George Sand

Gesammelte Werke


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vor­teil­haft ge­nug war) fand sich An­zo­le­to von al­lem an­ge­ekelt und er­lag un­ter der Last ei­nes trau­ri­gen Glückes. Es war ein Jam­mer, ihn zu se­hen, wenn er sich in die Pro­ben schlepp­te; er hing am Arme der tri­um­phie­ren­den Co­ril­la, bleich, ver­härmt, schön wie ein En­gel, stumpf und fade, dass es ein Spott war, ge­lang­weilt wie je­der, der an­ge­be­tet wird, er­lo­schen und elend un­ter den Lor­beern und Myr­ten, die er so leicht und so üp­pig ge­pflückt hat­te. Selbst auf der Büh­ne, wenn er mit sei­ner glü­hen­den Ge­lieb­ten in Hand­lung war, konn­te er es nicht las­sen, ihr durch stol­ze Hal­tung und un­ver­hoh­le­nen Über­druss sei­nen Wi­der­wil­len zu be­zei­gen. Wenn sie ihn mit den Au­gen ver­schlang, schie­nen sei­ne Bli­cke dem Pub­li­kum zu sa­gen: Glaubt nur nicht, dass ich alle die­se Lie­be tei­le. Wer mich da­von be­frei­en woll­te, wür­de mir im Ge­gen­tei­le einen großen Dienst er­wei­sen.

      Ver­lei­tet und ver­dor­ben durch Co­ril­la, kehr­te An­zo­le­to jetzt ge­gen sie die Schär­fe der Selbst­sucht und des Un­danks, die sie in ihm ge­gen die gan­ze Welt auf­ge­regt hat­te. Es blieb nur noch ein ein­zi­ges wah­res und in sei­nem We­sen rei­nes Ge­fühl ihm üb­rig: die un­zer­stör­ba­re Lie­be, die er trotz sei­ner Las­ter für Con­sue­lo im Her­zen nähr­te. Er konn­te sie sich, Dank sei­ner leicht­fer­ti­gen Na­tur, auf Au­gen­bli­cke aus dem Sin­ne schla­gen, aber er konn­te nicht da­von ge­sun­den und die­se Lie­be brach in ihm wie ein in­ne­rer Vor­wurf, wie eine Mar­ter mit­ten un­ter sei­nen sträf­li­chen Ver­ir­run­gen im­mer wie­der her­vor.

      Un­ge­treu der Co­ril­la, sich in tau­send ga­lan­te Int­ri­guen ver­stri­ckend, heut mit der Clo­rin­da, um sich im Ge­hei­men an dem Gra­fen zu rä­chen, mor­gen mit ei­ner be­rühm­ten Schön­heit aus den höchs­ten Krei­sen, über­mor­gen mit der un­sau­bers­ten Dir­ne aus dem Chor, und von dem rei­zen­den Bou­doir zur fre­chen Or­gie, von den Glu­ten der Co­ril­la zu den be­dacht­lo­sen Aus­schwei­fun­gen der Ta­fel über­sprin­gend, schi­en er es sich zur Auf­ga­be ge­macht zu ha­ben, jede Erin­ne­rung an die ver­gan­ge­ne Zeit ge­walt­sam in sich zu er­sti­cken.

      Aber mit­ten in die­sem un­or­dent­li­chen Le­ben schi­en sich ein Ge­s­penst an sei­ne Fer­sen zu hef­ten, und un­will­kür­lich schluchz­te sei­ne Brust, wenn er mit­ten in der Nacht, in der Gon­del, mit sei­ner lär­men­den, lust­be­rausch­ten Ge­sell­schaft, an den dun­keln Ge­bäu­den der Cor­te Mi­nel­li hin­fuhr.

      Die Co­ril­la, wel­che, wie alle ge­mei­nen See­len nur nach Maß­ga­be der Ver­ach­tung und Er­nied­ri­gung, wel­che sie er­fuhr, zu lie­ben fä­hig war, hat­te sich sei­ne schlech­te Be­hand­lung lan­ge Zeit ge­fal­len las­sen, bis sie end­lich den­noch ei­ner so un­heil­vol­len Lei­den­schaft müde wur­de. Sie hat­te sich ge­schmei­chelt, die­se wil­de, un­ab­hän­gi­ge Na­tur zu be­zäh­men und in Ket­ten zu schla­gen. Da­ran hat­te sie mit hei­ßer Be­gier­de ge­ar­bei­tet und hat­te al­les dar­an ge­setzt. Als sie ein­sah, dass es ihr nie ge­lin­gen wür­de, fing sie an ihn zu has­sen und such­te sich zu zer­streu­en und zu rä­chen.

      In ei­ner Nacht, als An­zo­le­to in der Gon­del mit Clo­rin­da durch die Kanä­le irr­te, sah er eine an­de­re Gon­del an der sei­ni­gen vor­über­schlüp­fen, de­ren aus­ge­lösch­te La­ter­ne auf ein ver­stoh­le­nes Ren­dez­vous schlie­ßen ließ. Er gab we­nig Acht dar­auf, aber die Clo­rin­da, die in ih­rer Furcht, ent­deckt zu wer­den, im­mer auf der Lau­er war, flüs­ter­te ihm zu:

      – Lass uns lang­sa­mer fah­ren. Es ist des Gra­fen Gon­del. Ich habe den Gon­de­lier er­kannt.

      – Wenn das ist, lass uns schnel­ler fah­ren, ver­setz­te An­zo­le­to; ich will sie ein­ho­len, um zu se­hen, mit wel­cher Un­treue er dich für die dei­ni­ge be­zahlt.

      – Nein, nein! Keh­ren wir um! rief die Clo­rin­da. Er hat ein so schar­fes Auge und ein so fei­nes Ohr! Wir müs­sen uns hü­ten, ihn auf­merk­sam zu ma­chen.

      – Vor­wärts, sage ich dir! heisch­te An­zo­le­to sei­nem Bar­ca­ro­len zu, ich will die Bar­ke über­ho­len, die du da vor uns siehst.

      Es war, un­ge­ach­tet der Bit­ten und der Angst Clo­rin­da’s, die Sa­che ei­nes Au­gen­blicks. Die bei­den Bar­ken streif­ten sich von neu­em und An­zo­le­to ver­nahm aus der be­nach­bar­ten Gon­del ein schlecht er­stick­tes La­chen.

      – Nun sie­he da, sag­te er, das ist ehr­li­cher Krieg: die Co­ril­la ist es, wel­che mit dem Herrn Gra­fen die Abend­küh­le ge­nießt.

      Bei die­sen Wor­ten sprang An­zo­le­to auf das Vor­der­teil sei­ner Gon­del, nahm das Ru­der sei­nem Bar­ca­rol aus den Hän­den und hol­te mit ei­ni­gen ra­schen Schlä­gen die vor­de­re Gon­del noch ein­mal ein, streif­te sie wie­der, und – sei es, dass er sei­nen Na­men mit­ten aus dem Ge­läch­ter der Co­ril­la her­aus­ge­hört, oder dass er einen An­fall von Toll­heit hat­te – er hob mit lau­ter Stim­me an:

      – Teu­ers­te Clo­rin­da, du bist ohne Wi­der­re­de die schöns­te und die lie­bens­wer­tes­te von al­len Frau­en.

      – Das­sel­be sag­te ich jetzt eben zur Co­ril­la, ant­wor­te­te der Graf im Au­gen­blick, in­dem er aus dem Ka­bi­net­te trat und sich mit großer Un­ge­zwun­gen­heit ge­gen die an­de­re Gon­del kehr­te; und jetzt, da un­se­re bei­der­sei­ti­ge Fahrt am Ende ist, könn­ten wir füg­lich tau­schen, als ein paar ehr­li­che Leu­te, die in Kost­bar­kei­ten von glei­chem Wer­te han­deln.

      – Der Herr Graf lässt mei­ner Loya­li­tät Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­ren, er­wi­der­te An­zo­le­to in dem­sel­ben Tone. Ich will ihm, mit sei­ner gnä­di­gen Er­laub­nis, mei­nen Arm an­bie­ten, da­mit er mit Be­quem­lich­keit sein Gut in Empfang neh­me, wo er es fin­det.

      Der Graf, der ich weiß nicht was für einen höh­ni­schen und ver­ächt­li­chen Ein­fall ge­gen ihn und ih­rer bei­den ge­mein­schaft­li­che Maitres­sen aus­las­sen woll­te, streck­te sei­nen Arm aus, um sich auf An­zo­le­to zu stüt­zen. Aber der Te­no­rist, von Has­se ver­zehrt in ko­chen­der Wut, warf sich plötz­lich mit dem gan­zen Ge­wicht sei­nes Kör­pers auf die Gon­del, dass sie um­schlug, und schrie:

      – Weib für Weib, Herr Graf und – Gon­del für Gon­del.

      Er über­ließ sei­ne Op­fer ih­rem Schick­sa­le und die Clo­rin­da ih­rer töd­li­chen Angst und den Fol­gen des Aben­teu­ers, und er­reich­te schwim­mend das ge­gen­über­lie­gen­de Ufer; dann rann­te er durch die fins­te­ren und ver­schlun­ge­nen Gas­sen in sei­ne Woh­nung, wech­sel­te in Hast die Klei­der, raff­te al­les Geld zu­sam­men, wel­ches er lie­gen hat­te, lief hin­aus, warf sich in die ers­te Scha­lup­pe, wel­che un­ter Se­gel ging, und hin­flie­gend gen Triest, schnipp­te er mit den Fin­gern zum Zei­chen sei­nes Sie­ges, als er die Tür­me und Kup­peln von Ve­ne­dig beim ers­ten Schim­mer des mor­gens in die Wel­len tau­chen sah.

      5.