Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Staffel 6 – Arztroman


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machen konnte. Im Blumenladen am Ende der Straße kaufte sie dann einen wundervollen Rosenstrauß, den sie geschmackvoll aufbinden ließ.

      Vom Restgeld Blumen für sich zu kaufen fand sie allzu verschwenderisch. Sie holte sich ein paar bunte Sommerblumen, das Restgeld wollte sie Herrn Franzen zurückgeben.

      Allerdings nahm Thorsten es nicht an, sondern drückte ihr die beiden Scheine in die Hand. »Es war für Sie gedacht«, meinte er dazu. »Und wenn Sie keine Blumen wollen, kaufen Sie sich was anderes dafür.«

      Bea zögerte, dann nahm sie das Geld zögernd an. »Aber nur, weil Sie so drängen«, sagte sie. »Ich hätte Ihnen den kleinen Gefallen auch so getan.«

      »Das weiß ich doch.« Thorsten richtete sich auf. »Wollen wir los?«

      »Klar.« Bea half ihm in den bereitgestellten Rollstuhl, und so fuhren sie über den Klinikflur hinüber auf die andere Station, wo Dr. Winter gerade aus dem Zimmer der jungen Susanne kam.

      Sie war körperlich wieder in recht guter Verfassung, und eben hatten sie besprochen, daß in drei Tagen der Spezialist nach Berlin kommen und den Tumor operieren würde.

      Susanne lag mit geschlossenen Augen im Bett, als es klopfte. Sie war sicher, daß der Arzt noch etwas vergessen hatte und schaute gar nicht zur Tür, als diese geöffnet wurde.

      »Guten Tag.« Beim Klang der fremden Männerstimme drehte sie dann doch den Kopf – und zuckte leicht zusammen. Das war er, der Mann, den sie in der Röntgenabteilung kurz gesehen hatte!

      »Guten Tag.« Sie sah überrascht von ihm zu der jungen Pflegerin, die den Rollstuhl dicht ans Bett schob.

      »Sie sind sicher überrascht über meinen Besuch.« Thorsten nahm die Rosen, die er auf dem Schoß gehalten hatte, und legte sie auf Susannes Bettdecke. »Ich hoffe, Sie mögen gelbe Rosen.«

      »Sehr sogar!« Sie lächelte ein wenig. »Wenn ich ehrlich sein soll, sind es sogar meine Lieblingsblumen.«

      »Dann freue ich mich um so mehr, Ihren Geschmack getroffen zu haben.« Er streckte die Hand aus. »Ich heiße Thorsten Franzen – wir haben uns schon mal flüchtig gesehen, erinnern Sie sich?«

      »Ja…« Susanne biß sich auf die Lippen. »Sie kamen gerade von einer CT, ich mußte in die Röhre.«

      »Stimmt. Ich hoffe, es geht Ihnen schon wieder besser.«

      Sie biß sich auf die Lippen – eine Geste, die Thorsten mehr sagte als Worte.

      Er beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. »Susanne… ich möchte Ihnen sagen, daß ich seit unserer ersten Begegnung viel an Sie gedacht habe. Ich… ich würde Sie gern wiedersehen – wenn wir beide wieder gesund sind.«

      Sie hatte so sehr versucht, tapfer zu sein, ihren Kummer, ihre Ängste allein zu bewältigen. Doch jetzt, da Thorsten so liebevoll zu ihr sprach, konnte Susanne die Tränen nicht länger zurückhalten.

      Betroffen sah der Mann sie an und versuchte, sich so weit wie möglich im Rollstuhl aufzurichten, um ihr tröstend die Hand zu streicheln. »Was hab’ ich denn Falsches gesagt?« fragte er dabei.

      Susanne schüttelte den Kopf. »Nichts. Gar nichts«, erwiderte sie leise. »Es ist nur… ich muß vielleicht… ich werde operiert und…« Sie biß sich auf die Lippen.

      »Es ist etwas Schlimmes, nicht wahr?« Thorsten spürte, daß er ganz ruhig wurde. Und dennoch klopfte sein Herz fast schmerzhaft gegen die Rippen. Aber er mußte jetzt stark sein. Er mußte Zuversicht ausstrahlen. »Glauben Sie mir, wenn Sie nur ein wenig Vertrauen haben, wird sich alles richten. Ich glaube ganz fest an die Kraft positiver Gedanken. Und ich… ich will, daß Sie eine Zukunft haben. Daß wir eine Zukunft haben«, fügte er leise hinzu.

      Susanne sah ihn aus tränenverschleierten Augen an. »Warum sagen Sie so etwas? Wir… wir kennen uns doch gar nicht.«

      Der Mann lächelte. »Ich denke, daß wir uns darauf freuen sollten, uns besser kennenzulernen. Sie müssen nur rasch gesund werden, dann steht uns die Welt offen.« Er nahm ihre Hand und zog sie an die Lippen. »Sie haben mich gleich sehr beeindruckt, Susanne. Und ich möchte gern, daß Sie wissen, daß Sie nicht mehr allein sind. Ich… ich bin immer für Sie da, wenn Sie möchten.«

      Ein kleiner Hoffnungsschimmer erhellte ihr Gesicht. »Danke«, flüsterte sie. »Danke für die Rosen – und für Ihre Worte, Thorsten. Es… es bedeutet mir sehr viel, daß Sie zu mir gekommen sind. Dabei war’s ja bestimmt nicht einfach. Sie sind auch schon länger hier in der Klinik, nicht wahr?«

      Er nickte, dann erzählte er von dem Unfall. Susanne berichtete von sich, von ihrer Krankheit – und die Zeit verging so schnell, daß sie beide ganz überrascht waren, als Dr. Roloff hereinkam und Susanne zu einer Untersuchung abholte.

      Sie verabredeten sich für den nächsten Tag, und Schwester Bea erzählte ihrer Kollegin Monika mit stolzem Lächeln: »Ich hab’ einen wundervollen neuen Nebenjob.«

      »Du? Aber das ist doch nicht erlaubt während der Ausbildung!« Bea lachte. »So was schon. Ich bin nämlich zurzeit als Liebesbote unterwegs. Und das ist ganz toll!«

      Natürlich mußte sie Näheres berichten, und von diesem Tag an nahm die ganze Schwesternschaft der Kurfürsten-Klinik lebhaft Anteil an der zarten Romanze zwischen Susanne und Thorsten.

      *

      »Und? Was meinst du? Kannst du operieren wie geplant?« Dr. Winter hatte seinen Freund Julian Franklin gleich vom Flughafen aus in die Klinik gefahren und zeigte ihm jetzt die Unterlagen seiner Sorgenpatientin.

      Der Neurologe studierte die neuesten Untersuchungsergebnisse sehr sorgfältig. »Das wird ein risikoreicher Eingriff«, meinte er dann. »Aber es ist die einzige Chance für die junge Frau. Wenn sich der Tumor weiterhin so schnell entwickelt, wenn er sich noch stärker in die Wirbelsäule einfrißt…« Er machte eine kleine resignierte Handbewegung. »Dann kann ihr niemand mehr helfen.«

      »Eben. Und deshalb ist Susanne Burgmer auch bereit, sich dir anzuvertrauen. Ich habe ihr alles schon genau erklärt, habe ihr klargemacht, daß die Chancen 50 zu 50 stehen. Und sie will den Eingriff. Sie will ihn unbedingt.«

      »Dann laß sie vorbereiten. Ich gehe nachher mal zu ihr und rede mit ihr, und wenn alles glattgeht, können wir morgen mittag operieren.«

      Dr. Franklin war darauf gefaßt, eine sehr deprimierte Patientin vorzufinden. Um so überraschter war er, als er Susanne mit einem kleinen Lächeln im Gesicht antraf. Neben ihrem Bett, in einem Rollstuhl, saß ein gutaussehender Mann von etwas mehr als dreißig Jahren. Er hatte ein paar Papiere vor sich liegen, und auch die Kranke im Bett blätterte in irgendwelchen Unterlagen. Alles in allem hatte Dr. Franklin nicht das Gefühl, eine Schwerkranke zu sehen, die mit ihrem Leben abgeschlossen hatte.

      »Sie sind gut drauf, stelle ich fest«, sagte er nach der Begrüßung. Er trat dicht an Susannes Bett und stellte sich vor.

      »Oh, dann will ich mich mal zurückziehen.« Thorsten nahm die Blätter wieder an sich. »Wir sehen uns später, Susanne.« Damit rollte er auf die Tür zu.

      Dr. Franklin öffnete sie für ihn und sah dem Mann kurz nach. »Sie beide sehen aus, als würden Sie irgendwelche Projekte hier durcharbeiten«, meinte er.

      Thorsten Franzen drehte sich kurz um. »Ich bin Architekt – und Frau Burgmer hat wunderbare Ideen, die mir helfen, auch im Bereich der Innenarchitektur Fuß zu fassen«, erklärte er. »Wir haben ja schließlich nur ein paar kaputte Knochen – im Kopf ist noch alles heil.«

      Dr. Franklin lachte. »Arbeit hab’ ich schon immer für eine sehr gute Therapie gehalten. Dann will ich mal zusehen, daß die junge Dame bald noch besser einsatzfähig ist.« Er nickte Thorsten zu.

      Während der junge Architekt zurück in sein Zimmer rollte, wandte sich Susanne an den fremden Arzt. »Sie sind… Sie werden mich also operieren.« Ihr Gesicht war jetzt ganz ernst, wirkte angespannt.

      Der Neurologe nickte. »Ich habe mit meinem Freund Adrian Winter Ihren Fall genau durchgesprochen – es