durch irgend eine Schwierigkeit aufhalten lassen und wusste nicht, dass eben die Anstrengung selbst das vornehmste Hindernis für den ist, welcher nicht die Liebe dazu und die Ausdauer hat.
2.
Durch Consuelo’s Offenherzigkeit wie durch Corilla’s Falschheit angetrieben, dass er sich wieder öffentlich hören lasse, fing Anzoleto an, ernstlich zu üben, und sang bei der zweiten Aufführung der Ipermnestra seinen ersten Akt bei weitem reiner. Die Anerkennung blieb nicht aus. Aber da Consuelo’s Erfolg in demselben Maße wuchs, war er mit dem seinigen wieder nicht zufrieden, und von neuem überführt, dass er ihr immer nachstehen würde, verlor er völlig Mut und Selbstvertrauen.
Von Augenblick an sah er alles schwarz. Es kam ihm vor, als hörte man nicht auf ihn, als machten sich die nächsten Zuschauer flüsternd über ihn lustig, als sähen ihn die Kunstliebhaber, die in den Coulissen ihn aufmunterten, mit bedauernden Mienen an. Alle ihre Lobsprüche schienen ihm doppelsinnig und den übleren Sinn glaubte er auf sich gemünzt. Die Corilla, in deren Loge er während des Zwischenaktes ging, um ihr Urteil zu hören, stellte sich ängstlich und fragte, ob er auch nicht krank wäre.
– Wie so? rief er ungeduldig.
– Deine Stimme ist heute belegt und du scheinst angegriffen … Mut! mein teurer Anzoleto, heraus mit deinen Mitteln, denn du gebrauchst sie nicht, aus Furcht oder aus Niedergeschlagenheit.
– Habe ich meine erste Arie nicht gut gesungen?
– Fast nicht so gut als das erste Mal. Es hat mir das Herz zusammengeschnürt, dass ich fast ohnmächtig wurde.
– Aber es ist doch applaudiert worden.
– Lieber Himmel! … Nun, ich habe Unrecht, dir eine Täuschung zu rauben, es tut ja nichts. Nur vorwärts … aber suche doch, dir die Stimme klar zu machen.
– Consuelo, dachte er nun, hat mir wohl guten Rat zu geben gemeint. Ja sie, sie handelt aus Instinkt und was sie selbst unternimmt, das gelingt ihr. Woher sollte sie aber so viel Erfahrung haben, dass sie mir den richtigen Weg zeigen könnte, um dieses widerspenstige Publikum herumzubringen! Indem ich ihrem Rate folge, büße ich meine Vorteile ein, und die Verbesserung meiner Manier bleibt unbeachtet. Wohlan! zurück zu der früheren Kühnheit! Machte ich nicht in meinem ersten Debüt beim Grafen die Erfahrung, dass ich selbst diejenigen, die ich nicht bestach, wenigstens blenden konnte? Sagte mir nicht der alte Porpora selbst, ich hätte Fehler des Genies? Wohlauf denn! Möge das Publikum meine Fehler ertragen und meinem Genie sich unterwerfen!
Er strengte seine Lungen an, tat Wunder im zweiten Akt und wurde mit Verwunderung gehört. Einige klatschten, andere taten dem Klatschen Einhalt. Das Publikum in Masse fragte sich, ob das großartig oder unsinnig wäre.
Noch ein wenig Keckheit mehr und Anzoleto hätte vielleicht gesiegt; aber dieser Fehlschlag brachte ihn so außer Fassung, dass ihm der Kopf schwindelte und er den Rest seiner Rolle schimpflich umwarf.
Bei der dritten Aufführung hatte er wieder Mut gewonnen, und entschlossen seinen eigenen Weg zu gehen, ohne auf Consuelo’s Rat zu hören, wagte er die seltsamsten Capricen, die unverschämtesten Bizarrerien. O Schande! Zwei bis dreimal unterbrach ein Pfeifen die tiefe Stille, mit welcher seine verzweifelten Kunststücke aufgenommen wurden. Der gütige, großmütige Teil des Publikums brachte das Pfeifen zur Ruhe und fing an zu klopfen, aber es war unmöglich zu verkennen, dass sich darin nur Wohlwollen für die Person, aber nicht Lob für den Künstler kund gab.
Anzoleto riss sein Kostüm entzwei, als er in seine Loge kam, und kaum war das Stück zu Ende, so lief er zur Corilla, schloss sich mit ihr ein, voll Wut und Erbitterung und war bereit, mit ihr bis an das Ende der Erde zu fliehen.
Drei Tage verflossen, ohne dass er Consuelo wieder sah. Nicht Hass fühlte er, nicht Kälte (im Grunde seiner von Vorwürfen gemarterten Seele liebte er sie noch und litt Todesqual sie nicht zu sehen) – aber er hatte wirklich Furcht vor ihr. Er empfand die Übermacht dieses Wesens, das durch seine Größe vor dem Publikum ihn erdrückte und in der Stille mit seinem Zutrauen, seinem Willen nach Willkür schalten konnte. In seiner Aufregung hatte er nicht so viel Selbstherrschaft, um der Corilla zu verbergen, wie sehr er noch an seiner edlen Braut hing und welchen Einfluss diese noch auf seine Überzeugungen hatte.
Der Corilla bereitete er dadurch die bittersten Kränkungen, die sie aber Kraft genug hatte zu verhehlen. Sie beklagte ihn, sie forschte ihn aus, und als sie ihm das Geheimnis seiner Eifersucht abgelockt hatte, wagte sie einen Hauptschlag, sie ließ Zustiniani unter der Hand ihre eigene Vertraulichkeit mit Anzoleto wissen, indem sie voraussetzte, dass der Graf sich die schöne Gelegenheit nicht würde entgehen lassen, den Gegenstand seiner Wünsche davon zu unterrichten und Anzoleto die Rückkehr unmöglich zu machen.
Nachdem Consuelo einen ganzen Tag einsam in ihrer Mansarde hingebracht hatte, fing sie an sich zu beunruhigen; noch ein Tag verging in vergeblicher Erwartung und peinigender Angst, und als die Nacht einbrach, hüllte sie sich in einen dichten Mantel (denn die berühmte Sängerin war nicht mehr gleich dem unbekannten Mädchen sicher vor bösem Leumund) und lief nach der Wohnung, welche Anzoleto seit einigen Tagen in einem der vielen Gebäude, welche der Graf in der Stadt besaß, auf dessen Veranlassung bezogen hatte. Sie fand ihn nicht und erfuhr, dass er selten die Nacht dort zubrächte.
Dieser Umstand diente noch nicht dazu, ihr seine Untreue aufzudecken. Sie wusste, wie sehr er daran gewöhnt war, poetisch umherzuschweifen, und bildete sich ein, er habe sich an die Pracht seines neuen Aufenthaltes noch nicht gewöhnen können, er werde wohl in einem seiner alten Schlupfwinkel zu finden sein. Sie wollte es wagen, ihn auch dort zu suchen, als sie plötzlich in der Haustüre, durch welche sie sich eben entfernen wollte, ihrem alten Lehrer Porpora gegenüber stand.
– Consuelo, sagte dieser leise zu ihr, es ist umsonst, dass du dein Gesicht verhüllst, ich habe deine Stimme gehört. Und die kann ich nicht verkennen. Was willst du hier zu einer solchen Stunde, armes Kind, was suchst du in diesem Hause?
– Ich suche meinen Bräutigam, antwortete Consuelo, indem sie sich an den Arm ihres alten Lehrers hängte. Ich weiß nicht, warum ich mich schämen sollte, es meinem besten Freunde zu gestehen. Ich weiß wohl, dass Sie meine Liebe zu ihm nicht gut heißen, aber es ist mir doch nicht möglich, Sie zu hintergehen. Ich bin voll Unruhe. Seit vorgestern im Theater habe ich Anzoleto nicht gesehen. Er muss krank sein.
– Krank! Er! sagte der Professor und zuckte