George Sand

Gesammelte Werke


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Sie klatsch­te mit gleich­gül­ti­ger Mie­ne, sprach ein ab­ge­mes­se­nes Lob aus und ver­schmä­he­te es, den Schein ei­nes un­ei­gen­nüt­zi­gen En­thu­si­as­mus für eine Ne­ben­buh­le­rin zur Schau zu tra­gen, die sie in der Tat we­der fürch­ten noch be­wun­dern konn­te. Ei­nen Au­gen­blick lang glaub­te der Graf, sie sei von ge­hei­mer Ei­fer­sucht ge­quält, wenn auch nicht we­gen des Ta­len­tes, doch we­gen des Er­fol­ges der Pri­ma Don­na.

      – Die­ser Er­folg ist nichts, sag­te er, ge­gen den ge­hal­ten, wel­chen Sie er­lan­gen wer­den. Möge er Ih­nen nur einen Vor­schmack von den Tri­um­phen ge­ben, wel­che Ih­rer war­ten, wo­fern Sie vor dem Pub­li­cum das sind was Sie vor uns wa­ren. Ich hof­fe, was Sie da se­hen, macht Ih­nen nicht ban­ge?

      – Nein, Herr Graf! ant­wor­te­te Con­sue­lo lä­chelnd. Die­ses Pub­li­kum macht mir nicht ban­ge, denn ich den­ke gar nicht an die Leu­te; nur dar­an den­ke ich, wie man die Rol­le, wel­che die Co­ril­la da ge­spielt hat, neh­men müss­te, um et­was Bril­lan­tes dar­aus zu ma­chen; man müss­te es aber da­bei auf Wir­kun­gen ab­se­hen, wel­che sie nicht her­aus­ge­fun­den hat.

      – Wie? An das Pub­li­cum den­ken Sie nicht?

      – Nein! ich den­ke an die Par­ti­tur, an die Ab­sich­ten des Kom­po­nis­ten, an den Geist der Rol­le, an das Or­che­s­ter, wel­ches sei­ne Vor­zü­ge und sei­ne Män­gel hat, und wie man die einen be­nut­zen und die an­de­ren, in­dem man bei ge­wis­sen Stel­len sich selbst über­bie­tet, ver­de­cken müss­te. Ich ach­te auf die Chö­re, die nicht im­mer be­frie­di­gend sind und ei­ner stren­ge­ren Lei­tung be­dür­fen; ich mer­ke mir die Stel­len, wo man alle sei­ne Mit­tel auf­zu­wen­den, und wie­der die­je­ni­gen, wo man sich zu scho­nen hat. Sie se­hen, Herr Graf, dass ich an vie­les den­ken muss, ehe ich dazu kom­men kann, an das Pub­li­cum zu den­ken, das von al­len die­sen Sa­chen nichts ver­steht und von dem ich nichts ler­nen kann.

      Die Si­cher­heit ih­res Ur­teils und der Ernst, mit wel­chem sie al­les und je­des prüf­te, setz­ten Zus­ti­nia­ni in so großes Er­stau­nen, dass er kei­ne Fra­ge wei­ter an sie zu rich­ten wag­te, und dass er sich be­stürzt frag­te, wie wohl ein Galan­thom­me sei­nes Glei­chen mit ei­nem Geis­te die­ser Art fer­tig wer­den soll­te.

      Zus­ti­nia­ni be­trieb Ge­schäf­te die­ser Art mehr wie ein großer Herr als wie ein Schau­spiel­di­rek­tor. Er ließ sich mehr von sei­ner prah­le­ri­schen Sucht als von den Wün­schen sei­ner Zuschau­er lei­ten. In den Sa­lons be­rei­te­te er sein Pub­li­kum vor und »chauf­fier­te« den Er­folg sei­ner Auf­füh­run­gen. Sei­ne Mit­tel wa­ren da­her nie­mals ge­mein Und nichts­wür­dig; aber sei­nen kin­di­schen Dün­kel, die Ein­wir­kung sei­ner ga­lan­ten Pas­sio­nen und die ge­wand­te Klät­sche­rei der gu­ten Ge­sell­schaft zog er mit ins Spiel. Er trug jetzt Stück für Stück, in der Tat mit vie­ler Ge­schick­lich­keit, das Ge­bäu­de des Ruh­mes, wel­ches er mit ei­ge­nen Hän­den der Co­ril­la auf­ge­baut hat­te, wie­der ab. Je­der­mann sah, dass er einen an­de­ren Ruhm auf­zu­bau­en vor­hat­te, so­gleich glaub­te man ihn im voll­kom­mens­ten Be­sitz des vor­geb­li­chen Wun­ders, das er dem­nächst pro­du­zie­ren woll­te, und wäh­rend die arme Con­sue­lo noch kei­ne Ah­nung hat­te von der Lei­den­schaft des Gra­fen für sie, hieß es schon in ganz Ve­ne­dig, das der Co­ril­la über­drüs­sig war, »der Graf wür­de an de­ren statt, eine neue Maitres­se de­bü­tie­ren las­sen.« Ei­ni­ge füg­ten hin­zu: »er my­sti­fi­ziert sein Pub­li­cum to­tal, er setzt sein Thea­ter to­tal her­un­ter! Die neue Fa­vo­ri­te ist eine von der Stra­ße auf­ge­le­se­ne Sän­ge­rin, eine Per­son, die nichts kann, die bloß eine schö­ne Stim­me und ein passables Ge­sicht hat.«

      So­gleich nun Ca­ba­len zu Guns­ten der Co­ril­la, die ih­rer­seits die Rol­le der auf­ge­op­fer­ten Ri­va­le spiel­te und ih­ren zahl­rei­chen Schwarm von An­be­tern auf­bot, um durch die­se und de­ren Freun­de die in­so­len­ten Prä­ten­tio­nen der »Zin­ga­rel­la« (des Zi­geu­ner­mäd­chens) zu be­stra­fen. So­gleich auch nun Ca­ba­len zu Con­sue­lo’s Guns­ten, von Sei­ten der Frau­en de­nen die Co­ril­la ihre Lieb­ha­ber und ihre Ehe­män­ner ab­wen­dig oder strei­tig ge­macht hat­te, oder auch von Sei­ten der Ehe­män­ner die eine ge­wis­se Grup­pe ve­ne­tia­ni­scher Don Ju­ans lie­ber eine De­bü­tan­tin als ihre Frau­en um­rin­gen sa­hen, oder end­lich von Sei­ten der ver­schmä­he­ten oder ver­ra­te­nen Lieb­ha­ber der Co­ril­la, wel­che sich an ihr durch den Tri­umph ei­ner an­de­ren zu rä­chen wünsch­ten.

      Die wirk­li­chen di­let­tan­ti di mu­si­ca trenn­ten sich eben­falls in Par­tei­en und fie­len teils den erns­tem Meis­tern, wie Por­po­ra, Mar­cel­lo, Jo­mel­li u. A. zu, wel­che die Rück­kehr der gu­ten Schu­le und der gu­ten Sa­chen mit dem Auf­tre­ten ei­ner wahr­haft treff­li­chen Künst­le­rin ver­kün­dig­ten; teils den Kom­po­nis­ten zwei­ten Ran­ges, de­ren leich­te Ware die Co­ril­la im­mer vor­ge­zo­gen hat­te, und die durch den Fall die­ser Sän­ge­rin sich selbst be­droht glaub­ten. Die Mu­si­ker des Or­che­s­ters sa­hen sich in Ge­fahr, längst ver­ges­se­ne Par­ti­tu­ren wie­der vor­ge­legt zu er­hal­ten und ernst­lich ar­bei­ten zu müs­sen; das gan­ze Thea­ter­per­so­nal fürch­te­te sich vor Re­for­men, der­glei­chen bei ei­nem be­deu­ten­den Wech­sel in der Zu­sam­men­set­zung der Trup­pe ein­zu­tre­ten pfle­gen; so­gar bis hin­un­ter zu den Ma­schi­nis­ten, An­klei­de­rin­nen und dem Fri­seur der Sta­tis­ten war al­les am Thea­ter San Sa­mu­el in Aufruhr für oder wi­der das De­büt; und es ist mit Wahr­heit zu be­rich­ten, dass we­gen des­sel­ben die ge­sam­te Re­pu­blik in viel leb­haf­te­rer Be­we­gung war als we­gen der Re­gie­rungs­hand­lun­gen des neu­en Do­gen Pie­tro Gri­mal­di, wel­cher so­eben in al­lem Frie­den an die Stel­le sei­nes Vor­gän­gers,