Weg gefunden, um alles zu vereinigen, nämlich ihr zu sagen, dass Zustiniani’s verliebte Pläne ihre Ehre bedrohten und sie so vom Theater zu entfernen. In diesem Vorhaben lag eine Huldigung, die er der Keuschheit und dem Stolze Consuelo’s darbrachte. Er wusste, dass sie nicht fähig war, in einer zweideutigen Stellung zu unterhandeln und, eine Protection anzunehmen, die sie hätte erröten machen. Er hegte noch in seiner strafbaren und verderbten Seele einen unerschütterlichen Glauben an die Unschuld dieses jungen Mädchens, das er so keusch, so treu, so hingegeben wiederzufinden hoffte, wie er es einige Tage zuvor verlassen hatte.
Wie aber diese heilige Scheu vor ihr vereinigen mit seinem Plane, sie zu täuschen und ihr Bräutigam, ihr Freund zu bleiben, ohne mit der Corilla zu brechen? Er wollte die letztere wieder auf die Bühne ziehen, um mit ihr aufzutreten und konnte nicht daran denken, sich von ihr zu trennen in einem Augenblick, da sein Erfolg ganz von ihr abhängen zu sollen schien.
Er hatte diesen frechen, nichtswürdigen Plan inzwischen durchgedacht und er behandelte Consuelo darin wie gewisse Italienerinnen ihre Madonnen, vor denen sie in der Stunde der Reue beten und denen sie in der Stunde der Sünde ein Tuch vors Gesicht hängen.
Als er sie so glänzend und dem Anscheine nach so übermütig in ihrer Buffarolle auf dem Theater sah, fürchtete er schon, zu viel Zeit mit dem Ausreifen seines Planes verloren zu haben. Als er sie wieder in die Gondel des Grafen treten und nachher mit einem convulsivischen Gelächter heimkommen sah, und die Pein dieser verstörten Seele nicht begriff, glaubte er, dass es nun zu spät sei und Ärger und Verdruss bemächtigten sich seiner.
Aber als er sie von seinen Beschimpfungen sich aufraffen, als er sich verächtlich hinausgestoßen sah, kehrte die Hochachtung zugleich mit der Furcht in ihn zurück und er irrte lange auf der Treppe und auf der Riva umher und wartete, ob sie ihn nicht zurückrufen würde. Er wagte sich selbst bis an ihr Zimmer und pochte an und flehte durch die Tür um Verzeihung. Aber eine Totenstille herrschte in diesem Zimmer, dessen Schwelle er nie wieder mit Consuelo überschreiten sollte. Er zog sich beschämt und voll Verdruss zurück und nahm sich vor, am anderen Tage wieder zu kommen, wo er dann glücklicher zu sein hoffte.
– Bei dem allen, sagte er zu sich, wird mein Plan gelingen; sie weiß, dass der Graf sie liebt; das Geschäft ist also zur Hälfte getan.
Übermüdet wie er war, schlief er in den Tag hinein, und erst Nachmittags begab er sich zur Corilla.
– Eine große Neuigkeit! rief ihm diese entgegen und streckte die Arme nach ihm aus; die Consuelo ist fort.
– Fort? Und mit wem? Allmächtiger Gott! Und wohin?
– Nach Wien, um dort den Porpora zu erwarten. Sie hat uns alle angeführt, die kleine Larve. Sie war für das kaiserliche Theater engagiert, wo Porporas neue Oper gegeben werden soll.
– Fort! fort, ohne mir ein Wort zu sagen! rief Anzoleto und stürzte zur Tür.
– O, das wird dir nichts helfen, sie in Venedig zu suchen, sagte die Corilla mit boshaftem Lächeln und mit einem triumphierenden Blick. Sie ist in aller Frühe hinübergefahren nach Palestrina,1 und ist schon weit auf dem Festlande. Zustiniani, der sich geliebt glaubte und nun sieht, dass man ihn zum Besten gehabt, ist wütend; er liegt zu Bett und hat das Fieber. Aber er hat eben jetzt den Porpora zu mir geschickt, um mich zu bitten, dass ich heute Abend singen möchte, und Stefanini, der das Theater sehr satt hat und je eher je lieber in seinem Schloss die Annehmlichkeiten eines zurückgezogenen Lebens zu genießen wünscht, erwartet den Wiederanfang deiner Debüts mit Schmerzen. Denke also daran, morgen in der Ipermnestra wieder aufzutreten. Ich, ich eile in die Probe, wo ich erwartet werde. Du magst, wenn du mir nicht glaubst, einen Gang durch die Stadt machen, da wirst du dich von der Wahrheit überzeugen.
– Ha, Furie! schrie Anzoleto, du siegst! aber du raubst mir mein Leben.
Und er fiel ohnmächtig auf den gewirkten Teppich der Courtisane hin.
4.
Am meisten in Verlegenheit wegen der Rolle, welche er zu spielen hätte, war in Folge von Consuelo’s Flucht Graf Zustiniani. Hatte er doch ausgesprengt und ganz Venedig glauben gemacht, dass die wundervolle Debütantin seine Maitresse wäre: welche Auslegung nun, die seiner Eigenliebe schmeicheln konnte, sollte er dem Umstand geben, dass sie bei dem ersten Versuche einer Erklärung von seiner Seite sich schnell und geheimnisvoll seinen Wünschen und Hoffnungen entzogen hatte? Manche bildeten sich ein, er halte sie, ein eifersüchtiger Wächter seines Schatzes, auf einem seiner Landsitze verborgen.
Als man aber von Porpora, dessen schroffe Schonungslosigkeit sich nie verleugnete, erfuhr, dass seine Schülerin sich bewogen gefunden habe, nach Deutschland zu reisen, wo sie ihn selbst erwarten würde, brauchte niemand mehr die Beweggründe dieses seltsamen Entschlusses weit zu suchen. Der Graf suchte sich zwar zu verstellen und keinerlei Verdruss oder Überraschung zu zeigen, allein sein Missmut verriet sich wider seinen Willen, und man hörte auf, ihm den Sieg beizumessen, wegen dessen man ihn glücklich gepriesen hatte. Der größere Teil des Wahren an der Sache wurde aller Welt klar, nämlich Anzoleto’s Untreue und Corilla’s Nebenbuhlerschaft und die Verzweiflung der armen Spanierin, welche man lebhaft zu beklagen und schmerzlich zu vermissen anfing.
Anzoleto war in der ersten Aufregung zu Porpora gelaufen, aber dieser hatte ihn strenge abgewiesen:
– Frage mich nicht, ehrgeiziger, herzloser, ungetreuer Jüngling, hatte ihm der Meister zürnend geantwortet, du bist nie der Zuneigung dieses edlen Mädchens wert gewesen und nie sollst du von mir erfahren, was aus ihr geworden ist. Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um dir die leiseste Spur von ihr zu verbergen, und solltest du einst durch Zufall wieder mit ihr zusammentreffen, dann, hoffe ich, wird dein Bild, so wie ich es wünsche und daran arbeite, aus ihrem Herzen und aus ihrer Erinnerung hinweggelöscht sein.
Von Porpora war Anzoleto nach der Corte-Minelli geeilt. Er hatte Consuelo’s Zimmer schon von einem neuen Mieter in Besitz genommen und ganz mit dessen Arbeitsgerät vollgepfropft gefunden. Es war ein Glasperlenfabrikant., der seit längerer Zeit im Hause wohnte und der seine Werkstatt mit großer Freude in dieses Zimmer verlegt hatte.
– Aha, du bist’s, mein Junge! rief er dem jungen Tenore zu; du willst mich wohl in meinem neuen Logement besuchen? Ich habe da nun ein herrliches Arbeitskabinet und meine Frau ist ganz vergnügt, dass sie unten