und hat alle Welt noch zum Abschiede beschenkt. Sie hat nichts mitgenommen als ihr Crucifix. Es ist aber bei dem allen eine possierliche Geschichte, dieser Abzug mitten in der Nacht und ohne einem Menschen ein Wort davon zu sagen. Meister Porpora ist heute in der Frühe dagewesen und hat alles in Ordnung gebracht: es war wie die Vollstreckung eines Testaments. Allen Nachbarn hat es bitter leid getan, aber auf die Letzt tröstet man sich, wenn man denkt, dass sie ganz gewiss in einem schönen Pallast am Kanalazzo wohnen wird, jetzt wo sie reich und eine große Dame ist! Ich für mein Teil, ich habe es immer gesagt, dass sie mit ihrer Stimme noch Glück machen wird. Sie hat sich so viel Mühe gegeben. Nun! wann ist die Hochzeit, Anzoleto? Ich hoffe doch, du wirst mir was abkaufen zu Geschenken für die jungen Mädchen im Quartiere, he?
– Jawohl, jawohl! antwortete Anzoleto ganz verwirrt. Er entfloh mit dem Tod im Herzen, und auf dem Hofe sah er alle alten Weiber aus der Nachbarschaft versammelt, die auf Consuelo’s Bett und Tisch im Aufstreich boten: dieses Bett, in dem er sie schlafen, diesen Tisch, an dem er sie arbeiten gesehen!
– O mein Gott! nichts, nichts mehr von ihr! rief er unwillkührlich und die Hände ringend. –
Er hätte die Corilla ermorden mögen.
Nach drei Tagen trat er mit der Corilla im Theater auf. Beide wurden mit Schimpf und Schande ausgezischt, man musste den Vorhang niederlassen und konnte das Stück nicht zu Ende spielen: Anzoleto war wütend, die Corilla unbewegt.
– Das trägt mir nun deine Protection ein! rief er ihr drohend zu, als sie sich miteinander allein befanden.
Die Prima Donna antwortete ihm mit vieler Ruhe:
– Du erhitzest dich um ein Nichts, mein gutes Kind! man sieht, dass du das Publikum nicht kennst und seinen Launen noch nicht Stand gehalten hast. Ich war so gefasst auf die heutige Schlappe, dass ich mir gar nicht die Mühe gemacht habe, meine Rolle durchzugehen; und ich habe es dir nur deshalb nicht vorhergesagt, weil ich wohl wusste, dass du mit der Gewissheit, ausgepfiffen zu werden, nicht den Mut haben würdest, vor dem Publikum zu erscheinen. Jetzt aber musst du erfahren, was uns noch bevorsteht. Das nächste Mal wird uns noch ärger mitgespielt werden. Drei, vier, sechs, acht Aufführungen vielleicht werden so hingehen; aber während dieser Stürme wird sich eine Opposition zu unseren Gunsten kund geben. Und wären wir die niedrigsten Landläufer der Welt, der Geist des Widerspruchs und der Unabhängigkeit würde uns doch von Tage zu Tage eifrigere Anhänger werben. Es gibt eben so viele Leute, die sich groß zu machen glauben, wenn sie andere beschimpfen, als es ihrer gibt, die sich groß zu machen glauben, wenn sie sich der Beschimpften annehmen. Ein Dutzend Male wird der Saal ein Schlachtfeld der Pfeifenden und Klatschenden sein, dann werden die Widersacher allmählich müde werden, die Hartnäckigsten werden noch ein wenig brummen und wir werden in eine neue Phase eintreten. Diejenige Hälfte des Publikums, die sich unserer annahm, ohne recht zu wissen warum, wird uns mit einiger Kälte anhören, wir werden wieder eine Art Debüt durchzumachen haben, und es liegt dann, so wahr Gott lebt, nur an uns, das Publikum hinzureißen und Sieger zu bleiben. Ich sage dir für diesen Moment große Triumphe voraus, lieber Anzoleto! der Zauber, der bisher auf dir lag, wird gelöst sein, du wirst die Lust der Aufmunterung und des süßen Lobes atmen und wirst dadurch zu Kräften kommen. Denke nur an den Effekt, den du das erste Mal, als du bei Zustiniani sangst, hervorgebracht hast. Du hattest nicht Zeit, deine Eroberung zu befestigen, ein glänzenderes Gestirn stieg zu rasch auf, um dich nicht zu verdunkeln; aber dieses Gestirn ist unter den Horizont zurückgesunken und du musst dich nun bereit halten, mit mir wieder aufzusteigen in den höchsten Himmel.
Es kam alles so wie die Corilla es vorausgesagt hatte. Man ließ die beiden Liebenden in der Tat während einiger Tage den Verlust, den das Publikum in Consuelo erlitten hatte, schwer büßen. Aber ihre Beharrlichkeit, dem Sturm zu trotzen, erschöpfte diesen Zorn, der zu heftig losgeplatzt war, um lange auszudauern. Der Graf unterstützte die Anstrengungen der Corilla. Und in Betreff Anzoleto’s tat er zwar Schritte, um einen primo uomo nach Venedig zu ziehen; da er diese jedoch vergeblich sah in so später Jahreszeit, wo alle Engagements bei den vornehmsten Theatern Europas abgeschlossen waren, fügte er sich in das Unvermeidliche und nahm ihn zum Mitkämpfer in dem Strauß an, der zwischen dem Publikum und der Administration seines Theaters ausgefochten wurde.
Dieses Theater war zu glänzend in Aufnahme, als dass ihm die allgemeine Gunst um Dies und Das verloren gehen konnte. Geheiligte Gewohnheiten ließen sich durch so etwas nicht über den Haufen werfen. Alle Logen waren für die Saison vermietet. Die Damen hielten darin ihren Salon und die Unterhaltung ging wie gewöhnlich. Die wahren Dilettanti grollten einige Zeit; sie waren nicht zahlreich genug, um sich bemerklich zu machen. Auch sie wurden endlich des Haders überdrüssig und eines schönen abends, als die Corilla mit Feuer gesungen hatte, wurde sie einstimmig gerufen. Sie erschien, Anzoleto nach sich ziehend, den man nicht verlangt hatte und der mit bescheidener, furchtsamer Miene einer sanften Gewalt nachzugeben schien. Er erhielt seinen Anteil an dem Beifall und wurde tags darauf wirklich mit gerufen.
Endlich, ehe ein Monat vergangen war, war Consuelo vergessen, wie ein Blitz, der den Sommerhimmel durchschneidet. Corilla machte Furore wie zuvor und verdiente es vielleicht mehr, denn die Nacheiferung hatte ihr mehr »Entrain« gegeben und die Liebe gab ihr bisweilen einen gefühlteren Vortrag ein.
Anzoleto hatte zwar seine Fehler nicht abgelegt, aber es war ihm geglückt, seine unbestreitbaren Vorzüge zu entfalten. Man hatte sich an jene gewöhnt und bewunderte diese. Seine reizende Erscheinung bezauberte die Frauen; in den Salons riss man sich um ihn, und umso mehr, als Corilla’s Eifersucht den Koketterien, deren Gegenstand er war, etwas Pikanteres gab.
Auch die Clorinda entfalten ihre Mittel auf der Bühne, nämlich ihre schwerfällige Schönheit und die lascive Nonchalance einer Beschränktheit ohne Gleichen, aber nicht ohne Reiz für eine gewisse Klasse von Zuschauern. Zustiniani hatte, um sich von seinem ziemlich tiefen Gram zu zerstreuen, aus ihr seine Maitresse gemacht, belud sie mit Diamanten und stieß sie in die ersten Rollen hinein, indem er hoffte, sie zur Nachfolgerin der Corilla zu bilden, welche für die nächste Saison ein definitives Engagement in Paris hatte.
Corilla sah diese Konkurrenz, von der sie weder jetzt noch künftig etwas zu fürchten hatte, ohne Neid; sie fand vielmehr ein boshaftes Vergnügen darin, diese Unfähigkeit, die sich ohne Anstand zum Besten gab und vor nichts zurückwich, recht hervortreten zu lassen. Die beiden Creaturen lebten daher in gutem Einvernehmen