zustande gebracht!«
»Was, was?«
»Den Fackelzug und die Stadtmusik und die Deputation aus dem Pfau und die Reden und die Abbitte des Onkel Schnödler samt dem dreimaligen Tusch und Vivat. Es war gelungen, ungemein gelungen, und der Vetter Wassertreter durfte sich wohl die Hände reiben, wenn der Alte mir nicht zum Schluss, als alles in schönster Ordnung war, diesen Streich gespielt hätte. Ich traute ihm zwar vieles zu, aber das nicht!«
Ein großes Licht ging dem Afrikaner auf; von neuem betrachtete er kopfschüttelnd das verrunzelte, verkniffene Gesicht auf dem Kopfkissen, unterbrach jedoch durch keine weitere Bemerkung den betrübten Vetter, und dieser fuhr im kläglichsten Tone fort:
»Wie habe ich fast seit deinem Fortgehen von Nippenburg gearbeitet, intrigiert und gewühlt! Kein Maulwurf auf zwanzig Meilen in der Runde hätte seine Sache besser gemacht. Welche Hebel habe ich in Bewegung gesetzt! Ganz Nippenburg hat mir helfen müssen, ohne es zu ahnen. Die Menschheit hat in mir einen ihrer größten Triumphe gefeiert. Ein Kunstwerk, ein wahres, richtiges Kunstwerk; das lasse ich mir auch in dieser Stunde noch nicht nehmen! Und eines seligen Todes ist er auch verblichen, das ist mein zweiter Trost, Leonhard, und wenn ich wüsste, wie jener alte Grieche hieß, dem man zurief: Stirb, du hast nichts mehr zu wünschen, so würde ich dir ein recht passendes Zitat zu kosten geben. Ach, liebster Herrgott, auf dem Markte in Nippenburg formieren wir uns vorgestern bei einbrechender Dämmerung, wie ich es dir versprach – sämtliche Honoratioren, die Schützengilde, der Gesangverein und natürlich alles Volk, das abkommen kann, und du weißt, wir können alle abkommen in Nippenburg. Bedeckter Himmel, windstilles, recht angenehmes Wetter, sämtliche holde Weiblichkeit an den Fenstern, in den Haustüren oder die Häuser entlang! Banner und Fahnen, kurz, alles, was dazu gehört! Jedermann sein eigener Fackelträger, jeder Nippenburger Philister mit seinem eigenen Lichte – – wundervoll!
O Leonhard, es ist kein Unterschied zwischen den Gefühlen Manzonis in der Ode über den fünften Mai, welche ich aus der Übersetzung meines Goethe kenne, den ich von hinten kenne, und meinen eigenen Gefühlen in betreff deines Vaters! Da liegt er still und stumm, er, um den vor so kurzer Zeit noch eine so große Bewegung stattfand! – Wir sendeten drei auserwählte Männer zu der Tante Schnödler, nämlich den Bürgermeister, den Kreisdirektor und den Steuerrat, und ließen ihn holen, nämlich den Onkel Schnödler, und führten ihn dicht hinter der Musik nach Bumsdorf. Und die Musik hatte auf meine spezielle Rekommandation den Einzugsmarsch aus dem Tannhäuser für die große Gelegenheit einstudiert; aber sie brachte ihn leider nicht zustande, sondern brach schon an der nächsten Ecke damit zusammen und fiel natürlich wieder in die alte Leier: Heil dir im Siegeskranze, Freut euch des Lebens, Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben, und sonstige Angewohnheiten. Einerlei, es ging doch; am Tor wurden die Fackeln angezündet, und wir marschierten mit polizeilicher Erlaubnis für den Ulk nach Bumsdorf, immer mit dem Blech und der großen Pauke voran und dem Onkel Schnödler zwischen mir und dem Steuerrat, hinter den Stadtmusikanten, doch vor dem Liederkranz. Das Dorf ist selbstverständlich bereits auf den Beinen und läuft uns mit Hurra entgegen oder erwartet uns an den ersten Düngerhaufen mit atemloser Spannung. Mit Knecht und Magd und allem, was sein ist, und ebenfalls mit Fackeln rückt der Ritter von Bumsdorf, welchem ich die nötige Instruktion zukommen ließ, aus und dem Alten vors Haus, wo wir in demselben Augenblick unter der Melodie: Wir winden dir den Jungfernkranz, anlangen und mit einem großartigen: Vivat Hagebucher! Es lebe der Herr Steuerinspektor Hagebucher! unsere Gegenwart ankündigen und den Zweck unseres Besuchs eröffnen. Ach, Leonhard, Leonhard, der schlaueste Diplomat geht immer nur so lange zu Wasser, bis er bricht, der feinste Plan hat gewöhnlich doch eine schwache Stelle, an welcher der Erfinder die Schuld trägt und die sich bei besserer Überlegung auch wohl hätte vermeiden lassen. Weshalb instruierte ich dich, mein Junge, nicht wie den Ritter Bumsdorf? Weshalb nahm ich dich nicht mit herüber, dass du zur rechten Zeit hervortreten, die Exaltation zum Abschluss bringen und das benötigte kalte Wasser aufschütten konntest?! Ich kannte doch den Alten lange genug, um zu wissen, dass dein persönliches Erscheinen allem Übermaß der Gefühle den richtigen Dämpfer aufgesetzt hätte, und nie, nie werde ich es mir verzeihen, dass ich nicht daran dachte im Hotel de Prusse. – Nun stehen wir im Kreise um die Haustüre, sämtliche Hauptpersonen voran. Und der Garten ist voll, und die Landstraße ist voll von Menschen und Fackeln, und die Liedertafel hat zuerst das Wort und singt den Gefeierten an:
Wir kommen ihn holen,
Den bie – de – ren Mann,
Den Nippenburg, ganz Nippenburg
Nicht länger missen kann –
und so weiter; der Text liegt bei mir zu Hause, und ich bin verantwortlich für ihn, aber nicht für die Melodie, an welcher der Kantor Tüte von der Hauptkirche schuld ist. Tusch und Rede des Bürgermeisters, welcher sagt, dass wir hier sind im Namen der Stadt und der Gesellschaft im Goldenen Pfau und dass wir es uns zur Ehre anrechnen, hierzusein, worauf er auf die Nase fällt, wie die Musik mit meinem Tannhäusermarsch, und ich mit dem Onkel Schnödler für ihn eintrete. Ich mit dem Onkel Schnödler! Ich als Redner und Opferpriester und der Onkel als bekränztes Opfervieh. Vetter, spreche ich, Vetter, hier sind wir, aber nicht allein im Namen der Stadt Nippenburg und des Goldenen Pfaus, sondern auch im Namen der ewigen Gerechtigkeit, und hier bringe ich das Lamm, welches so unverschämt und hinterlistig den Bach trübte. Sagen Sie ein Wort, Schnödler, oder nein, sagen Sie kein Wort, sondern lassen Sie mich reden, denn jeder weiß schon, was für ein loses Maul Sie haben. Vetter Hagebucher, mit Flöten und Fackeln, mit Pauken und Posaunen legen wir den Onkel und uns Euch zu Füßen und befehlen ihn Eurer grimmigsten Rache, uns aber Eurem innigsten Wohlwollen sowie Eurer klarsten Überlegung. Sie sehen, Vetter Steuerinspektor, wie viel Ihren besten Mitbürgern an Ihnen gelegen ist, lassen Sie also auch Ihnen an uns gelegen sein und kommen Sie wieder in den Pfau. Soeben kehre ich aus der Residenz zurück; o wären Sie mit mir gegangen, Vetter, Sie hätten erfahren können, wie man Ihren Jungen in der großen Welt schätzt und ehrt. Fragen Sie nur den Ritter Bumsdorf, ob es nicht wahr ist! Schönheit und Adel, Reichtum und Bildung, alles bezahlte seinen Gulden Eintrittsgeld, um ihn zu sehen, zu hören und sich über ihn zu verwundern. Er ist doch ein Stolz für Sie und Nippenburg, und er ist es umso mehr, je mehr man ihn verkannte! Allen Sündern sei vergeben, Vetter Hagebucher, hier haben Sie den Onkel Schnödler, nehmen Sie ihn hin, nehmen Sie uns alle hin – einen Kuss der ganzen Welt – das festliche Mahl, das Mahl der Versöhnung wartet im Pfau, mit offenen Armen wartet der Ehrensessel – Hagebucher, Hagebucher senior,