vorteilhaft genug war) fand sich Anzoleto von allem angeekelt und erlag unter der Last eines traurigen Glückes. Es war ein Jammer, ihn zu sehen, wenn er sich in die Proben schleppte; er hing am Arme der triumphierenden Corilla, bleich, verhärmt, schön wie ein Engel, stumpf und fade, dass es ein Spott war, gelangweilt wie jeder, der angebetet wird, erloschen und elend unter den Lorbeern und Myrten, die er so leicht und so üppig gepflückt hatte. Selbst auf der Bühne, wenn er mit seiner glühenden Geliebten in Handlung war, konnte er es nicht lassen, ihr durch stolze Haltung und unverhohlenen Überdruss seinen Widerwillen zu bezeigen. Wenn sie ihn mit den Augen verschlang, schienen seine Blicke dem Publikum zu sagen: Glaubt nur nicht, dass ich alle diese Liebe teile. Wer mich davon befreien wollte, würde mir im Gegenteile einen großen Dienst erweisen.
Verleitet und verdorben durch Corilla, kehrte Anzoleto jetzt gegen sie die Schärfe der Selbstsucht und des Undanks, die sie in ihm gegen die ganze Welt aufgeregt hatte. Es blieb nur noch ein einziges wahres und in seinem Wesen reines Gefühl ihm übrig: die unzerstörbare Liebe, die er trotz seiner Laster für Consuelo im Herzen nährte. Er konnte sie sich, Dank seiner leichtfertigen Natur, auf Augenblicke aus dem Sinne schlagen, aber er konnte nicht davon gesunden und diese Liebe brach in ihm wie ein innerer Vorwurf, wie eine Marter mitten unter seinen sträflichen Verirrungen immer wieder hervor.
Ungetreu der Corilla, sich in tausend galante Intriguen verstrickend, heut mit der Clorinda, um sich im Geheimen an dem Grafen zu rächen, morgen mit einer berühmten Schönheit aus den höchsten Kreisen, übermorgen mit der unsaubersten Dirne aus dem Chor, und von dem reizenden Boudoir zur frechen Orgie, von den Gluten der Corilla zu den bedachtlosen Ausschweifungen der Tafel überspringend, schien er es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, jede Erinnerung an die vergangene Zeit gewaltsam in sich zu ersticken.
Aber mitten in diesem unordentlichen Leben schien sich ein Gespenst an seine Fersen zu heften, und unwillkürlich schluchzte seine Brust, wenn er mitten in der Nacht, in der Gondel, mit seiner lärmenden, lustberauschten Gesellschaft, an den dunkeln Gebäuden der Corte Minelli hinfuhr.
Die Corilla, welche, wie alle gemeinen Seelen nur nach Maßgabe der Verachtung und Erniedrigung, welche sie erfuhr, zu lieben fähig war, hatte sich seine schlechte Behandlung lange Zeit gefallen lassen, bis sie endlich dennoch einer so unheilvollen Leidenschaft müde wurde. Sie hatte sich geschmeichelt, diese wilde, unabhängige Natur zu bezähmen und in Ketten zu schlagen. Daran hatte sie mit heißer Begierde gearbeitet und hatte alles daran gesetzt. Als sie einsah, dass es ihr nie gelingen würde, fing sie an ihn zu hassen und suchte sich zu zerstreuen und zu rächen.
In einer Nacht, als Anzoleto in der Gondel mit Clorinda durch die Kanäle irrte, sah er eine andere Gondel an der seinigen vorüberschlüpfen, deren ausgelöschte Laterne auf ein verstohlenes Rendezvous schließen ließ. Er gab wenig Acht darauf, aber die Clorinda, die in ihrer Furcht, entdeckt zu werden, immer auf der Lauer war, flüsterte ihm zu:
– Lass uns langsamer fahren. Es ist des Grafen Gondel. Ich habe den Gondelier erkannt.
– Wenn das ist, lass uns schneller fahren, versetzte Anzoleto; ich will sie einholen, um zu sehen, mit welcher Untreue er dich für die deinige bezahlt.
– Nein, nein! Kehren wir um! rief die Clorinda. Er hat ein so scharfes Auge und ein so feines Ohr! Wir müssen uns hüten, ihn aufmerksam zu machen.
– Vorwärts, sage ich dir! heischte Anzoleto seinem Barcarolen zu, ich will die Barke überholen, die du da vor uns siehst.
Es war, ungeachtet der Bitten und der Angst Clorinda’s, die Sache eines Augenblicks. Die beiden Barken streiften sich von neuem und Anzoleto vernahm aus der benachbarten Gondel ein schlecht ersticktes Lachen.
– Nun siehe da, sagte er, das ist ehrlicher Krieg: die Corilla ist es, welche mit dem Herrn Grafen die Abendkühle genießt.
Bei diesen Worten sprang Anzoleto auf das Vorderteil seiner Gondel, nahm das Ruder seinem Barcarol aus den Händen und holte mit einigen raschen Schlägen die vordere Gondel noch einmal ein, streifte sie wieder, und – sei es, dass er seinen Namen mitten aus dem Gelächter der Corilla herausgehört, oder dass er einen Anfall von Tollheit hatte – er hob mit lauter Stimme an:
– Teuerste Clorinda, du bist ohne Widerrede die schönste und die liebenswerteste von allen Frauen.
– Dasselbe sagte ich jetzt eben zur Corilla, antwortete der Graf im Augenblick, indem er aus dem Kabinette trat und sich mit großer Ungezwungenheit gegen die andere Gondel kehrte; und jetzt, da unsere beiderseitige Fahrt am Ende ist, könnten wir füglich tauschen, als ein paar ehrliche Leute, die in Kostbarkeiten von gleichem Werte handeln.
– Der Herr Graf lässt meiner Loyalität Gerechtigkeit widerfahren, erwiderte Anzoleto in demselben Tone. Ich will ihm, mit seiner gnädigen Erlaubnis, meinen Arm anbieten, damit er mit Bequemlichkeit sein Gut in Empfang nehme, wo er es findet.
Der Graf, der ich weiß nicht was für einen höhnischen und verächtlichen Einfall gegen ihn und ihrer beiden gemeinschaftliche Maitressen auslassen wollte, streckte seinen Arm aus, um sich auf Anzoleto zu stützen. Aber der Tenorist, von Hasse verzehrt in kochender Wut, warf sich plötzlich mit dem ganzen Gewicht seines Körpers auf die Gondel, dass sie umschlug, und schrie:
– Weib für Weib, Herr Graf und – Gondel für Gondel.
Er überließ seine Opfer ihrem Schicksale und die Clorinda ihrer tödlichen Angst und den Folgen des Abenteuers, und erreichte schwimmend das gegenüberliegende Ufer; dann rannte er durch die finsteren und verschlungenen Gassen in seine Wohnung, wechselte in Hast die Kleider, raffte alles Geld zusammen, welches er liegen hatte, lief hinaus, warf sich in die erste Schaluppe, welche unter Segel ging, und hinfliegend gen Triest, schnippte er mit den Fingern zum Zeichen seines Sieges, als er die Türme und Kuppeln von Venedig beim ersten Schimmer des morgens in die Wellen tauchen sah.
5.
Im Böhmerwalde, dem Gebirgszuge, welcher Böhmen von Baiern trennt, erhob sich noch vor hundert Jahren ein altes Schloss von weitläufiger Anlage, das, ich weiß nicht welcher Überlieferung zu Folge, Riesenburg hieß.2 Es sah von weitem wie eine altertümliche Festung aus, war aber nur ein Lustschloss. Das Innere desselben war in dem damals schon veralteten, doch immer prächtigen und vornehmen Geschmack Ludwigs