George Sand

Gesammelte Werke


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und hat alle Welt noch zum Ab­schie­de be­schenkt. Sie hat nichts mit­ge­nom­men als ihr Cru­ci­fix. Es ist aber bei dem al­len eine pos­sier­li­che Ge­schich­te, die­ser Ab­zug mit­ten in der Nacht und ohne ei­nem Men­schen ein Wort da­von zu sa­gen. Meis­ter Por­po­ra ist heu­te in der Frü­he da­ge­we­sen und hat al­les in Ord­nung ge­bracht: es war wie die Voll­stre­ckung ei­nes Te­sta­ments. Al­len Nach­barn hat es bit­ter leid ge­tan, aber auf die Letzt trös­tet man sich, wenn man denkt, dass sie ganz ge­wiss in ei­nem schö­nen Pal­last am Kanal­az­zo woh­nen wird, jetzt wo sie reich und eine große Dame ist! Ich für mein Teil, ich habe es im­mer ge­sagt, dass sie mit ih­rer Stim­me noch Glück ma­chen wird. Sie hat sich so viel Mühe ge­ge­ben. Nun! wann ist die Hoch­zeit, An­zo­le­to? Ich hof­fe doch, du wirst mir was ab­kau­fen zu Ge­schen­ken für die jun­gen Mäd­chen im Quar­tie­re, he?

      – Ja­wohl, ja­wohl! ant­wor­te­te An­zo­le­to ganz ver­wirrt. Er ent­floh mit dem Tod im Her­zen, und auf dem Hofe sah er alle al­ten Wei­ber aus der Nach­bar­schaft ver­sam­melt, die auf Con­sue­lo’s Bett und Tisch im Auf­streich bo­ten: die­ses Bett, in dem er sie schla­fen, die­sen Tisch, an dem er sie ar­bei­ten ge­se­hen!

      – O mein Gott! nichts, nichts mehr von ihr! rief er un­will­kühr­lich und die Hän­de rin­gend. –

      Er hät­te die Co­ril­la er­mor­den mö­gen.

      Nach drei Ta­gen trat er mit der Co­ril­la im Thea­ter auf. Bei­de wur­den mit Schimpf und Schan­de aus­ge­zischt, man muss­te den Vor­hang nie­der­las­sen und konn­te das Stück nicht zu Ende spie­len: An­zo­le­to war wü­tend, die Co­ril­la un­be­wegt.

      – Das trägt mir nun dei­ne Pro­tec­ti­on ein! rief er ihr dro­hend zu, als sie sich mit­ein­an­der al­lein be­fan­den.

      Die Pri­ma Don­na ant­wor­te­te ihm mit vie­ler Ruhe:

      – Du er­hit­zest dich um ein Nichts, mein gu­tes Kind! man sieht, dass du das Pub­li­kum nicht kennst und sei­nen Lau­nen noch nicht Stand ge­hal­ten hast. Ich war so ge­fasst auf die heu­ti­ge Schlap­pe, dass ich mir gar nicht die Mühe ge­macht habe, mei­ne Rol­le durch­zu­ge­hen; und ich habe es dir nur des­halb nicht vor­her­ge­sagt, weil ich wohl wuss­te, dass du mit der Ge­wiss­heit, aus­ge­pfif­fen zu wer­den, nicht den Mut ha­ben wür­dest, vor dem Pub­li­kum zu er­schei­nen. Jetzt aber musst du er­fah­ren, was uns noch be­vor­steht. Das nächs­te Mal wird uns noch är­ger mit­ge­spielt wer­den. Drei, vier, sechs, acht Auf­füh­run­gen viel­leicht wer­den so hin­ge­hen; aber wäh­rend die­ser Stür­me wird sich eine Op­po­si­ti­on zu un­se­ren Guns­ten kund ge­ben. Und wä­ren wir die nied­rigs­ten Land­läu­fer der Welt, der Geist des Wi­der­spruchs und der Un­ab­hän­gig­keit wür­de uns doch von Tage zu Tage eif­ri­ge­re An­hän­ger wer­ben. Es gibt eben so vie­le Leu­te, die sich groß zu ma­chen glau­ben, wenn sie an­de­re be­schimp­fen, als es ih­rer gibt, die sich groß zu ma­chen glau­ben, wenn sie sich der Be­schimpf­ten an­neh­men. Ein Dut­zend Male wird der Saal ein Schlacht­feld der Pfei­fen­den und Klat­schen­den sein, dann wer­den die Wi­der­sa­cher all­mäh­lich müde wer­den, die Hart­nä­ckigs­ten wer­den noch ein we­nig brum­men und wir wer­den in eine neue Pha­se ein­tre­ten. Die­je­ni­ge Hälf­te des Pub­li­kums, die sich un­se­rer an­nahm, ohne recht zu wis­sen warum, wird uns mit ei­ni­ger Käl­te an­hö­ren, wir wer­den wie­der eine Art De­büt durch­zu­ma­chen ha­ben, und es liegt dann, so wahr Gott lebt, nur an uns, das Pub­li­kum hin­zu­rei­ßen und Sie­ger zu blei­ben. Ich sage dir für die­sen Mo­ment große Tri­um­phe vor­aus, lie­ber An­zo­le­to! der Zau­ber, der bis­her auf dir lag, wird ge­löst sein, du wirst die Lust der Auf­mun­te­rung und des sü­ßen Lo­bes at­men und wirst da­durch zu Kräf­ten kom­men. Den­ke nur an den Ef­fekt, den du das ers­te Mal, als du bei Zus­ti­nia­ni sangst, her­vor­ge­bracht hast. Du hat­test nicht Zeit, dei­ne Erobe­rung zu be­fes­ti­gen, ein glän­zen­de­res Gestirn stieg zu rasch auf, um dich nicht zu ver­dun­keln; aber die­ses Gestirn ist un­ter den Ho­ri­zont zu­rück­ge­sun­ken und du musst dich nun be­reit hal­ten, mit mir wie­der auf­zu­stei­gen in den höchs­ten Him­mel.

      Es kam al­les so wie die Co­ril­la es vor­aus­ge­sagt hat­te. Man ließ die bei­den Lie­ben­den in der Tat wäh­rend ei­ni­ger Tage den Ver­lust, den das Pub­li­kum in Con­sue­lo er­lit­ten hat­te, schwer bü­ßen. Aber ihre Be­harr­lich­keit, dem Sturm zu trot­zen, er­schöpf­te die­sen Zorn, der zu hef­tig los­ge­platzt war, um lan­ge aus­zu­dau­ern. Der Graf un­ter­stütz­te die An­stren­gun­gen der Co­ril­la. Und in Be­treff An­zo­le­to’s tat er zwar Schrit­te, um einen pri­mo uo­mo nach Ve­ne­dig zu zie­hen; da er die­se je­doch ver­geb­lich sah in so spä­ter Jah­res­zeit, wo alle En­ga­ge­ments bei den vor­nehms­ten Thea­tern Eu­ro­pas ab­ge­schlos­sen wa­ren, füg­te er sich in das Un­ver­meid­li­che und nahm ihn zum Mit­kämp­fer in dem Strauß an, der zwi­schen dem Pub­li­kum und der Ad­mi­nis­tra­ti­on sei­nes Thea­ters aus­ge­foch­ten wur­de.

      Die­ses Thea­ter war zu glän­zend in Auf­nah­me, als dass ihm die all­ge­mei­ne Gunst um Dies und Das ver­lo­ren ge­hen konn­te. Ge­hei­lig­te Ge­wohn­hei­ten lie­ßen sich durch so et­was nicht über den Hau­fen wer­fen. Alle Lo­gen wa­ren für die Sai­son ver­mie­tet. Die Da­men hiel­ten dar­in ih­ren Sa­lon und die Un­ter­hal­tung ging wie ge­wöhn­lich. Die wah­ren Di­let­tan­ti groll­ten ei­ni­ge Zeit; sie wa­ren nicht zahl­reich ge­nug, um sich be­merk­lich zu ma­chen. Auch sie wur­den end­lich des Ha­ders über­drüs­sig und ei­nes schö­nen abends, als die Co­ril­la mit Feu­er ge­sun­gen hat­te, wur­de sie ein­stim­mig ge­ru­fen. Sie er­schi­en, An­zo­le­to nach sich zie­hend, den man nicht ver­langt hat­te und der mit be­schei­de­ner, furcht­sa­mer Mie­ne ei­ner sanf­ten Ge­walt nach­zu­ge­ben schi­en. Er er­hielt sei­nen An­teil an dem Bei­fall und wur­de tags dar­auf wirk­lich mit ge­ru­fen.

      End­lich, ehe ein Mo­nat ver­gan­gen war, war Con­sue­lo ver­ges­sen, wie ein Blitz, der den Som­mer­him­mel durch­schnei­det. Co­ril­la mach­te Fu­ro­re wie zu­vor und ver­dien­te es viel­leicht mehr, denn die Nach­ei­fe­rung hat­te ihr mehr »En­train« ge­ge­ben und die Lie­be gab ihr bis­wei­len einen ge­fühl­te­ren Vor­trag ein.

      An­zo­le­to hat­te zwar sei­ne Feh­ler nicht ab­ge­legt, aber es war ihm ge­glückt, sei­ne un­be­streit­ba­ren Vor­zü­ge zu ent­fal­ten. Man hat­te sich an jene ge­wöhnt und be­wun­der­te die­se. Sei­ne rei­zen­de Er­schei­nung be­zau­ber­te die Frau­en; in den Sa­lons riss man sich um ihn, und umso mehr, als Co­ril­la’s Ei­fer­sucht den Ko­ket­te­ri­en, de­ren Ge­gen­stand er war, et­was Pi­kan­te­res gab.

      Auch die Clo­rin­da ent­fal­ten ihre Mit­tel auf der Büh­ne, näm­lich ihre schwer­fäl­li­ge Schön­heit und die la­s­ci­ve Non­cha­lan­ce ei­ner Be­schränkt­heit ohne Glei­chen, aber nicht ohne Reiz für eine ge­wis­se Klas­se von Zuschau­ern. Zus­ti­nia­ni hat­te, um sich von sei­nem ziem­lich tie­fen Gram zu zer­streu­en, aus ihr sei­ne Maitres­se ge­macht, be­lud sie mit Dia­man­ten und stieß sie in die ers­ten Rol­len hin­ein, in­dem er hoff­te, sie zur Nach­fol­ge­rin der Co­ril­la zu bil­den, wel­che für die nächs­te Sai­son ein de­fi­ni­ti­ves En­ga­ge­ment in Pa­ris hat­te.

      Co­ril­la sah die­se Kon­kur­renz, von der sie we­der jetzt noch künf­tig et­was zu fürch­ten hat­te, ohne Neid; sie fand viel­mehr ein bos­haf­tes Ver­gnü­gen dar­in, die­se Un­fä­hig­keit, die sich ohne An­stand zum Bes­ten gab und vor nichts zu­rück­wich, recht her­vor­tre­ten zu las­sen. Die bei­den Crea­tu­ren leb­ten da­her in gu­tem Ein­ver­neh­men