George Sand

Gesammelte Werke


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      – Vi­el­leicht, weil der Graf es nicht litt. Jetzt weiß alle Welt, dass er es wünscht. Man sagt so­gar, dass er Grund hat, Eile zu wün­schen, und die Klei­ne noch mehr als er.

      An­zo­le­to wur­de blut­rot, als er das We­sen, wel­ches ihm über al­les wert war, so be­schimp­fen hör­te.

      – Aha! die­se Voraus­set­zun­gen ma­chen dich emp­find­lich, sag­te Co­ril­la. Gut. Mehr woll­te ich nicht wis­sen. Du liebst sie; und wann macht ihr Hoch­zeit?

      – Wir ma­chen gar nicht Hoch­zeit.

      – Also Halb­part? Du hast es weit in der Gunst des Herrn Gra­fen ge­bracht!

      – Um Him­mels­wil­len, Ma­da­me! re­den wir nicht von dem Gra­fen und von nie­man­dem, son­dern nur von uns bei­den.

      – Wohl­an, es sei! sag­te Co­ril­la. Ver­mut­lich wird auch um die­se Zeit mein Ex-Ge­bie­ter mit dei­ner Zu­künf­ti­gen …

      An­zo­le­to war tief ent­rüs­tet. Er stand auf, um zu ge­hen. Al­lein was hät­te er be­wirkt? Den Hass die­ser Frau, den er dämp­fen woll­te, hät­te er noch mehr ent­flammt. Er blieb un­schlüs­sig ste­hen, furcht­bar ge­de­mü­tigt und un­glück­lich über die Rol­le, wel­che er sich auf­er­legt hat­te.

      Co­ril­la brann­te vor Be­gier­de ihn un­treu zu ma­chen; nicht weil sie ihn lieb­te, son­dern um sich an die­ser Con­sue­lo zu rä­chen, über wel­che sie jetzt eben – ob mit Recht, war sie selbst un­ge­wiss – ihre Schmä­hun­gen aus­ge­gos­sen hat­te.

      – Siehst du nun, sag­te sie, ihn mit ei­nem durch­drin­gen­den Blick an die Schwel­le ih­res Bou­doirs fest ban­nend, siehst du, wie ich recht hat­te, dir zu miss­trau­en; denn eine von uns be­trügst du in die­sem Au­gen­blick. Sie oder mich?

      – Kei­ne von bei­den, rief er, in­dem er sich vor sich selbst zu recht­fer­ti­gen such­te; ich bin nicht ihr Lieb­ha­ber, ich bin es nie ge­we­sen; ich habe nicht ein­mal Lie­be für sie, denn ich bin nicht ei­fer­süch­tig auf den Gra­fen.

      – Nun, das ist noch schö­ner! Ha! so ei­fer­süch­tig bist du, dass du es leug­nest, und kommst hier­her … wes­halb? Um dich zu hei­len, oder um dich zu zer­streu­en? Ei! Schö­nen Dank!

      – Ich wie­der­ho­le es Ih­nen, ich bin nicht ei­fer­süch­tig; und um Ih­nen zu be­wei­sen, dass ich nicht aus bloßem Är­ger so spre­che … wis­sen Sie denn, dass der Graf eben­so we­nig ihr Amant ist als ich! Sie ist un­schul­dig wie ein Kind und ist auch nichts wei­ter als ein Kind; nie­mand hat sich ge­gen Sie ver­gan­gen als Graf Zus­ti­nia­ni al­lein.

      – Ich kann also die Zin­ga­rel­la aus­pfei­fen las­sen, ohne dass es dich kränkt? Sei in mei­ner Loge und pfei­fe mit; dann sollst du von Stun­d’ an mein al­lei­ni­ger Ge­lieb­ter sein. Sage zu, ge­schwind, oder ich neh­me mein Wort zu­rück.

      – O weh, Ma­da­me! Sie wol­len mich also an mei­nem De­büt ver­hin­dern; denn Sie wis­sen dass ich mit der Con­sue­lo zu­gleich de­bü­tie­ren soll. Wenn Sie sie aus­zi­schen las­sen, so wer­de auch ich, der ich mit ihr sin­gen muss, ein Op­fer Ihres Zor­nes wer­den. Und was habe ich Ärms­ter denn ver­bro­chen, um Ihr Miss­fal­len zu ver­die­nen? Ach, ich habe mich ei­nem lieb­li­chen, ver­derb­li­chen Trau­me hin­ge­ge­ben! ich habe mir einen gan­zen Abend lang ein­ge­bil­det, dass Sie ei­ni­gen An­teil an mir näh­men und dass ich un­ter Ihrem Schut­ze Be­deu­tung er­lan­gen könn­te. Und sie­he da, nun bin ich der Ge­gen­stand Ih­rer Ver­ach­tung, Ihres Has­ses, ich, des­sen Lie­be zu Ih­nen, des­sen Ach­tung für Sie so weit ging, dass ich Sie ver­mied. Wohl­an, Ma­da­me! Fröh­nen Sie Ihrem Ab­scheu! ver­nich­ten Sie mich, stür­zen Sie mich, ver­schlie­ßen Sie mir die Car­riè­re. Nur, nur sa­gen Sie mir hier un­ter vier Au­gen, dass ich Ih­nen nicht zu­wi­der bin, und ich will öf­fent­lich die Zei­chen Ihres Un­wil­lens hin­neh­men.

      – Schlan­ge du! rief die Co­ril­la, wo hast du das Gift der Schmei­che­lei auf­ge­so­gen, das dei­ne Zun­ge und dei­ne Au­gen be­rei­ten? Ich gäbe viel dar­um, wenn ich dich kenn­te, wenn ich dich durch­schau­te! So aber fürch­te ich dich, denn du bist ent­we­der der lie­bens­wür­digs­te Lieb­ha­ber oder der ge­fähr­lichs­te mei­ner Fein­de.

      – Ich Ihr Feind! Und wie dürf­te ich es wa­gen, mir eine sol­che Stel­lung zu ge­ben, selbst wenn mich Ihre Rei­ze nicht un­ter­jocht hät­ten? Ha­ben Sie denn Fein­de, gött­li­che Co­ril­la? Kön­nen Sie Fein­de ha­ben in Ve­ne­dig, wo man Sie kennt, wo Ihre Herr­schaft stets un­be­strit­ten ge­we­sen? Ein ver­lieb­ter Streit stürzt den Gra­fen in Schmerz und Zorn. Er will Sie ent­fer­nen, er will sein Lei­den en­den. Er fin­det auf sei­nem Wege ein jun­ges Mäd­chen, wel­ches ei­ni­ge Mit­tel zu be­sit­zen scheint und sehr gern be­reit ist, zu de­bü­tie­ren. Was hat die­ses arme Kind ver­bro­chen, wel­ches Ihren be­rühm­ten Na­men nur mit Schre­cken nen­nen hört, und selbst nur mit Ach­tung nennt? Sie mes­sen die­ser Ärms­ten in­so­len­te Prä­ten­tio­nen bei, von de­nen ihre See­le nichts weiß. Die An­stren­gun­gen des Gra­fen, die neue Sän­ge­rin sei­nen Freun­den schmack­haft zu ma­chen, die Ge­fäl­lig­keit die­ser sel­ben Freun­de, wel­che ihr Ver­dienst über­trie­ben aus­po­sau­nen, die Er­bit­te­rung der Ih­ri­gen, Ma­da­me! wel­che Ver­leum­dun­gen aus­brei­ten um Sie zu krän­ken und zu rei­zen, wäh­rend es ihre Schul­dig­keit wäre, Ih­rer schö­nen See­le den Frie­den wie­der­zu­ge­ben, Sie er­in­nernd, wie un­an­greif­bar Ihr Ruhm, Ih­nen schil­dernd, wie Ihre Ne­ben­buh­le­rin zit­tert: das sind die Ur­sa­chen die­ser falschen Vor­ur­tei­le, worin ich Sie zu mei­nem Er­stau­nen be­fan­gen fin­de, ja so sehr zu mei­ner Be­stür­zung, dass ich nicht weiß, wie ich es an­fan­gen soll, die­se Vor­ur­tei­le zu be­kämp­fen.

      – Nur zu gut weißt du es, falsche Zun­ge, sag­te Co­ril­la und blick­te ihn halb mit wol­lüs­ti­ger Zärt­lich­keit, halb mit Miss­trau­en an; dei­ne sü­ßen Wor­te höre ich, aber mein Ver­stand warnt mich noch vor dir. Ich wet­te, dass die­se Con­sue­lo schön wie eine Göt­tin ist, wie­wohl man mir das Ge­gen­teil ver­si­chert hat, und dass sie al­ler­dings Ver­dienst be­sitzt, in ei­nem ge­wis­sen, von dem mei­ni­gen ganz ab­wei­chen­den Gen­re, da Por­po­ra, des­sen Stren­ge ich recht gut ken­ne, sie so mäch­tig an­preist.

      – Sie ken­nen Por­po­ra? Nun, dann wis­sen Sie, wie bi­zarr er ist, wie toll, muss man sa­gen. Er hasst alle Ori­gi­na­li­tät an den an­de­ren, und al­les Neue in der Kunst des Ge­san­ges; wenn eine klei­ne Schü­le­rin ihm an­däch­tig je­des Wort aus dem Mun­de nimmt, und sei­nen pe­dan­ti­schen An­wei­sun­gen skla­visch folgt, so ist er der Mann, der die­ses Ding, das eine Ska­la rich­tig sin­gen kann, über alle Wun­der er­hebt, wel­che das Pub­li­kum ver­göt­tert. Seit wann ma­chen Ih­nen denn die Schrul­len die­ses al­ten Nar­ren Kopf­weh?

      – Sie ist also ta­lent­los?

      – Sie hat eine schö­ne Stim­me und singt in der Kir­che wie es sich ge­hört; aber sie kann von dem Thea­ter nichts ver­ste­hen; von ei­ner Kraft, wie sie sie auf der Büh­ne ent­wi­ckeln müss­te, kann we­gen der läh­men­den Angst, worin sie sich be­fin­det, nicht die Rede sein, und ich fürch­te sehr, dass das Bi­schen was der Him­mel ihr an Mit­teln ge­schenkt hat, ihr im ent­schei­den­den Au­gen­bli­cke ver­sa­gen wird.

      – Furcht hät­te sie? Man hat mir im Ge­gen­teil ge­sagt, dass sie eine sel­te­ne Un­ver­schämt­heit be­sä­ße.

      – Ar­mes Mäd­chen! Ach! man will ihr also durch­aus et­was an­hän­gen? Sie wer­den sie hö­ren,