rend du be­te­test und an die­sem Tisch­chen ar­bei­te­test. Jetzt ist es an mir, dei­ne Ruhe zu be­hü­ten und zu be­wa­chen. Schla­fe noch, mein Kind. Ich will in dei­nen No­ten­blät­tern und nur lei­se le­sen, wäh­rend du noch eine Stun­de oder zweie schläfst. Nie­mand wird heu­te, wenn es an­ders heu­te noch ge­schieht, vor Abend nach uns fra­gen. Schlaf also und zei­ge mir durch die­ses Ver­trau­en, dass du mir ver­gibst und den Glau­ben an mich nicht ver­lo­ren hast.

      Con­sue­lo ant­wor­te­te ihm mit ei­nem se­li­gen Lä­cheln. Er küss­te sie auf die Stirn, und setz­te sich an das Tisch­chen. In­des­sen be­fing sie ein wohl­tä­ti­ger Schlaf, in den sich die hol­des­ten Träu­me misch­ten.

      An­zo­le­to hat­te zu lan­ge in Ruhe und Un­schuld an der Sei­te die­ses Mäd­chens ge­lebt, als dass es ihm schwer wer­den konn­te, nach ei­nem ein­zi­gen Tage der Auf­re­gung, sein ge­wohn­tes We­sen wie­der an­zu­neh­men. Die­se brü­der­li­che Zu­nei­gung war, so zu sa­gen, der nor­ma­le Zu­stand sei­ner See­le. Auch war das, was er in der Nacht un­ter Zus­ti­nia­ni’s Bal­kon ge­hört hat­te, ganz dazu ge­eig­net, ihn in sei­nen Ent­schlüs­sen zu be­stär­ken. Schö­nen Dank, ihr wer­ten Her­ren! sag­te er für sich, ihr habt mir einen Un­ter­richt in der Moral nach eue­rer Façon ge­ge­ben, und der klei­ne Sch­lin­gel wird da­von pro­fi­tie­ren, ganz so gut wie ein Roué eu­e­res Schla­ges. Kühlt der Be­sitz die Lie­be ab, brin­gen die ehe­li­chen Rech­te Sät­ti­gung und Ekel mit sich, nun, so wol­len wir die­se Flam­me rein er­hal­ten, die euch so leicht aus­zu­lö­schen scheint. Wir wer­den uns zu mä­ßi­gen wis­sen, wir wer­den uns der Ei­fer­sucht, wie der Un­treue und selbst der Freu­den der Lie­be ent­hal­ten. Er­lauch­ter und wei­ser Bar­be­ri­go, Dero Pro­phe­zei­hun­gen be­ra­ten uns treff­lich und es frommt, in Dero Schu­le zu ge­hen!