zu fürchten, und wäre es eine Faustina oder eine Molteni.
– Glaube nur nicht, dass ich mich gefürchtet habe. Ich bin weder neidisch noch boshaft. Fremde Erfolge haben nie den meinigen Eintrag getan, und haben mich nie verdrossen. Aber wenn ich glauben muss, dass man mich herausfordern und mir wehe tun will …
– Soll ich die kleine Consuelo hierher zu Ihren Füßen führen? Wenn sie den Mut dazu gehabt hätte, wäre sie schon zu Ihnen gekommen, und hätte Sie um Ihre Unterstützung, um Ihren Rat gebeten. Aber es ist ein so schüchternes Kind. Und überdies sind Sie bei ihr verleumdet worden. Auch ihr haben Freunde vorgeredet, die Corilla wäre hartherzig, rachsüchtig, arbeite an ihrem Sturze.
– Haben sie ihr das vorgeredet? Nun, dann verstehe ich, weshalb du hier bist.
– Nein, Madame! Sie verstehen es nicht; denn ich habe an jene Verleumdungen nicht einen Augenblick geglaubt, und werde niemals daraus glauben. O nein, Madame, Sie verstehen mich nicht.
Bei diesen Worten gab sich Anzoleto, indem er ein Knie vor Corilla beugte, und mit seinen schwarzen Augen funkelte, einen unnachahmlichen Ausdruck von Sehnsucht und Liebe.
Es fehlte der Corilla nicht an Schlauheit und an Scharfblick; aber, wie es Frauen, die außerordentlich von sich eingenommen sind, wol zu geschehen pflegt, die Eitelkeit legte ihr oft eine dicke Binde um die Augen, und sie fiel dann in die gröbsten Fallen. Außerdem war sie in verliebter Stimmung. Anzoleto war der schönste Junge, den sie noch gesehen hatte. Sie konnte seinen honigsüßen Worten nicht widerstehen; und hatte er ihr zuerst nur den Genuss der Rache gewährt, so fand sie sich allmählich durch die Genüsse des Besitzes an ihn gekettet.
Acht Tage nach dieser ersten Zusammenkunft war sie rasend in ihn verliebt und drohete jeden Augenblick das Geheimnis ihrer Vertraulichkeit durch furchtbare Ausbrüche ihrer Hitze und Eifersucht zu verraten.
Anzoleto, der auch sie auf eine gewisse Art liebte (sein Herz aber kam nicht dahin, sich von Consuelo loszureißen), Anzoleto war selbst sehr erschrocken über den zu raschen und zu vollständigen Erfolg seines Versuches. Indessen schmeichelte er sich mit der Hoffnung, seine Herrschaft so lange zu behaupten, bis er seinen Zweck erreicht haben würde, nämlich zu verhindern, dass Corilla seinem Debüt und dem Erfolge Consuelo’s schade. Er behandelte sie mit großer Geschicklichkeit; mit teuflischer Kunst wusste er seinen Lügen den Anstrich der Wahrheit zu geben. Er verstand es, sie zu fesseln, sie zu bereden, sie zu lenken: er brachte ihr die Meinung von sich bei, als ob er nichts an einem Weibe höher zu schätzen wüsste als Großmut, Milde und Geradheit, und er zeichnete ihr geschickt die Rolle vor, welche sie öffentlich gegen Consuelo spielen müsste, wollte sie nicht von ihm gehasst und verachtet sein. Er verstand es, seine Zärtlichkeit mit Strenge zu paaren, und indem er seine Drohungen in Lob verkleidete, gab er sich die Miene, als ob er sie für einen Engel an Güte hielte.
Die arme Corilla hatte schon alle Rollen in ihrem Boudoir gespielt, nur diese noch nicht; und es war diejenige, welche sie auch auf der Bühne immer schlecht gespielt hatte. Dennoch fügte sie sich darin, aus Furcht, Genüsse zu verlieren, deren sie noch nicht satt war und die ihr Anzoleto unter allerlei Vorwand geizend, wünschenswert zu erhalten wusste. Er machte ihr weiß, dass der Graf bei allem Unwillen immer noch in sie verliebt und heimlich eifersüchtig wäre, wie sehr er sich auch des Gegenteils rühme.
Wenn er erführe, sagte er zu ihr, welches Glück du mir zu kosten gibst, so wäre es um meine Debüts, vielleicht um meine Zukunft geschehen: denn die Kälte, womit er mich behandelt, seit du so unvorsichtig warst, ihm meine Liebe zu dir zu verraten, diese Kälte beweist mit, dass er mich mit seinem Hass ewig verfolgen würde, wenn er erführe, dass ich dich getröstet habe.
Dies war, wie die Sachen standen, in der Tat nicht sehr wahrscheinlich: vielmehr würde sich der Graf gefreut haben, Anzoleto seiner Braut ungetreu zu wissen. Aber Corilla’s Eitelkeit ließ sich gern täuschen. Sie glaubte auch, dass sie von Anzoleto’s Gefühlen für die Debütantin nichts zu fürchten habe. Als er sich über diesen Punkt verteidigte, und bei allen Göttern schwor, nie etwas anderes gewesen zu sein, als der Bruder dieses jungen Mädchens – wie auch tatsächlich wahr – wusste er seinen Beteuerungen einen solchen Schein von Aufrichtigkeit zu geben, dass Corilla’s Eifersucht besiegt wurde.
Endlich rückte der große Tag heran, und die Cabale, welche sie geschmiedet hatte, war zernichtet. Zu seinem Vorteile arbeitete sie jetzt in einem entgegengesetzten Sinne; sie zweifelte nicht, dass die schüchterne und unerfahrene Consuelo von selbst durchfallen würde, und wollte dadurch, dass sie hierzu nichts beitrüge, Anzoleto’s Dank erwerben. Zum Überflusse hatte Anzoleto sie mit ihren tapfersten Champions geschickt zu brouillieren gewusst, indem er sich eifersüchtig auf die häufigen Besuche dieser Helden stellte und Corilla zwang, dieselben ein wenig derb ablaufen zu lassen.
Während der verschlagene Venetianer so im Finstern daran arbeitete, die Hoffnungen der Frau, welche er jede Nacht in seine Arme schloss, zu untergraben, spielte er dem Grafen und Consuelo eine andere Rolle vor. Er rühmte sich gegen diese, dass er ihre furchtbare Feindin durch geschickte Manöver, eifrige Aufwartungen und dreiste Lügen entwaffnet habe.
Der Graf, mutwillig und etwas klatschhaft, wie er war, fand an den Geschichtchen seines Schützlings ein unendliches Vergnügen. Seine Eigenliebe feierte in der Bekümmernis, welche Anzoleto der Corilla als eine Folge ihres Bruches mit dem Grafen andichtete, einen Triumph, und mit jenem fühllosen Leichtsinn, welcher im Verkehr mit dem Theater und den Galanterien sich auszubilden pflegt, spornte er den jungen Mann zu neuen Ruchlosigkeiten an.
Consuelo sah das alles mit Verwunderung und Betrübnis.
– Du tätest besser, sagte sie zu ihm, an deiner Stimme zu arbeiten und zu studieren. Du glaubst viel getan zu haben, wenn du den Feind entwaffnet hast. Aber eine rein intonierte Note, ein wohl verstandener Akzent würde bei einem unparteiischen Publicum sicherlich mehr ausrichten, als das Stillschweigen der Neider. Nur an ein solches Publicum sollten wir denken, und ich sehe mit Leidwesen, dass du das nicht tust.
– Sei ruhig, liebe Consuelita, entgegnete er. Du irrst dich in dem Publicum, wenn du es dir unparteiisch und kunstverständig vorstellst. Die Leute, welche ein Urteil haben, sind gewöhnlich nicht redlich, und die Redlichen sind so unwissend, dass man nur Keckheit nötig hat, um sie zu blenden und hinzureißen.
17.