George Sand

Gesammelte Werke


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kannst, das musst du ler­nen. Hät­test du wäh­rend der Pro­ben nur ernst stu­diert … habe ich es dir nicht zu­vor ge­sagt? Al­lein es ist jetzt kei­ne Zeit zum Schel­ten, son­dern es ist die Zeit, al­les wie­der gut zu ma­chen. Komm, neh­men wir uns nur zwei Stun­den täg­lich und du sollst se­hen, wie rasch du das, was dir jetzt hin­der­lich ist, be­sie­gen wirst.

      – Das lässt sich wohl auch in ei­nem Tage ma­chen?

      – Nein! aber in et­li­chen Mo­na­ten al­ler­höchs­tens.

      – Und un­ter­des­sen spie­le ich mor­gen! un­ter­des­sen fah­re ich fort, vor ei­nem Pub­li­kum zu de­bü­tie­ren, das mich weit mehr nach mei­nen Män­geln als nach mei­nen gu­ten Ei­gen­schaf­ten rich­tet.

      – Das aber dei­ne Fort­schrit­te be­mer­ken wird.

      – Wer weiß! Wenn es mich ein­mal nicht lei­den mag?

      – Es hat dir das Ge­gen­teil be­wie­sen.

      – O ja! du meinst, es bat Nach­sicht ge­habt.

      – Ja! Auch das, mein Freund! Wo du dich schwach zeig­test, hat es dir Wohl­wol­len be­wie­sen, wo du dich stark zeig­test, hat es dir Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­ren las­sen.

      – Und in­zwi­schen wer­de ich nach dem al­len ein er­bärm­li­ches En­ga­ge­ment er­hal­ten.

      – Der Graf liebt den Glanz in al­lem und spart kein Geld. Und hat er üb­ri­gens nicht mir mehr an­ge­bo­ten, als wir bei­de brau­chen, um in Über­fluss zu le­ben?

      – Das ist die Sa­che. Ich wür­de von dei­nem Glück mit­le­ben.

      – Habe ich nicht lan­ge ge­nug von dei­ner Gunst mit­ge­lebt?

      – Es han­delt sich nicht um das Geld. Möge er mir we­nig Gage ge­ben, da­nach fra­ge ich nichts. Aber er wird mich für die zwei­ten oder drit­ten Par­ti­en en­ga­gie­ren.

      – Er hat kei­nen an­de­ren pri­mo uo­mo zur Hand. Seit lan­ger Zeit rech­net er auf dich und denkt nur an dich. Und üb­ri­gens ist er ganz und gar für dich ein­ge­nom­men. Du sag­test auch, er wür­de un­se­rer Ver­hei­ra­tung ent­ge­gen sein. Kei­nes­we­ges! er scheint sie eher zu wün­schen, und fragt mich oft, wann ich ihn zu mei­ner Hoch­zeit bit­ten wür­de.

      – Ah, in der Tat? Vor­treff­lich! Ei, großen Dank, mein Herr Graf!

      – Was meinst du?

      – Nichts. Nur, Con­sue­lo, war es sehr un­recht von dir, dass du mich nicht ab­ge­hal­ten hast zu de­bü­tie­ren, bis mei­ne Feh­ler, die du so gut kennst, durch bes­se­re Stu­di­en be­sei­tigt wa­ren. Denn du kennst sie, mei­ne Feh­ler, ich sage es noch ein­mal.

      – Habe ich es an Of­fen­heit feh­len las­sen? Habe ich dich nicht häu­fig ge­warnt? Du aber gabst mir stets zur Ant­wort, das Pub­li­kum ver­stün­de sich nicht dar­auf; und als ich hör­te, was für eine güns­ti­ge Auf­nah­me dein ers­tes De­büt im Sa­lon des Gra­fen ge­fun­den hat­te, da dach­te ich …

      – Dass sich die vor­neh­me Welt nicht bes­ser dar­auf ver­steht als das ge­wöhn­li­che Pub­li­kum?

      – Ich dach­te, dass dei­ne Vor­zü­ge mehr her­vor­ste­chen wer­den als dei­ne Män­gel; und so, scheint mir, ist es auch in bei­den Fäl­len ge­we­sen.

      – Im Grun­de, dach­te An­zo­le­to, hat sie Recht, und wenn ich mei­ne De­büts auf­schie­ben könn­te … Al­lein da lie­fe ich Ge­fahr, dass man einen an­de­ren Te­nor an mei­ner statt be­rie­fe, der mir nach­her nicht wie­der wei­chen wür­de. Höre! sag­te er, nach­dem er mehr­mals im Zim­mer auf und nie­der ge­gan­gen, wel­che Feh­ler habe ich ei­gent­lich?

      – Was ich dir schon oft sag­te: zu viel Keck­heit und zu we­nig Vor­be­rei­tung, ein Feu­er, das mehr aus Fie­ber­hit­ze als aus Ge­fühl ent­sprun­gen scheint, dra­ma­ti­sche Ef­fek­te, wel­che we­ni­ger die Emp­fin­dung als die Ab­sicht ver­ra­ten. Du hast dich nicht in das Gan­ze dei­ner Par­thie hin­ein­ge­lebt. Du hast sie bruch­stück­wei­se ge­lernt. Du hast nichts dar­in ge­se­hen als eine Rei­he von mehr oder we­ni­ger bril­lan­ten Ef­fek­ten. Du hast ihre Ent­wick­lung, Stei­ge­rung und Ab­stu­fung nicht be­grif­fen. Voll Un­ge­duld, dei­ne schö­ne Stim­me und die Fer­tig­keit, die dir in Ei­ni­gem zu Ge­bo­te steht, zu zei­gen, hast du, kaum auf­ge­tre­ten, schon dein Äu­ßers­tes ge­tan. Bei je­der Ge­le­gen­heit hast du nach ei­nem Ef­fek­te ge­hascht und der eine Ef­fekt ist im­mer ge­nau wie der an­de­re ge­we­sen. Am Ende des ers­ten Ak­tes kann­te man dich schon, wuss­te man dich schon aus­wen­dig; man dach­te aber nicht, dass das nun al­les wäre und rech­ne­te auf et­was ganz Er­staun­li­ches für den Schluss. Die­ses Et­was be­sa­ßest du nicht. Dei­ne in­ne­re Kraft war er­schöpft und dei­ne Stim­me hat­te nicht mehr die­sel­be Fri­sche. Das fühl­test du und woll­test bei­des er­zwin­gen; das wur­de nun auch ge­fühlt, und man blieb, zu dei­ner Ver­wun­de­rung, ge­ra­de in dem Au­gen­bli­cke kalt, wo du die höchs­te Lei­den­schaft ent­wi­ckelt zu ha­ben mein­test. In die­sem Au­gen­bli­cke sah man nicht den von Lei­den­schaft hin­ge­ris­se­nen Künst­ler, son­dern den Ak­teur, der auf Bei­fall Jagd macht.

      – Und wie ma­chen es denn die an­de­ren? schrie An­zo­le­to mit dem Fuße stamp­fend, habe ich sie nicht ge­hört, nicht alle ge­hört, die man seit zehn Jah­ren in Ve­ne­dig be­klatscht hat? Hat nicht der alte Ste­fa­ni­ni ge­schri­en, wenn ihm die Stim­me aus­ging? Und den­noch wur­de er wü­tend be­klatscht.

      – Es ist wahr, und ich habe es nie be­grif­fen, wie das Pub­li­kum sich so täu­schen konn­te. Ver­mut­lich hat­ten sie die Zeit im Sin­ne, wo er mehr ver­mocht hat und woll­ten ihn nicht das Un­glück sei­nes Al­ters füh­len las­sen.

      – Und die Co­ril­la, die­ses Göt­zen­bild, das du um­stür­zest, for­zier­te sie nicht die Si­tua­tio­nen? Griff sie sich nicht an, um ei­nem angst und ban­ge zu ma­chen? War sie wohl wirk­lich be­geis­tert, wenn das Pub­li­kum sie bis in die Wol­ken hob?

      – Eben weil ich ihre Mit­tel trüg­lich, ihre Ef­fek­te ab­scheu­lich, ihr Spiel und ih­ren Ge­sang von Ge­schmack und Adel ent­blö­ßt fand, des­halb trat ich so furcht­los auf die Büh­ne, denn ich glaub­te wie du, dass sich das Pub­li­kum nicht dar­auf ver­stün­de.

      – Ach, sag­te An­zo­le­to mit ei­nem tie­fen Seuf­zer, du be­rührst mei­ne Wun­de, arme Con­sue­lo.

      – Wie das, mein ge­lieb­tes Herz?

      – Wie das, du fragst noch? Wir ha­ben uns ge­täuscht, Con­sue­lo. Das Pub­li­kum ver­steht sich wohl dar­auf. Sein Herz ent­deckt ihm was sei­ne Un­wis­sen­heit ihm ver­birgt. Es ist ein großes Kind, das be­lus­tigt und auf­ge­reizt sein will. Es be­gnügt sich so lan­ge, bis man ihm Bes­se­res zeigt, dann aber stellt es Ver­glei­chun­gen an und weiß zu un­ter­schei­den. Die Co­ril­la konn­te es in der vo­ri­gen Wo­che noch ent­zücken, ob­gleich sie falsch sang und kei­nen Atem hat­te. Du trittst auf und ver­lo­ren ist die Co­ril­la, aus­ge­löscht, be­gra­ben. Lass sie wie­der auf­tre­ten, und man wird sie aus­zi­schen. Wenn ich ne­ben ihr de­bü­tiert hät­te, so wür­de ich einen voll­stän­di­gen Er­folg ge­habt ha­ben, wie da­mals, wie das ers­te­mal beim Gra­fen, wo ich ne­ben ihr sang. Aber ne­ben dir bin ich ver­dun­kelt wor­den. Es konn­te nicht an­ders sein, und es wird im­mer so sein. Das Pub­li­kum war in Flit­tern ver­liebt. Es sah Glas und Rausch­gold für Edel­ge­stei­ne an und war ge­blen­det. Nun zeigt man ihm einen äch­ten Dia­mant und sie­he, es be­greift schon nicht mehr,