gefürchtet hatte.
Aber Anzoleto kannte sie zu gut, um sie trösten zu wollen. Er wusste, bei dem ersten Zeichen von Mitleid oder Reue würde er ihre Wut wieder ausbrechen und sich in Rachsucht verirren sehen. Er ergriff daher die Wahl, seine Rolle eines harten Unbeugsamen fortzuspielen, und obgleich ihn ihre Verzweiflung rührte, überhäufte er sie mit den grausamsten Vorwürfen und erklärte ihr dass er käme, um auf ewig von ihr Abschied zu nehmen. Er brachte sie dahin, dass sie ihm zu Füßen stürzte, sich ihm bis zur Tür auf den Knien nachschleppte und in tödlicher Pein gemartert ihn um Verzeihung anflehte.
Nachdem er sie so gebrochen und vernichtet hatte, stellte er sich erweicht; ganz außer sich vor Hochmut und ich weiß nicht welcher jachen Wallung, als er sah wie dieses schöne und stolze Weib sich vor ihm im Staube wand gleich einer büßenden Magdalene, gab er sich endlich seinem Taumel hin und tauchte sie in neue Trunkenheit. Doch während er umging mit der gebändigten Löwin, vergaß er keinen Augenblick, dass sie ein wildes Tier sei, und bis ans Ende beharrte er fest in der Haltung des beleidigten Gebieters, der verzeiht.
Der Tag fing eben an zu grauen, als dieses berauschte und erniedrigte Weib, – sie stüzte ihren Marmorarm auf den vom Morgenreif benetzten Balkon, ihr langes schwarzes Haar begrub ihr bleiches Gesicht – anhob, mit weichen, schmeichelnden Lauten die Qualen zu beklagen, die ihre Liebe ihr zu dulden auferlegte.
– Nun ja, so sprach sie, ich bin eifersüchtig; und wenn du es durchaus willst, ich bin schlimmeres als das, ich bin neidisch. Ich kann es nicht ertragen, meinen zehnjährigen Ruhm in einem Augenblick verdunkelt zu sehen von einem neuen Gestirn, das sich erhebt, und dem mich eine vergessene, undankbare Menge schonungslos und mitleidlos hinopfert. Wenn du erst das Entzücken des Triumphs und das erdrückende Gefühl des Verfalles kennen gelernt hast, dann wirst du gegen dich selbst nicht mehr so streng und unnachsichtig sein, wie du es gegen mich heut bist. Ich bin noch bei Vermögen, sagst du; beladen mit Eitelkeiten, glücklichen Erfolgen, Schätzen, stolzen Hoffnungen werde ich neuen Gegenden zueilen, neue Liebhaber unterjochen, ein neues Volk entzücken. Wenn alles das auch wahr wäre, glaubst du denn, es könnte irgend etwas aus der Welt mich trösten, wenn mich alle meine Freunde treulos verlassen, wenn ich von meinem Throne gestoßen bin, wenn ich mit meinen Augen muss ein anderes Idol hinaufsteigen sehen? Und diese Schande, die erste meines Lebens, die einzige auf meiner ganzen Laufbahn, sie ist mir unter deinen Augen, – ›was sag’ ich? nein, durch dich mir angetan, sie ist das Werk meines Geliebten, des ersten Mannes, den ich feigherzig, den ich selbstvergessen geliebt habe! Du sagst noch, dass ich falsch und schlecht sei, dass ich einen erheuchelten Seelenadel, eine erlogene Hochherzigkeit dir vorgespiegelt habe: du hast es ja so gewollt, du, du, Anzoleto. Ich war beleidigt, du schriebst mir vor, ruhig zu scheinen, und ich zwang mich zur Ruhe; ich war misstrauisch, du befahlst mir, deiner Aufrichtigkeit zu vertrauen, und ich vertraute; ich hatte Wut und Tod im Herzen, du verlangtest, ich sollte lächeln und ich lächelte; ich war voll Grimm und Verzweiflung, du hießest mich schweigen, und ich schwieg. Was konnte ich denn mehr tun, als mir einen Charakter aufzwängen, der nicht der meine ist, und mich mit einem Mute putzen, den ich nicht habe? Und wenn dann dieser Mut mich im Stiche lässt, wenn diese Marter unerträglich wird, wenn ich rasend bin, und meine Qualen dir das Herz brechen sollten, so trittst du mich mit Füßen und willst mich sterbend in dem Kot liegen lassen, ins den du mich gestürzt hast! O Anzoleto, euer Herz ist steinern, und ich, ich bin so nichts wie der Sand am Strande, der sich quälen und hinwegspühlen lässt von der züngelnden Welle. Ah! schilt mich, schlage mich, misshandle mich, da es das Recht des Stärkeren ist, aber beklage mich wenigstens im Grunde deiner Seele, und bei der schlechten Meinung, die du von mir hast, erkenne meine unermessliche Liebe daran, dass ich das alles leide und nur ferner zu leiden verlange.
Aber höre mein Freund, fügte sie sanfter hinzu und umschlang ihn mit ihren Armen: was du mich leiden ließest, ist nichts gegen meine Angst, wenn ich an deine Zukunft und an dein eigenes Glück denke. Du bist verloren, Anzoleto, teurer Anzoleto, ohne Rettung verloren! Du weißt es nicht, du ahnst es nicht; ich aber, ich sehe es und ich sage mir: wäre ich nur wenigstens seinem Ehrgeiz geopfert, diente mein Fall seinen Triumph zu erhöhen! Aber nein! zu nichts als zu seinem Verderben, und ich bin nur das Werkzeug einer Nebenbuhlerin die den Fuß uns beiden auf den Nacken setzt.
– Was willst du mit diesem Unsinn sagen? fragte Anzoleto, ich verstehe dich nicht.
– Und doch solltest du mich verstehen! verstehen wenigstens was diesen Abend vorgegangen ist. Du hast also nicht bemerkt, wie nach dem Enthusiasmus, den deine erste Arie hervorrief, eine Kälte des Publicums für dich eintrat, sogleich nachdem sie gesungen hatte, ach! gesungen, wie sie stets singen wird, besser als ich, besser als alle Welt, und muss ich es dir erst sagen? besser, tausendmal besser als du, geliebter Anzoleto! Ach, du siehst nicht, dass dies Weib dich zertreten wird, sich schon in der Geburt zertreten hat! Du siehst nicht, dass deine Schönheit von ihrer Hässlichkeit verdunkelt ist? Denn hässlich ist sie, dabei bleibe ich; aber ich weiß auch, dass wenn Hässliche gefallen, der Männer Leidenschaft weit heißer und ihre Eingenommenheit weit hartnäckiger ist als für die vollkommensten Schönheiten, welche die Welt besitzt. Du siehst nicht, dass man sie vergöttert und dass du neben ihr überall verschwinden wirst? Du weißt nicht, dass um sich entwickeln und sich aufzuschwingen das Talent auf dem Theater die Anerkennung und den Erfolg so nötig hat wie das neugeborene Kind, um zu atmen und zu gedeihen, die Luft? dass die geringste Rivalität einen Teil des Lebens, das der Künstler atmet, aufzehrt, und dass eine gefährliche Rivalität die Leere ist, die sich um uns ausbreitet, der Tod der uns ins Herz bohrt? Du erfährst es jetzt an meinem traurigen Beispiel: die bloße Furcht vor dieser Nebenbuhlerin, die ich nicht einmal kannte und vor der du die Furcht mir auszureden suchtest, war genug, um mich seit einem Monat zu lähmen, und je näher der Tag ihres Triumphes heranrückte, desto mehr versiegte meine Stimme, desto mehr fühlte ich mich vergehen. Und doch glaubte ich kaum an die Möglichkeit dieses Triumphes! Wie wird das nun erst sein, seitdem ich ihn verwirklicht, glänzend, unbestreitbar sehe! Weißt du wohl, dass ich nicht wieder in Venedig auftreten kann, vielleicht überhaupt auf keiner italienischen Bühne, weil ich mich demoralisiert fühlen würde, zitternd und mit Ohnmacht geschlagen. Und wer weiß, wo mich nicht diese Erinnerung erreichen, wie weit nicht der Name, nicht sogar die Gegenwart dieser siegreichen Nebenbuhlerin mich verfolgen und wieder in die Flucht schlagen wird? Ach, mit mir, mit mir ist’s aus, aber auch mit dir, Anzoleto. Du bist tot, ehe du gelebt hast, und wenn ich so schlecht wäre, wie du sagst, so würde ich mich darüber freuen, so würde ich dich in dein Verderben treiben, so würde ich gerächt sein, anstatt dass ich dir jetzt in Verzweiflung sage: wenn du in Venedig noch ein einziges