George Sand

Gesammelte Werke


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über­wand sich so weit, dass sie sag­te, sie wäre we­der groß ge­nug als Sän­ge­rin noch schön ge­nug, um das Pub­li­kum zur Lei­den­schaft zu ent­flam­men.

      Und da das al­les wirk­lich mehr als sie im Sa­gen dach­te, die Wahr­heit war, da An­zo­le­to es üb­ri­gens auch von selbst wahr­ge­nom­men und über Con­sue­lo’s ge­wal­ti­ge Über­le­gen­heit sich nie ge­täuscht hat­te, so fand es Co­ril­la nicht sehr schwer, ihn da­von zu über­zeu­gen. Sie wur­den da­her bei die­ser Zu­sam­men­kunft fast schon ei­nig über ihre Ver­bin­dung und Flucht; An­zo­le­to ging ernst­lich dar­auf ein, ob­gleich er sich im­mer eine Hin­ter­tür of­fen hielt, durch wel­che er bei Ge­le­gen­heit wie­der ent­wi­schen konn­te.

      Da es der Co­ril­la nicht ent­ging, dass noch ei­ni­ge Un­schlüs­sig­keit in ihm zu­rück­ge­blie­ben war, so drang sie in ihn, sei­ne De­büts fort­zu­set­zen, und schmei­chel­te ihm mit der Hoff­nung auf einen bes­se­ren Aus­gang der fol­gen­den Vor­stel­lun­gen, wäh­rend sie in ih­rem In­nern über­zeugt war, dass die­se un­glück­li­chen Ver­su­che ihm Ve­ne­dig und Con­sue­lo völ­lig ver­lei­den wür­den.

      Von sei­ner Maitres­se be­gab sich An­zo­le­to zu sei­ner Freun­din. Ein un­be­zwing­ba­rer Drang sie wie­der zu se­hen, trieb ihn zu ihr. Es war das ers­te­mal, dass er einen Tag be­gon­nen und be­schlos­sen hat­te, ohne ih­ren keu­schen Kuss auf die Stir­ne zu emp­fan­gen. Da er sich aber nach dem was mit Co­ril­la vor­ge­gan­gen war, sei­ner Verän­der­lich­keit zu schä­men hat­te, so such­te er sich selbst zu über­re­den, dass er bei sei­ner Braut sich nur die Ge­wiss­heit ih­rer Un­treue und den gänz­li­chen Ver­zicht auf sei­ne Lie­be ho­len woll­te. Ohne al­len Zwei­fel, sag­te er zu sich, wird der Graf sich die Ge­le­gen­heit und ih­ren Ver­druss über mein Aus­blei­ben zu Nut­ze ge­macht ha­ben; wie, solch ein lo­cke­rer Pas­sa­gier hät­te die Nacht mit ihr un­ter vier Au­gen zu­ge­bracht, und das arme Ding wäre nicht un­ter­le­gen? Un­mög­lich! –

      In­des­sen trieb ihm die­ser Ge­dan­ke doch den kal­ten Schweiß auf die Stir­ne, er dach­te wei­ter, er stell­te sich Con­sue­lo’s Reue und Verzweif­lung vor: das brach sein Herz, er be­flü­gel­te sei­nen Schritt, und glaub­te nicht an­ders als sie in Trä­nen ge­ba­det zu fin­den. Dann wie­der sag­te ihm eine in­ne­re Stim­me, stär­ker als alle üb­ri­gen, ein We­sen von die­ser Rein­heit, die­sem See­le­na­del kön­ne nicht so schnell, so schmäh­lich fal­len; und er hemm­te sei­nen Fuß und dach­te an sich, an das Ge­häs­si­ge sei­ner Auf­füh­rung, an die Selbst­sucht sei­nes Ehr­gei­zes, an die Lü­gen, de­nen er sein Le­ben, an die Vor­wür­fe, de­nen er sein Ge­wis­sen zur Beu­te ge­ge­ben hat­te.

      Er fand Con­sue­lo in ih­rem schwar­zen Klei­de, vor ih­rem Tisch­chen, so hei­ter und so fromm in Blick und Hal­tung wie nur je. Sie lief auf ihn zu mit ih­rer ge­wohn­ten Herz­lich­keit und frag­te voll Be­sorg­nis, aber ohne Vor­wurf, ohne Miss­trau­en, wie er die Zeit, seit­dem sie ein­an­der nicht ge­se­hen, zu­ge­bracht hät­te.

      – Ich war lei­dend, ant­wor­te­te er ihr in der tie­fen Nie­der­ge­schla­gen­heit, die sein Schuld­be­wusst­sein ihm ver­ur­sach­te. Der Stoß am Kop­fe ge­gen eine Cou­lis­se, wo­von ich dir die Strie­me zeig­te und dir sag­te, es sei nichts, hat mir den­noch eine sol­che Er­schüt­te­rung im Ge­hirn zu Wege ge­bracht, dass ich den Pal­last Zus­ti­nia­ni ver­las­sen muss­te, aus Furcht in Ohn­macht zu fal­len und dass ich den gan­zen Mor­gen das Bett ge­hü­tet habe.

      – O mein Gott! rief Con­sue­lo, und küss­te die Wun­de, die ihre Ne­ben­buh­le­rin ihm ge­schla­gen hat­te; du warst lei­dend, und bist es wohl noch?

      – Nein! die Ruhe hat mir gut ge­tan. Den­ke nicht wei­ter dar­an, und sage mir, wie du es ge­macht hast, umso al­lein in der Nacht nach Hau­se zu kom­men?

      – Al­lein? O nicht doch, der Graf hat mich in sei­ner Gon­del nach Hau­se ge­bracht.

      – Ach! dacht’ ich’s doch! rief An­zo­le­to mit be­frem­den­dem Tone. Und hat er dir wohl so un­ter vier Au­gen gar viel Schö­nes ge­sagt?

      – Was hät­te er mir sa­gen kön­nen, das er mir nicht schon hun­dert­mal vor al­ler Welt ge­sagt hät­te? Er ver­zieht mich und wür­de mich ei­tel ma­chen, wenn ich nicht vor die­sem Übel auf mei­ner Hut wäre. Üb­ri­gens wa­ren wir nicht un­ter vier Au­gen; mein lie­ber Meis­ter war so gut, auch mit­zu­fah­ren. O, der ein­zi­ge Freund!

      – Meis­ter? Ein­zi­ger Freund? Wer? frag­te An­zo­le­to schon be­ru­higt und wie­der in Ge­dan­ken.

      – Nun, der Por­po­ra! Woran denkst du denn?

      – Ich den­ke, lie­be Con­sue­lo, an dei­nen Tri­umph von ges­tern Abend. Und du nicht?

      – We­ni­ger als an den dei­ni­gen, das schwö­re ich dir.

      – Den mei­ni­gen. O, spot­te nicht, mei­ne schö­ne Freun­din! Der mei­ni­ge war so fahl, dass er aufs Haar ei­ner Nie­der­la­ge glich.

      Con­sue­lo er­schrak und wur­de bleich. Sie hat­te, un­ge­ach­tet ih­rer merk­wür­di­gen Fes­tig­keit, doch nicht kal­tes Blut ge­nug ge­habt, um zu un­ter­schei­den was von dem Bei­fall des Abends ihr, was ih­rem Ge­lieb­ten galt. Es ha­ben Hul­di­gun­gen die­ser Art et­was Be­täu­ben­des, dem sich der be­son­nens­te Künst­ler nicht ent­zie­hen kann, und man­cher so we­nig, dass er viel­leicht die Un­ter­stüt­zung ei­ner Ka­ba­le für ein Bei­falls­jauch­zen nimmt. Con­sue­lo hat­te im Ge­gen­tei­le die Ge­wo­gen­heit ih­res Pub­li­kums sich min­der groß vor­ge­stellt als sie wirk­lich war; sich fast fürch­tend vor dem ent­setz­li­chen Lärm, hat­te sie kaum des­sen Mei­nung be­grif­fen und den Vor­zug, den man ihr vor An­zo­le­to gab, nicht be­merkt. Nun schalt sie ihn in ih­rer Un­be­fan­gen­heit, dass er gleich An­fangs zu viel Glück ver­lan­ge, und da sie sah, dass sie ihn we­der über­zeu­gen noch sei­ne Trau­rig­keit ver­scheu­chen konn­te, mach­te sie ihm sanf­te Vor­wür­fe, dass er zu ruhm­be­gie­rig sei und zu großen Wert auf den Bei­fall der Welt lege.

      – Ich habe es dir schon im­mer ge­sagt, fuhr sie fort, du ziehst den Er­trag der Kunst der Kunst sel­ber vor. Hat man sein Bes­tes ge­tan, fühlt man, dass man es gut ge­macht hat, dann, dünkt mich, kann ein we­nig Bei­fall mehr oder min­der der in­ne­ren Zufrie­den­heit nichts hin­zu­tun und nichts neh­men. Den­ke an das, was mir der Por­po­ra sag­te, als ich zum ers­ten Male im Pal­las­te Zus­ti­nia­ni sang: wer sich von wah­rer Lie­be zu sei­ner Kunst durch­drun­gen fühlt, kann sich nicht fürch­ten …

      – Dein Por­po­ra und du, fiel An­zo­le­to ihr ver­drieß­lich in die Rede, ihr könnt frei­lich von eue­ren schö­nen Ma­xi­men le­ben. Nichts ist leich­ter als über das Un­glück phi­lo­so­phie­ren, wenn man selbst im Glücke sitzt. Der Por­po­ra ist zwar arm und an­ge­fein­det, aber er hat einen be­rühm­ten Na­men; er hat Lor­bee­ren ge­nug ge­pflückt, dass sein al­tes Haupt in Ruhe un­ter ih­rem Schat­ten blei­chen kann. Du, die du dich un­be­sieg­bar fühlst, hast für die Furcht kei­nen Raum im Her­zen. Du schwingst dich mit dem ers­ten Sprun­ge auf die höchs­te Staf­fel und wirfst de­nen, die nur krie­chen kön­nen, vor, sie wä­ren schwind­lig. Das ist nicht sehr men­schen­freund­lich, Con­sue­lo, und in ho­hem Gra­de un­bil­lig. Auch passt dein Satz gar nicht auf mich. Du sagst, man müs­se die Bei­stim­mung des Pub­li­kums ver­ach­ten, wenn man sei­ne ei­ge­ne hat; wenn mir nun aber die­ses in­ne­re Zeug­nis fehlt? Siehst du denn nicht, dass ich grau­sam un­zu­frie­den mit mir selbst bin? Hast du denn nicht ge­se­hen, wie ab­scheu­lich ich war; nicht ge­hört,