Ich verlange nichts, ich fordere, sagte Porpora fest; dein Geliebter ist ein ruchloser Mensch. Er wird dich in Jammer und in Schande stürzen, wenn du nicht augenblicklich ihm entsagst.
– Lieber Meister, antwortete sie schmeichelnd und mit trübseligem Lächeln, wie oft haben Sie mir das gesagt … und ich habe umsonst versucht, Ihnen zu gehorchen. Sie hassen dieses arme Kind. Sie kennen ihn nicht, und ich bin gewiss, Sie werden noch von Ihrem Vorurteile zurückkommen.
– Consuelo, sprach der Meister mit noch größerer Kraft, ich weiß, ich habe dir bisher umsonst gepredigt und gewehrt. Ich habe darüber gesprochen wie der Künstler zum Künstler spricht, und habe auch deinen Bräutigam nur als Künstler betrachtet. Heut spreche ich zu dir als Mann, ich spreche zu dir von einem Manne, ich spreche zu dir als einem Weibe. Dies Weib hat seine Liebe unrecht verschenkt, jener Mann ist ihrer unwert, und der Mann, der es dir sagt, ist seiner Sache gewiss.
– O mein Gott! Anzoleto meiner Liebe unwert! Er, mein einziger Freund, mein Beschützer, mein Bruder! Ach, Sie wissen nicht, wie er mir zur Seite gestanden, wie er mich in Ehren gehalten, seit ich auf der Welt bin. Ich muss Ihnen das erzählen.
Und Consuelo erzählte ihm die ganze Geschichte ihres Lebens und ihrer Liebe, beides nur eine und dieselbe Geschichte.
Porpora war gerührt, aber er blieb unerschüttert.
– In dem allen, sagte er, sehe ich nichts als deine Unschuld, deine Treue, deine Tugend. Was ihn betrifft, so sehe ich wohl, wie sehr ihm dein Umgang ein Bedürfnis war, und dein Unterricht, dem er, was du auch immer darüber denkst, das Wenige verdankt, was aus ihm geworden ist; aber es ist nicht minder wahr, dass dieser sittsame und getreue Liebhaber nichts weiter als der Wegwurf aller verlorenen Frauenzimmer von Venedig ist, dass er die Glut, die du in ihm entflammst, in liederlichen Häusern löscht und dass er nur daran denkt, dich auszubeuten, während er anderwärts seine schändlichen Leidenschaften befriedigt.
– Wachen Sie über Ihre Worte, entgegnete Consuelo mit erstickter Stimme; ich bin gewohnt, an Sie zu glauben wie an Gott, o mein lieber Meister! aber in Betreff Anzoleto’s bin ich gerüstet, Ihnen Ohren und Herz zu verschließen … Ach! lassen Sie mich hinweg, setzte sie hinzu und versuchte, ihren Arm aus dem seinigen zu reißen, Sie geben mir den Tod.
– Deiner verderblichen Leidenschaft will ich den Tod geben, und dir durch die Wahrheit das Leben, erwiderte er, den Arm des Mädchens fester an sein edeles, zürnendes Herz pressend. Ich weiß, dass ich rau bin, Consuelo. Ich kann nicht anders sein, und deshalb habe ich, so lang ich konnte, den Schlag zurückgehalten, den ich dir versetzen muss. Ich habe gehofft, dass du selbst die Augen auftun und das, was um dich her vorgeht, sehen werdest. Aber anstatt durch Erfahrung klüger zu werden, stürzest du dich blindlings mitten in den Abgrund. Aber ich, ich will dich nicht hineinstürzen lassen! du bist das einzige Wesen, das mir seit zehn Jahren wert ist. Du sollst nicht umkommen, nein! du sollst nicht.
– Aber mein Freund, ich bin nicht in Gefahr; Glauben Sie denn, dass ich lüge, wenn ich Ihnen schwöre, bei allem, was uns heilig ist, dass ich das Gelübde, welches ich am Todesbette meiner Mutter abgelegt, in Ehren gehalten habe! Anzoleto hält es ebenso in Ehren. Ich bin also, da ich noch nicht sein Weib bin, auch nicht seine Maitresse.
– Aber es kostet ihn ein Wort, so bist du beides.
– Meine Mutter selbst hat uns das Versprechen abgenommen.
– Und dennoch hast du heute Abend diesen Menschen aufgesucht, der dein Mann nicht werden will und nicht werden kann?
– Wer hat Ihnen das gesagt?
– Würde ihm denn die Corilla je erlauben …?
– Die Corilla? Was ist gemein zwischen ihm und der Corilla?
– Es sind nur zwei Schritte von hier zur Wohnung dieser Dirne … du hast deinen Verlobten gesucht … wir wollen ihn bei ihr abholen. Hast du den Mut dazu?
– Nein! nein! tausendmal nein! schrie Consuelo, indem ihre Knie wankten und sie sich gegen die Mauer stützte. Lassen Sie mir das Leben, Meister! Töten Sie mich nicht, bevor ich gelebt habe. Ich sage Ihnen, Sie geben mir den Tod.
– Du musst diesen Kelch trinken, versetzte der unerbittliche Greis, ich übernehme hier die Rolle des Schicksals. Durch meine Zärtlichkeit, durch meine Weichherzigkeit habe ich die Menschen stets nur undankbar und dem zu Folge unglücklich gemacht, ich muss nun denen, die ich liebe, die lautere Wahrheit einschenken. Das ist das einzige Gute, das noch ein vom Unglück ausgedörrtes und vom Leiden versteintes Herz vollbringen kann. Ich beklage dich, meine arme Tochter, dass du keinen sanfteren und zarteren Freund hast, um dir in dieser unglücklichen Krise beizuspringen. Aber so wie ich durch die Menschen geworden bin, so muss ich auf die anderen wirken, und mit Wetterstrahlen muss ich darein leuchten, da ich nicht mit Sonnenschein erwärmen kann. Also, Consuelo, keine Schwachheit zwischen uns. Hier tritt ein in diesen Pallast. Ich will, dass du deinen Geliebten in den Armen der unzüchtigen Corilla überraschest. Kannst du nicht gehen, so werde ich dich schleppen. Wenn du zusammenbrichst, so trage ich dich. Ha! der alte Porpora hat noch Kraft, wenn das Feuer des göttlichen Zornes in seinen Eingeweiden brennt!
– Erbarmen, Erbarmen! schrie Consuelo bleicher als der Tod. Lassen Sie mich noch zweifeln … Noch einen Tag, einen einzigen Tag noch gönnen Sie mir, an ihn zu glauben; ich bin nicht vorbereitet auf diese Marter …
– Nichts, keinen Tag, keine Stunde, antwortete er unbeugsam; denn diese Stunde, wenn sie entrinnt, ich werde sie nicht wieder finden, um dir die Wahrheit unter die Augen zu bringen; und diesen Tag, den du forderst, der Schandbube würde ihn benutzen, um dich wieder in das Joch der Lüge zu schmieden. Du kommst mit mir, ich befehle es dir, ich will es.
– Nun ja, wohlan! ich gehe mit, rief Consuelo, deren Liebe mit einemmale heftig auflodernd ihr wieder Kraft gab; ich gehe mit, ich will sehen, ob Sie recht haben, ob mein Geliebter nicht treu ist; denn es ist eine schmähliche Täuschung, welche Sie befängt und wohinein Sie auch mich reißen wollen. Voran denn, Henker, der Sie sind! ich folge Ihnen und ich fürchte Sie nicht.
Porpora nahm sie beim Wort; er fasste ihren Arm mit seiner nervigen Hand, wie mit einer eisernen Zange, und zog sie nach sich in das Hans, in welchem er wohnte, zog sie durch alle Corridore, Treppe für Treppe hinauf, bis auf eine obere Terrasse, von welcher man über ein niedrigeres, gänzlich verödetes Haus den Pallast der Corilla sah, finster von oben bis unten mit Ausnahme eines einzigen offenen Fensters, welches erleuchtet war und auf die schwarze, totenstille Façade des öden Hauses hinausging. Es schien von diesem Fenster aus, als könnte man von keinem Punkte her gesehen werden, denn ein vorspringender Balken machte es