George Sand

Gesammelte Werke


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zu fürch­ten, und wäre es eine Faus­ti­na oder eine Mol­te­ni.

      – Glau­be nur nicht, dass ich mich ge­fürch­tet habe. Ich bin we­der nei­disch noch bos­haft. Frem­de Er­fol­ge ha­ben nie den mei­ni­gen Ein­trag ge­tan, und ha­ben mich nie ver­dros­sen. Aber wenn ich glau­ben muss, dass man mich her­aus­for­dern und mir wehe tun will …

      – Soll ich die klei­ne Con­sue­lo hier­her zu Ihren Fü­ßen füh­ren? Wenn sie den Mut dazu ge­habt hät­te, wäre sie schon zu Ih­nen ge­kom­men, und hät­te Sie um Ihre Un­ter­stüt­zung, um Ihren Rat ge­be­ten. Aber es ist ein so schüch­ter­nes Kind. Und über­dies sind Sie bei ihr ver­leum­det wor­den. Auch ihr ha­ben Freun­de vor­ge­re­det, die Co­ril­la wäre hart­her­zig, rach­süch­tig, ar­bei­te an ih­rem Stur­ze.

      – Ha­ben sie ihr das vor­ge­re­det? Nun, dann ver­ste­he ich, wes­halb du hier bist.

      – Nein, Ma­da­me! Sie ver­ste­hen es nicht; denn ich habe an jene Ver­leum­dun­gen nicht einen Au­gen­blick ge­glaubt, und wer­de nie­mals dar­aus glau­ben. O nein, Ma­da­me, Sie ver­ste­hen mich nicht.

      Bei die­sen Wor­ten gab sich An­zo­le­to, in­dem er ein Knie vor Co­ril­la beug­te, und mit sei­nen schwar­zen Au­gen fun­kel­te, einen un­nach­ahm­li­chen Aus­druck von Sehn­sucht und Lie­be.

      Es fehl­te der Co­ril­la nicht an Schlau­heit und an Scharf­blick; aber, wie es Frau­en, die au­ßer­or­dent­lich von sich ein­ge­nom­men sind, wol zu ge­sche­hen pflegt, die Ei­tel­keit leg­te ihr oft eine di­cke Bin­de um die Au­gen, und sie fiel dann in die gröbs­ten Fal­len. Au­ßer­dem war sie in ver­lieb­ter Stim­mung. An­zo­le­to war der schöns­te Jun­ge, den sie noch ge­se­hen hat­te. Sie konn­te sei­nen ho­nig­sü­ßen Wor­ten nicht wi­der­ste­hen; und hat­te er ihr zu­erst nur den Ge­nuss der Ra­che ge­währt, so fand sie sich all­mäh­lich durch die Genüs­se des Be­sit­zes an ihn ge­ket­tet.

      Acht Tage nach die­ser ers­ten Zu­sam­men­kunft war sie ra­send in ihn ver­liebt und dro­he­te je­den Au­gen­blick das Ge­heim­nis ih­rer Ver­trau­lich­keit durch furcht­ba­re Aus­brü­che ih­rer Hit­ze und Ei­fer­sucht zu ver­ra­ten.

      An­zo­le­to, der auch sie auf eine ge­wis­se Art lieb­te (sein Herz aber kam nicht da­hin, sich von Con­sue­lo los­zu­rei­ßen), An­zo­le­to war selbst sehr er­schro­cken über den zu ra­schen und zu voll­stän­di­gen Er­folg sei­nes Ver­su­ches. In­des­sen schmei­chel­te er sich mit der Hoff­nung, sei­ne Herr­schaft so lan­ge zu be­haup­ten, bis er sei­nen Zweck er­reicht ha­ben wür­de, näm­lich zu ver­hin­dern, dass Co­ril­la sei­nem De­büt und dem Er­fol­ge Con­sue­lo’s scha­de. Er be­han­del­te sie mit großer Ge­schick­lich­keit; mit teuf­li­scher Kunst wuss­te er sei­nen Lü­gen den An­strich der Wahr­heit zu ge­ben. Er ver­stand es, sie zu fes­seln, sie zu be­re­den, sie zu len­ken: er brach­te ihr die Mei­nung von sich bei, als ob er nichts an ei­nem Wei­be hö­her zu schät­zen wüss­te als Groß­mut, Mil­de und Gerad­heit, und er zeich­ne­te ihr ge­schickt die Rol­le vor, wel­che sie öf­fent­lich ge­gen Con­sue­lo spie­len müss­te, woll­te sie nicht von ihm ge­hasst und ver­ach­tet sein. Er ver­stand es, sei­ne Zärt­lich­keit mit Stren­ge zu paa­ren, und in­dem er sei­ne Dro­hun­gen in Lob ver­klei­de­te, gab er sich die Mie­ne, als ob er sie für einen En­gel an Güte hiel­te.

      Die arme Co­ril­la hat­te schon alle Rol­len in ih­rem Bou­doir ge­spielt, nur die­se noch nicht; und es war die­je­ni­ge, wel­che sie auch auf der Büh­ne im­mer schlecht ge­spielt hat­te. Den­noch füg­te sie sich dar­in, aus Furcht, Genüs­se zu ver­lie­ren, de­ren sie noch nicht satt war und die ihr An­zo­le­to un­ter al­ler­lei Vor­wand gei­zend, wün­schens­wert zu er­hal­ten wuss­te. Er mach­te ihr weiß, dass der Graf bei al­lem Un­wil­len im­mer noch in sie ver­liebt und heim­lich ei­fer­süch­tig wäre, wie sehr er sich auch des Ge­gen­teils rüh­me.

      Wenn er er­füh­re, sag­te er zu ihr, wel­ches Glück du mir zu kos­ten gibst, so wäre es um mei­ne De­büts, viel­leicht um mei­ne Zu­kunft ge­sche­hen: denn die Käl­te, wo­mit er mich be­han­delt, seit du so un­vor­sich­tig warst, ihm mei­ne Lie­be zu dir zu ver­ra­ten, die­se Käl­te be­weist mit, dass er mich mit sei­nem Hass ewig ver­fol­gen wür­de, wenn er er­füh­re, dass ich dich ge­trös­tet habe.

      Dies war, wie die Sa­chen stan­den, in der Tat nicht sehr wahr­schein­lich: viel­mehr wür­de sich der Graf ge­freut ha­ben, An­zo­le­to sei­ner Braut un­ge­treu zu wis­sen. Aber Co­ril­la’s Ei­tel­keit ließ sich gern täu­schen. Sie glaub­te auch, dass sie von An­zo­le­to’s Ge­füh­len für die De­bü­tan­tin nichts zu fürch­ten habe. Als er sich über die­sen Punkt ver­tei­dig­te, und bei al­len Göt­tern schwor, nie et­was an­de­res ge­we­sen zu sein, als der Bru­der die­ses jun­gen Mäd­chens – wie auch tat­säch­lich wahr – wuss­te er sei­nen Be­teue­run­gen einen sol­chen Schein von Auf­rich­tig­keit zu ge­ben, dass Co­ril­la’s Ei­fer­sucht be­siegt wur­de.

      End­lich rück­te der große Tag her­an, und die Ca­ba­le, wel­che sie ge­schmie­det hat­te, war zer­nich­tet. Zu sei­nem Vor­tei­le ar­bei­te­te sie jetzt in ei­nem ent­ge­gen­ge­setz­ten Sin­ne; sie zwei­fel­te nicht, dass die schüch­ter­ne und un­er­fah­re­ne Con­sue­lo von selbst durch­fal­len wür­de, und woll­te da­durch, dass sie hier­zu nichts bei­trü­ge, An­zo­le­to’s Dank er­wer­ben. Zum Über­flus­se hat­te An­zo­le­to sie mit ih­ren tap­fers­ten Cham­pi­ons ge­schickt zu brouil­lie­ren ge­wusst, in­dem er sich ei­fer­süch­tig auf die häu­fi­gen Be­su­che die­ser Hel­den stell­te und Co­ril­la zwang, die­sel­ben ein we­nig derb ab­lau­fen zu las­sen.

      Wäh­rend der ver­schla­ge­ne Ve­ne­tia­ner so im Fins­tern dar­an ar­bei­te­te, die Hoff­nun­gen der Frau, wel­che er jede Nacht in sei­ne Arme schloss, zu un­ter­gra­ben, spiel­te er dem Gra­fen und Con­sue­lo eine an­de­re Rol­le vor. Er rühm­te sich ge­gen die­se, dass er ihre furcht­ba­re Fein­din durch ge­schick­te Ma­nö­ver, eif­ri­ge Auf­war­tun­gen und dreis­te Lü­gen ent­waff­net habe.

      Der Graf, mut­wil­lig und et­was klatsch­haft, wie er war, fand an den Ge­schicht­chen sei­nes Schütz­lings ein un­end­li­ches Ver­gnü­gen. Sei­ne Ei­gen­lie­be fei­er­te in der Be­küm­mer­nis, wel­che An­zo­le­to der Co­ril­la als eine Fol­ge ih­res Bru­ches mit dem Gra­fen an­dich­te­te, einen Tri­umph, und mit je­nem fühl­lo­sen Leicht­sinn, wel­cher im Ver­kehr mit dem Thea­ter und den Galan­te­ri­en sich aus­zu­bil­den pflegt, sporn­te er den jun­gen Mann zu neu­en Ruch­lo­sig­kei­ten an.

      Con­sue­lo sah das al­les mit Ver­wun­de­rung und Be­trüb­nis.

      – Du tä­test bes­ser, sag­te sie zu ihm, an dei­ner Stim­me zu ar­bei­ten und zu stu­die­ren. Du glaubst viel ge­tan zu ha­ben, wenn du den Feind ent­waff­net hast. Aber eine rein in­to­nier­te Note, ein wohl ver­stan­de­ner Ak­zent wür­de bei ei­nem un­par­tei­ischen Pub­li­cum si­cher­lich mehr aus­rich­ten, als das Still­schwei­gen der Nei­der. Nur an ein sol­ches Pub­li­cum soll­ten wir den­ken, und ich sehe mit Leid­we­sen, dass du das nicht tust.

      – Sei ru­hig, lie­be Con­su­e­li­ta, ent­geg­ne­te er. Du irrst dich in dem Pub­li­cum, wenn du es dir un­par­tei­isch und kunst­ver­stän­dig vor­stellst. Die Leu­te, wel­che ein Ur­teil ha­ben, sind ge­wöhn­lich nicht red­lich, und die Red­li­chen sind so un­wis­send, dass man nur Keck­heit nö­tig hat, um sie zu blen­den und hin­zu­rei­ßen.

      17.