als es mein Wunsch sein musste. Jedennoch da unerwartet günstige Umstände mit Ew. Gnaden Anliegen zusammentrafen, so beeile ich mich, Ihnen eine junge Person zuzusenden, welche die gestellten Bedingungen teilweise erfüllt. Sie erfüllt selbige allerdings nicht samt und sonders. Auch sende ich sie nur interimistisch und um Dero liebenswürdigem und gnädigem Fräulein Nichte die Muße zu geben, ein vollständigeres Resultat meiner Nachsuchungen und Schritte ohne zu viel Ungeduld abzuwarten.
Die Person, welche die Ehre haben wird, Ihnen diesen Brief zu überreichen, ist meine Schülerin und gewissermaßen meine Adoptivtochter; sie wird, dem Wunsche der liebenswürdigen Baronin Amalie gemäß, gleichzeitig eine dienstwillige und angenehme Gesellschafterin und eine kundige Lehrerin in der Musik vorstellen können. Sie besitzt im Übrigen nicht diejenigen Kenntnisse, welche Sie von einer eigentlichen Gouvernante verlangen würden. Sie spricht mit Leichtigkeit verschiedene Sprachen, aber sie versteht dieselben nicht hinlänglich correct, um darin zu unterrichten. Die Musik versteht sie aus dem Grunde und singt vorzüglich gut. Sie werden mit ihrem Talent, mit ihrer Stimme und mit ihrer Manier zufrieden sein. Nicht minder mit ihrer Sanftmut und ihrem ehrenwerten Charakter. Ew. Excellenz können sie in den engeren Kreis Ihrer Familie aufnehmen, ohne Besorgnis, dass sie sich irgend eine Unangemessenheit zu Schulden kommen oder einen Beweis von schlechter Denkungsart geben werde. Sie wünscht unbeschränkt zu sein in dem Maße dessen, was sie Ihrer edlen Familie leisten wird und macht auf Honorar nicht Anspruch. Mit einem Wort, es ist weder eine Bonne, noch eine Zofe, die ich der liebenswürdigen Baronesse zusende, sondern eine Gesellschafterin, eine Freundin, gerade wie dieselbe mir die Ehre erzeigt hat, es mir anzuempfehlen in dem angenehmen Postscriptum, welches sie mit ihrer schönen Hand Ew. Gnaden Schreiben angehängt hat.
Signor Corner, der zum Gesandten in Wien hierseits ernannt ist, erwartet die Ordre zu seiner Abreise. Aber es ist beinahe gewiss, dass diese Ordre nicht unter zwei Monaten ausgefertigt sein wird. Signora Corner, seine würdige Gattin und meine großmütige Schülerin will mich mit nach Wien nehmen, wo, ihrer Meinung nach, meine Laufbahn eine glücklichere Wendung erhalten soll. Ohne dass ich an eine bessere Zukunft Glauben hätte, füge ich mich doch ihrem wohlwollenden Anerbieten, begierig wie ich bin, dies undankbare Venedig zu verlassen, wo ich nichts als Täuschungen, Beleidigungen und Unfälle aller Art erlitten habe. Ich sehne mich, das edele Deutschland, wo ich glücklichere und schönere Tage gekannt habe, und die verehrungswürdigen Freunde, die ich dort zurückließ, wiederzusehen. Ew. Herrlichkeit weiß wohl, dass Dieselbe eine der vornehmsten Stellen in dem Andenken dieses alten zerfetzten, aber wahrlich nicht erkälteten Herzens einnimmt, welches Sie mit unveränderlicher Liebe und tiefgefühlter Dankbarkeit erfüllt haben. Ihnen demnach, erlauchter Herr! empfehle ich und vertraue ich mein Adoptivkind, indem ich für dasselbe Ihre Gastlichkeit, Ihren Schutz und Ihren Segen erbitte. Durch ihren Eifer, der jungen Baronin sich nützlich und angenehm zu machen, wird sie Ihre Güte anzuerkennen wissen. In drei Monaten höchstens werde ich sie wieder abholen und Ihnen an ihrer Statt eine Lehrerin vorstellen, welche imstande sein wird, ein dauernderes Verhältnis mit Ihrer erlauchten Familie einzugehen.
In Erwartung des glücklichen Tages, wo ich mit meinen Händen die Hand des besten der Menschen drücken werde, bin ich so kühn mich zu nennen mit Hochachtung und Stolz Ew. Signoria Chiarissima, Stimatissima, Illustrissima etc. untertänigsten Diener und ergebensten Freund
Venedig den …ten … 17..
Nicolas Porpora,
Capellmeister, Komponist und Gesanglehrer.«
Amalie sprang vor Freuden, als sie diesen Brief beendet hatte, während der alte Graf zu verschiedenen Malen gerührt ausrief: Würdiger Porpora, trefflicher Freund, herrlicher Mensch!
– Allerdings, allerdings! sagte das Stiftsfräulein Wenceslawa, geteilt zwischen der Furcht, die Gewohnheiten der Familie durch die Ankunft einer Fremden gestört zu sehen, und dem Wunsche, die Pflichten der Gastfreundschaft edelmütig auszuüben; man wird sie gut aufnehmen, gut bewirten müssen … wenn sie sich nur hier nicht langweilt!
– Aber, Onkel! wo ist nur meine künftige Freundin, meine kostbare Lehrerin! rief die junge Baronin ohne auf die Bedenken ihrer Tante zu hören. Ohne Zweifel wird sie doch bald selbst kommen? … Ich erwarte sie mit einer Ungeduld …
Graf Christian schellte.
– Hans! sagte er zu dem alten Diener, wer hat diesen Brief abgegeben?
– Eine Dame, gnädigster Herr!
– Sie ist schon hier! rief Amalie, wo? wo?
– In ihrer Postchaise am Eingange der Zugbrücke.
– Und ihr habt sie am Tore des Schlosses frieren lassen, anstatt sie sogleich in den Salon zu führen?
– Allerdings, gnädiges Fräuleins ich habe den Brief in Empfang genommen, ich habe dem Postillion angesagt, den Fuß nicht aus dem Bügel zu setzen und die Zügel nicht aus der Hand zu lassen. Ich habe die Brücke hinter mir aufziehen lassen und habe den Brief meinem gnädigsten Herrn übergeben.
– Aber das ist abgeschmackt, unverzeihlich ist es, so im schlechten Wetter die Gäste, die wir bekommen, warten zu lassen! Sollte man nicht denken, dass wir in einer Festung leben und dass alle Leute, die sich nähern, Feinde sind! Lauf’ er, mach’ er fort, Hans! –
Hans stand unbeweglich wie eine Bildsäule. Nur seine Augen drückten sein Bedauern aus, den Wünschen seiner jungen Herrin nicht nachkommen zu können, aber wenn ihm eine Kanonenkugel über den Kopf hingegangen wäre, so würde sie um keine Linie breit die unerschütterliche Stellung verrückt haben, in welcher er die Befehle seines alten Herrn erwartete.
– Der treue Hans kennt nichts als seine Pflicht und sein Pförtneramt, mein liebes Kind! sagte endlich Graf Christian mit einer Langsamkeit, dass der jungen Baronin das Blut kochte. Nun, Hans! lass das Gitter aufziehen und die Brücke niederlassen. Alle meine Leute sollen mit Fackeln die Reisende empfangen, sie sei uns willkommen.
Hans zeigte nicht das mindeste Erstaunen, dass er eine Unbekannte mir nichts dir nichts in dieses Haus führen sollte, in welches die nächsten Anverwandten und die zuverlässigsten Freunde nie anders als mit vielerlei Umständen und Vorsichtsnahmen eingelassen wurden. Das Stiftsfräulein ging