Formen ihres Körpers nieder; und so in einem rosigen Zwielichte lag sie, das Köpfchen gesenkt, wie eine Blume, wenn der Abend naht, die Schultern überflutet von ihrem schönen Haar, das dunkel von der weißen, glanzlosen Haut abstach, die Hände auf der Brust gefaltet, wie aus weißem Marmor eine Heilige auf ihrem Grabmal, so keusch und engellieblich, dass Anzoleto still ausrief: Ach, Graf Zustiniani! könntest du sie doch in diesem Augenblicke sehen, und mich bei ihr, den vorsichtigen, wachsamen Hüter eines Schatzes, nach welchem es dich umsonst gelüsten wird.
In eben diesem Augenblicke ließ sich außen ein leises Geräusch vernehmen. Anzoleto erkannte das Klatschen des Wassers gegen den Mauersockel unter Consuelo’s Zimmer. Selten nur legten Gondeln bei der armseligen Corte-Minelli an, und überdies hielt ein Dämon Anzoleto’s Ahnungskraft wach: er stieg auf einen Stuhl und konnte so ein kleines Giebelfenster erreichen, welches dicht am Plafond, auf die Seite wo das Haus am Canaletto lag, hinausging. Er sah deutlich, wie Graf Zustiniani aus seiner Barke stieg und die balbnackten Kinder befragte, die am Ufer spielten. Er war in Zweifel, ob er seine Freundin wecken, oder die Tür verschlossen halten sollte. Aber während der Graf zehn Minuten damit verlor, Consuelo’s Mansarde zu erfragen und aufzusuchen, hatte Anzoleto Zeit, eine teuflische Kaltblütigkeit anzulegen, die Tür ein wenig zu öffnen, sodass man ungehindert und geräuschlos eintreten konnte, und sich an das Tischchen zu setzen, wo er eine Feder ergriff, und tat, als ob er Noten schriebe. Sein Herz schlug heftig, aber sein Gesicht war ruhig und undurchdringlich.
Der Graf trat ein, auf den Zehenspitzen, denn er machte sich ein neugieriges Vergnügen daraus, seinen Schützling zu überraschen, und freute sich auf den Anstrich von Armseligkeit, den er finden würde, und den er für vorzüglich geschickt hielt, seinen verderblichen Plan zu begünstigen. Er hatte Consuelo’s Engagement, seinerseits bereits vollzogen, bei sich, und mit einem solchen Passe hoffte er, nicht gar zu wild und scheu empfangen zu werden. Beim ersten Blicke jedoch in dieses eigene Heiligtum, wo ein anbetungswürdiges Mädchen in englischer Ruhe schlief, unter den Augen ihres rücksichtsvollen oder befriedigten Liebhabers, verlor der arme Zustiniani seine Fassung, verwickelte sich in seinem Mantel, welchen er in gebieterischen Falten über die Schulter geworfen trug und schwankte dreimal hin und wieder zwischen dem Bette und dem Tischchen, ungewiss, an wen er sich wenden sollte. Anzoleto war für den Auftritt gestern Abend beim Einsteigen in die Gondel gerächt.
– Mein Herr und Gebieter! rief er endlich aus, indem er mit geheucheltem Erstaunen über diesen unverhofften Besuch sich erhob; ich will meine … Braut wecken.
– Nein, entgegnete der Graf, schon wieder gesammelt, und kehrte ihm den Rücken zu, als ob er nur Consuelo gemächlicher betrachten wollte. Ich preise mich glücklich, sie so zu sehen. Ich verbiete dir, sie zu wecken.
Ja, ja, betrachte sie recht, dachte Anzoleto; es ist alles was ich wünschte.
Consuelo erwachte nicht, und der Graf drückte, mit angenommener Freundlichkeit und lächelnder Miene, seine Bewunderung ohne Zwang aus.
– Du hattest recht, Zoto, sagte er gelassen, Consuelo ist die erste Sängerin Italiens, und ich habe mit Unrecht daran gezweifelt, dass sie das schönste Weib der Erde sei. …
– Ew. Herrlichkeit fand sie indessen abscheulich, wendete Anzoleto boshaft ein.
– Und du hast ihr ohne Zweifel meine Grobheiten haarklein wiedererzählt? Ich habe mir aber vorgenommen, alles so vollständig wieder gut zu machen, dass ich mir wol Verzeihung auswirken und es dir unmöglich machen werde, durch Auffrischung meines Unrechts mir zu schaden.
– Ihnen zu schaden, teurer Herr! O, wie vermöchte ich das, selbst wenn ich wollte?
Consuelo bewegte sich ein wenig.
– Wir wollen sie nicht erschrecken, wenn sie aufwacht, sagte der Graf; räume mir doch den Tisch ab; ich will den Kontrakt für sie darauf legen, und ihn noch einmal überlesen. Da, setzte er hinzu, nachdem Anzoleto sein Geheiß befolgt hatte, du kannst dies Papier durchlaufen, während sie noch schläft.
– Einen Kontrakt vor dem Debüt! Das ist ja herrlich, mein edler Patron! und dann sogleich das Debüt? Noch ehe das Engagement der Corilla abgelaufen ist?
– Das soll mich nicht hindern. Es ist ein Reugeld von tausend Zechinen ausgemacht: wir werden zahlen; schönes Geschäft!
– Aber wenn die Corilla Cabalen anzettelt?
– Wir lassen sie unter die Bleidächer setzen, wenn sie Cabalen macht.
– Gott sei Dank! Ew. Herrlichkeit kennt keine Hindernisse.
– Allerdings, Zoto, antwortete der Graf barsch, so ist unsere Art; was wir wollen, das wollen wir, und aller Welt zum Trotze.
– Dieselben Bedingungen, welche die Corilla gehabt hat? Für eine Debütantin ohne Namen, ohne Ruf, dieselben Bedingungen wie für eine berühmte Sängerin, die vom Publicum vergöttert ist?
– Die neue Sängerin wird noch mehr vergöttert werden; und wenn ihr die Bedingungen der alten nicht anstehen, so braucht sie nur ein Wort zusagen und ich bewillige ihr das Doppelte. Es hängt ganz von ihr ab, fügte er etwas lauter hinzu, da er bemerkte dass Consuelo wach wurde, ihr Schicksal liegt ganz in ihren Händen.
Consuelo hatte das alles im halben Schlafe gehört. Nachdem sie sich die Augen gerieben, und sich überzeugt hatte, dass sie nicht träumte, schlüpfte sie, ohne sich die Seltsamkeit ihrer Lage einfallen zu lassen, in ihren Bettgang, steckte ihr Haar auf, unbesorgt um die Unordnung, in der es sich befand, hüllte sich in ihre Mantille und eilte, sich mit unbefangener Vertraulichkeit in das Gespräch zu mischen.
Herr Graf, sagte sie, das ist zu viel Güte, aber ich werde nicht so unverschämt sein, Gebrauch davon zu machen. Ich will diese Schrift nicht unterzeichnen, bevor ich nicht meine Kräfte vor dem Publicum versucht habe: es wäre nicht delicat von mir. Ich kann missfallen, kann Fiasco machen, kann ausgezischt werden. Wenn ich an dem Tage heiser wäre, oder die Besinnung verlöre, oder recht hässlich aussähe, so hätten Sie Ihr Wort gegeben, Sie würden zu stolz sein, es zurückzunehmen, und ich zu stolz, es zu missbrauchen …
– Hässlich aussehen, Consuelo! rief der Graf, indem er sie mit entflammten Blicken ansah; Sie hässlich? Da, sehen Sie sich selbst, wie Sie da sind! Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu ihrem Spiegel.
Anzoleto wollte schon mit den Zähnen knirschen, als er den Graf so zudringlich