Als sie in ihre Loge eingetreten war, sank sie in Ohnmacht, buchstäblich auf einem Blumenbett, denn man hatte alles auf der Bühne aufgerafft und durch einander auf ihr Sopha geworfen. Die Auskleiderin lief hinauf, um den Arzt zu rufen. Graf Zustiniani blieb einige Augenblicke allein an der Seite seiner schönen Sängerin, die bleich und geknickt lag wie die Jasminblätter unter ihrem Haupte.
In diesem Augenblick der Verwirrung und Trunkenheit, verlor Zustiniani den Kopf und gab dem tollen Einfalle nach, sie durch seine Liebkosungen wieder zu beleben. Aber sein erster Kuss war unleidlich auf den keuschen Lippen Consuelo’s. Sie raffte sich auf, um den Grafen zurückzustoßen, als wäre sein Kuss ein Schlangenbiss gewesen.
– Ah! fort von mir, rief sie, sich wie in Irre gebärdend, fort von mir Liebe und Liebkosungen und süße Worte! Nie Liebe! Nie einen Gatten! Nie einen Geliebten! Nie Kinder! Mein Meister hat es mir gesagt. Freiheit! Ideal! Einsamkeit! Ruhm! –
Und sie zerfloss in Tränen so herzzerreißend, dass der Graf voll Bestürzung sich neben ihr auf die Knie warf und das Äußerste tat, sie zu beruhigen. Aber er hatte nichts Linderndes dieser verwundeten Seele zu bieten, und seine Leidenschaft, die in diesem Augenblick ihre höchste Fieberhitze erreichte, gab sich wider seinen Willen kund. Er begriff nur zu wohl die Verzweiflung der verratenen Liebenden. Er gab der Schwärmerei des hoffnungsvollen Liebenden Worte. Consuelo schien ihn zu hören und zog mechanisch ihre Hand aus den seinigen, mit einem wirren Lächeln, welches der Graf für eine schwache Aufmunterung nahm. Es gibt Männer, die sonst in der Welt voll Takt und Scharfblick, bei solchen Unternehmungen ganz albern sind.
Der Arzt erschien und gab ihr das beruhigende Mittel, das unter dem Namen »Tropfen« in Mode war. Consuelo wurde sodann in ihren Mantel gehüllt und in die Gondel gebracht. Der Graf trat mit ihr ein, sie mit seinen Armen unterstützend, und immerfort von seiner Liebe redend, zweifelsohne mit einer gewissen Beredsamkeit, die ihm unwiderstehlich däuchte. Nachdem er eine Viertelstunde lang gesprochen hatte und keine Antwort erhielt, flehte er um ein Wort, um einen Blick.
– Auf was soll ich denn antworten? sagte Consuelo, wie aus einem Traume erwachend; ich habe nichts vernommen.
Zustiniani war im ersten Augenblicke mutlos, dachte aber dann, eine günstigere Gelegenheit werde nicht wiederkommen und die gebrochene Seele werde in diesem Augenblicke zugänglicher sein, als nach ruhiger Überlegung und vernünftigem Entschluss. Er fing also wieder an zu reden und traf auf dasselbe Schweigen, dieselbe Zerstreutheit, und nur noch einen gewissen unbewussten Trieb, seine Arme und seine Lippen zurückzuweisen, der nicht nachließ, obgleich auch nicht Kraft genug zum Zorne darin war. Als die Gondel anlegte, versuchte er Consuelo einen Augenblick zurückzuhalten, um ein ermutigenderes Wort ihr abzugewinnen.
– Ach! Herr Graf, antwortete sie sanft und kalt, entschuldigen Sie den Zustand von Schwäche, worin ich mich befinde; ich habe nicht recht hingehört, allein ich verstehe Sie. Oh! ja, ich habe sehr gut verstanden. Ich bitte Sie, mir die Nacht zu gönnen, um nachzudenken, um aus der Verwirrung, in der ich mich befinde, zu mir selbst zu kommen. Morgen, ja … morgen werde ich Ihnen ohne Umschweif antworten.
– Morgen, teure Consuelo! o, das ist ein Jahrhundert; allein ich will mich unterwerfen, wenn Sie mir zu hoffen erlauben, dass wenigstens Ihre Freundschaft …
– Ja, ja, ja! Warum nicht hoffen? antwortete Consuelo mit ungewöhnlicher Stimme, indem sie den Fuß an das Ufer setzte. Aber folgen Sie mir nicht, setzte sie hinzu mit einer gebieterischen Bewegung, welche ihn in die Gondel zurückwies. Sonst würden Sie nichts zu hoffen haben.
Scham und Unwille hatten ihr wieder Kraft gegeben, aber eine nervöse, fieberische Kraft, die sich, während sie ihre Treppe hinaufstieg, in einem krampfhaften, erschreckenden Lachen Luft machte.
– Sie sind sehr lustig, Consuelo! rief ihr in der Dunkelheit eine Stimme zu, welche sie fast zu Boden geschlagen hätte. Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer guten Laune!
– Ha, ja! antwortete sie, gewaltsam Anzoleto’s Arm ergreifend und hastig mit ihm nach ihrem Zimmer hinaufsteigend; ich danke dir, Anzoleto! Du hast recht, mir Glück zu wünschen, ich bin in Wahrheit vergnügt, o herrlich vergnügt.
Anzoleto, der sie erwartete, hatte die Lampe schon angezündet. Als das bläuliche Licht beiden auf die entstellten Züge fiel, graute ihnen vor einander.
– Wir sind sehr glücklich, nicht wahr, Anzoleto? sagte sie mit grasser Stimme, und verzog ihre Züge zu einem Lächeln, wovon ein Tränenstrom über ihre Backen stürzte. Was meinst du zu unserem Glück?
– Ich meine, Consuelo! versetzte er mit bitterem Lächeln und mit trockenen Augen, es hat uns etwas Mühe gekostet, uns darein zu finden, aber es wird mit der Zeit schon gehen.
– Du schienst mir in der Tat recht eingewöhnt im Boudoir der Corilla.
– Und du, ich finde dich schon recht vertraut mit der Gondel des Herrn Grafen.
– Des Herrn Grafen? … Also das wusstest du, Anzoleto, dass der Herr Graf mich zu seiner Maitresse hat machen wollen?
– Ei, und um dich nicht zu genieren, meine Theure! habe ich bescheidentlich meinen Rückzug genommen.
– Ach, du wusstest das? und das war der Augenblick, den du gewählt hast, um mich zu verlassen?
– Habe ich nicht recht daran getan? Und bist du nicht mit deinem Loose zufrieden? Der Graf ist ein reicher, prächtiger Liebhaber und der arme durchgefallene Debütant hätte ihm nicht die Wage halten können, denk ich.
– Porpora, mein Meister, wie recht hattest du: ein schändlicher Mensch! Hinaus, gehen Sie hinaus, Sie sind nicht wert, dass ich mich rechtfertige, und ich würde mich für beschimpft halten, wenn Sie unsere Trennung bedauerten. Hinaus! sage ich. Aber erst sollen Sie wissen, dass Sie in Venedig frei debütieren und mit der Corilla in San Samuel auftreten können: nie wieder wird die Tochter meiner Mutter ihre Füße auf diese unedeln Bretter setzen, die sie das Theater heißen.
– Die Tochter Ihrer Mutter, der Zingara, wird demnach wohl die große Dame spielen in der Villa Zustiniani’s an den Ufern der Brenta? Das wird ein herrliches Leben sein, und ich bin entzückt darüber.
– O meine Mutter! rief Consuelo, und gegen ihr Bett gekehrt auf ihre Knie stürzend vergrub sie das Gesicht in der Decke, welche der Zingara zum Sterbelaken gedient hatte.
Anzoleto wurde erschreckt und erschüttert von dieser