George Sand

Gesammelte Werke


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For­men ih­res Kör­pers nie­der; und so in ei­nem ro­si­gen Zwie­lich­te lag sie, das Köpf­chen ge­senkt, wie eine Blu­me, wenn der Abend naht, die Schul­tern über­flu­tet von ih­rem schö­nen Haar, das dun­kel von der wei­ßen, glanz­lo­sen Haut ab­stach, die Hän­de auf der Brust ge­fal­tet, wie aus weißem Mar­mor eine Hei­li­ge auf ih­rem Grab­mal, so keusch und en­gel­lieb­lich, dass An­zo­le­to still aus­rief: Ach, Graf Zus­ti­nia­ni! könn­test du sie doch in die­sem Au­gen­bli­cke se­hen, und mich bei ihr, den vor­sich­ti­gen, wach­sa­men Hü­ter ei­nes Schat­zes, nach wel­chem es dich um­sonst ge­lüs­ten wird.

      In eben die­sem Au­gen­bli­cke ließ sich au­ßen ein lei­ses Geräusch ver­neh­men. An­zo­le­to er­kann­te das Klat­schen des Was­sers ge­gen den Mau­er­so­ckel un­ter Con­sue­lo’s Zim­mer. Sel­ten nur leg­ten Gon­deln bei der arm­se­li­gen Cor­te-Mi­nel­li an, und über­dies hielt ein Dä­mon An­zo­le­to’s Ah­nungs­kraft wach: er stieg auf einen Stuhl und konn­te so ein klei­nes Gie­bel­fens­ter er­rei­chen, wel­ches dicht am Pla­fond, auf die Sei­te wo das Haus am Cana­let­to lag, hin­aus­ging. Er sah deut­lich, wie Graf Zus­ti­nia­ni aus sei­ner Bar­ke stieg und die balb­nack­ten Kin­der be­frag­te, die am Ufer spiel­ten. Er war in Zwei­fel, ob er sei­ne Freun­din we­cken, oder die Tür ver­schlos­sen hal­ten soll­te. Aber wäh­rend der Graf zehn Mi­nu­ten da­mit ver­lor, Con­sue­lo’s Man­sar­de zu er­fra­gen und auf­zu­su­chen, hat­te An­zo­le­to Zeit, eine teuf­li­sche Kalt­blü­tig­keit an­zu­le­gen, die Tür ein we­nig zu öff­nen, so­dass man un­ge­hin­dert und ge­räusch­los ein­tre­ten konn­te, und sich an das Tisch­chen zu set­zen, wo er eine Fe­der er­griff, und tat, als ob er No­ten schrie­be. Sein Herz schlug hef­tig, aber sein Ge­sicht war ru­hig und un­durch­dring­lich.

      Der Graf trat ein, auf den Ze­hen­spit­zen, denn er mach­te sich ein neu­gie­ri­ges Ver­gnü­gen dar­aus, sei­nen Schütz­ling zu über­ra­schen, und freu­te sich auf den An­strich von Arm­se­lig­keit, den er fin­den wür­de, und den er für vor­züg­lich ge­schickt hielt, sei­nen ver­derb­li­chen Plan zu be­güns­ti­gen. Er hat­te Con­sue­lo’s En­ga­ge­ment, sei­ner­seits be­reits voll­zo­gen, bei sich, und mit ei­nem sol­chen Pas­se hoff­te er, nicht gar zu wild und scheu emp­fan­gen zu wer­den. Beim ers­ten Bli­cke je­doch in die­ses ei­ge­ne Hei­lig­tum, wo ein an­be­tungs­wür­di­ges Mäd­chen in eng­li­scher Ruhe schlief, un­ter den Au­gen ih­res rück­sichts­vol­len oder be­frie­dig­ten Lieb­ha­bers, ver­lor der arme Zus­ti­nia­ni sei­ne Fas­sung, ver­wi­ckel­te sich in sei­nem Man­tel, wel­chen er in ge­bie­te­ri­schen Fal­ten über die Schul­ter ge­wor­fen trug und schwank­te drei­mal hin und wie­der zwi­schen dem Bet­te und dem Tisch­chen, un­ge­wiss, an wen er sich wen­den soll­te. An­zo­le­to war für den Auf­tritt ges­tern Abend beim Ein­stei­gen in die Gon­del ge­rächt.

      – Mein Herr und Ge­bie­ter! rief er end­lich aus, in­dem er mit ge­heu­chel­tem Er­stau­nen über die­sen un­ver­hoff­ten Be­such sich er­hob; ich will mei­ne … Braut we­cken.

      – Nein, ent­geg­ne­te der Graf, schon wie­der ge­sam­melt, und kehr­te ihm den Rücken zu, als ob er nur Con­sue­lo ge­mäch­li­cher be­trach­ten woll­te. Ich prei­se mich glück­lich, sie so zu se­hen. Ich ver­bie­te dir, sie zu we­cken.

      Ja, ja, be­trach­te sie recht, dach­te An­zo­le­to; es ist al­les was ich wünsch­te.

      Con­sue­lo er­wach­te nicht, und der Graf drück­te, mit an­ge­nom­me­ner Freund­lich­keit und lä­cheln­der Mie­ne, sei­ne Be­wun­de­rung ohne Zwang aus.

      – Du hat­test recht, Zoto, sag­te er ge­las­sen, Con­sue­lo ist die ers­te Sän­ge­rin Ita­li­ens, und ich habe mit Un­recht dar­an ge­zwei­felt, dass sie das schöns­te Weib der Erde sei. …

      – Ew. Herr­lich­keit fand sie in­des­sen ab­scheu­lich, wen­de­te An­zo­le­to bos­haft ein.

      – Und du hast ihr ohne Zwei­fel mei­ne Grob­hei­ten haarklein wie­der­er­zählt? Ich habe mir aber vor­ge­nom­men, al­les so voll­stän­dig wie­der gut zu ma­chen, dass ich mir wol Ver­zei­hung aus­wir­ken und es dir un­mög­lich ma­chen wer­de, durch Auf­fri­schung mei­nes Un­rechts mir zu scha­den.

      – Ih­nen zu scha­den, teu­rer Herr! O, wie ver­möch­te ich das, selbst wenn ich woll­te?

      Con­sue­lo be­weg­te sich ein we­nig.

      – Wir wol­len sie nicht er­schre­cken, wenn sie auf­wacht, sag­te der Graf; räu­me mir doch den Tisch ab; ich will den Kon­trakt für sie dar­auf le­gen, und ihn noch ein­mal über­le­sen. Da, setz­te er hin­zu, nach­dem An­zo­le­to sein Ge­heiß be­folgt hat­te, du kannst dies Pa­pier durch­lau­fen, wäh­rend sie noch schläft.

      – Ei­nen Kon­trakt vor dem De­büt! Das ist ja herr­lich, mein ed­ler Pa­tron! und dann so­gleich das De­büt? Noch ehe das En­ga­ge­ment der Co­ril­la ab­ge­lau­fen ist?

      – Das soll mich nicht hin­dern. Es ist ein Reu­geld von tau­send Ze­chi­nen aus­ge­macht: wir wer­den zah­len; schö­nes Ge­schäft!

      – Aber wenn die Co­ril­la Ca­ba­len an­zet­telt?

      – Wir las­sen sie un­ter die Blei­dä­cher set­zen, wenn sie Ca­ba­len macht.

      – Gott sei Dank! Ew. Herr­lich­keit kennt kei­ne Hin­der­nis­se.

      – Al­ler­dings, Zoto, ant­wor­te­te der Graf barsch, so ist un­se­re Art; was wir wol­len, das wol­len wir, und al­ler Welt zum Trot­ze.

      – Die­sel­ben Be­din­gun­gen, wel­che die Co­ril­la ge­habt hat? Für eine De­bü­tan­tin ohne Na­men, ohne Ruf, die­sel­ben Be­din­gun­gen wie für eine be­rühm­te Sän­ge­rin, die vom Pub­li­cum ver­göt­tert ist?

      – Die neue Sän­ge­rin wird noch mehr ver­göt­tert wer­den; und wenn ihr die Be­din­gun­gen der al­ten nicht an­ste­hen, so braucht sie nur ein Wort zu­sa­gen und ich be­wil­li­ge ihr das Dop­pel­te. Es hängt ganz von ihr ab, füg­te er et­was lau­ter hin­zu, da er be­merk­te dass Con­sue­lo wach wur­de, ihr Schick­sal liegt ganz in ih­ren Hän­den.

      Con­sue­lo hat­te das al­les im hal­b­en Schla­fe ge­hört. Nach­dem sie sich die Au­gen ge­rie­ben, und sich über­zeugt hat­te, dass sie nicht träum­te, schlüpf­te sie, ohne sich die Selt­sam­keit ih­rer Lage ein­fal­len zu las­sen, in ih­ren Bett­gang, steck­te ihr Haar auf, un­be­sorgt um die Un­ord­nung, in der es sich be­fand, hüll­te sich in ihre Man­til­le und eil­te, sich mit un­be­fan­ge­ner Ver­trau­lich­keit in das Ge­spräch zu mi­schen.

      Herr Graf, sag­te sie, das ist zu viel Güte, aber ich wer­de nicht so un­ver­schämt sein, Ge­brauch da­von zu ma­chen. Ich will die­se Schrift nicht un­ter­zeich­nen, be­vor ich nicht mei­ne Kräf­te vor dem Pub­li­cum ver­sucht habe: es wäre nicht de­li­cat von mir. Ich kann miss­fal­len, kann Fias­co ma­chen, kann aus­ge­zischt wer­den. Wenn ich an dem Tage hei­ser wäre, oder die Be­sin­nung ver­lö­re, oder recht häss­lich aus­sä­he, so hät­ten Sie Ihr Wort ge­ge­ben, Sie wür­den zu stolz sein, es zu­rück­zu­neh­men, und ich zu stolz, es zu miss­brau­chen …

      – Häss­lich aus­se­hen, Con­sue­lo! rief der Graf, in­dem er sie mit ent­flamm­ten Bli­cken an­sah; Sie häss­lich? Da, se­hen Sie sich selbst, wie Sie da sind! Er nahm sie bei der Hand und führ­te sie zu ih­rem Spie­gel.

      An­zo­le­to woll­te schon mit den Zäh­nen knir­schen, als er den Graf so zu­dring­lich