zuerst den Namen seiner Mutter vernommen und wie er ihre Bekanntschaft gemacht habe, und gern berichtete Leonhard, wie es von ihm verlangt wurde. Er suchte den reuig-zornigen Sohn, den wilden Schwächling zu beruhigen und ihn in jeder Weise besser auf dieses seltsam-traurige Wiedersehen vorzubereiten; aber der Herr van der Mook war ein zu ausgelernter Selbstpeiniger, um sich so schnell zu geben. Als der Wagen sich seinem Ziele näherte, sank er jedoch vollständig in sich zusammen, und nie hatte die Madam Kulla Gulla ihren Gefangenen so weich und gebrochen unter ihren Händen gespürt, als jetzt Leonhard den Tierhändler in den seinigen fühlte. Es war ein furchtbarer Passionsweg für den Sohn der Frau Klaudine, und er tat Buße nach seiner Art auf jeglicher Station desselben.
Sie erreichten die Stelle, an welcher Viktor die Mutter in jenem Schneesturm verließ, um die Hilfe des Vetters Wassertreter und seiner Myrmidonen anzurufen. Sie ließen auch heute halten und stiegen aus dem Wagen, welchen sie jetzt zurücksendeten. Fieberschauernd stand der Herr van der Mook auf der Landstraße und hielt den Arm seines Begleiters oder vielmehr Führers wie ein Kind die Schürze der Mutter. Zerrissenes Gewölk hing in den Wipfeln der Bäume, schwere, dunkle Massen des Regennebels wälzten sich langsam an den Berglehnen hin, es träufelte aus den Zweigen, und es war still und öde ringsumher.
Gegen vier Uhr am Nachmittag erreichten die beiden Wanderer den schon geschilderten Eingang in das kleine Seitental, in welchem die Katzenmühle lag. In dem Walde selbst herrschte bereits halbe Dämmerung –
»Bist du bereit?
Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben!«
Sie standen vor der Mühle, standen und starrten, und ihre Herzen schlugen wie in keiner Gefahr ihres abenteuerlichen, gefahrenreichen Lebens.
Ach, wie sehr gehörte das frischeste Grün des Jahres dazu, um eine solche Stelle dem Auge und der Fantasie lieblich zu machen! Heute war der Zauber gebrochen und der Schleier von den Dingen gefallen, das Märchen war zu Ende, und die Wirklichkeit drängte sich nackt und nüchtern vor und schrie laut zu dem Herzen und dem Verstande. Der Felsen drohte kahl und kalt über dem zerfallenden Dache der Hütte; die Katzenmühle war nichts anderes als eine gespenstische, verwahrloste Ruine, und der dünne Rauch ihres Schornsteins stieg gleich der leisen Klage eines Bettlers zum Himmel empor.
Wo waren die blinkenden, spielenden Tropfen, die mit heimlichem Klang so süß die Stunden maßen und so viel von einer seligen erfüllungsreichen Zukunft zu erzählen wussten? Ein trüber Strom schmutzigen Wassers ergoss sich über das schwarze, zerbrochene Rad, versumpfte den Weg und verwandelte das Gehölz auf eine weite Strecke in einen hässlichen Morast. Auch das war wie Spott und Hohn.
»Jetzt habt ihr unser wahres, echtes Gesicht!« rief alles in der Runde. »Waret ihr solche Narren zu glauben, wir seien anders als ihr, so lachen wir eurer und freuen uns eurer Narrheit: wir sind ebenso falsch und so hässlich als ihr und tragen unsere Feiergewänder und unsere feinen Mienen wie ihr. Fort mit euch, zurück! Ihr eitlen, selbstsüchtigen Gefühlskrämer, was wir auch sein mögen, wir sind gute Wächter und wollen euer Eindringen in unsern Bezirk nicht leiden.«
Einen tiefen Schauder hatte Leonhard zu überwinden, als er über diesen hastigen, sprudelnden Bach, der jetzt seinen Weg kreuzte, sprang. Der Herr van der Mook warf den Hut zu Boden und zerbiss die Lippen, dass sie bluteten, während Hagebucher an die Tür der Mühle pochte; er drückte sich unwillkürlich gegen den Stamm der Eiche, neben welcher er stand, und murmelte unzusammenhängende Worte der schrecklichsten Selbstanklage, und dann lachte er, aber das war noch schrecklicher und fand kein Echo im Walde.
Des Hundes wohlbekannte, raue, ehrliche Stimme antwortete zuerst dem anklopfenden Leonhard; dann blickte die Magd Christine vorsichtig durch das Fenster, zog aber schnell den Kopf zurück und kam eiligst, die Tür zu öffnen und den unerwarteten Gast zu ihrer Herrin zu führen.
»O Herr Hagebucher, da sind Sie schon?! Ach, es tut uns so sehr leid, und meine Madam sitzt in tiefer Betrübnis um Sie und die Mutter und Schwester zu Bumsdorf!« rief sie, indem sie jetzt auch die Stubentür öffnete. »Treten Sie nur ein und nehmen Sie es sich nicht allzusehr zu Herzen. – Madam, hier ist der Herr Leonhard schon.«
Und die Frau Klaudine, welche bereits, horchend auf den Tritt und die Stimme des Nahenden, das schöne, alte Gesicht von der Arbeit erhoben hatte, richtete sich jetzt ganz aus ihrem Sessel auf und streckte dem Eintretenden beide Hände entgegen:
»Leonhard, Leonhard, sind Sie es denn wirklich? So schnell kann die Nachricht des Unglücks fliegen? Gott tröste Sie, mein Freund; – aber Sie können nicht von dem Dorfe kommen, das ist unmöglich – wie führt Sie Ihr Weg jetzt zur Mühle?«
Das war ein eigentümlicher Gruß, und betroffen suchte Leonhard in den Mienen der Frau Klaudine nach einer näheren Erklärung.
»Noch lebt er, aber leider in großen Schmerzen. Der Herr von Bumsdorf ritt erst vor einer Stunde zu meiner Hütte und rief mir die traurige Botschaft ins Fenster, und nun treten Sie, mein armer Leonhard, da so plötzlich aus dem Walde – welch eine Unruhe, welch ein ängstliches Drängen, o Gott!«
»Was ist das?« stammelte Hagebucher. »Wer ist so sehr krank? Was für eine Nachricht hat der Herr von Bumsdorf gebracht?« Und die Frau Klaudine trat zurück und rief:
»Also hat nur der Zufall Sie heute hierhergeführt, und Sie wissen nichts von dem, was in Ihrem elterlichen Hause vorgeht?«
»Nichts, nichts!«
»Das ist das Leben! Immer die alten, harten Hände am Webstuhl! Ihr Vater ist seit gestern schwer erkrankt, Leonhard; es ist kaum eine Hoffnung, ihn zu erhalten, und der Vetter Wassertreter ist sehr betrübt und aufgeregt und soll meinen, es sei seine Schuld, dass dieses Unglück so plötzlich hereingebrochen sei.«
Einen Augenblick stand Leonhard Hagebucher betäubt, erschüttert, fassungslos, doch dieses konnte nicht dauern. Jetzt trafen zwei Strömungen in seiner Brust aufeinander, und daraus entstand wenigstens für den Moment die innerlichste Klarheit.
Er beugte sich nieder, und als die Madam Klaudine ihn nun auf die Stirn küsste, flüsterte er:
»Nicht der Zufall, gewiss nicht der Zufall! O Frau Klaudine, ich komme nicht allein, sondern bringe einen alten Bekannten mit mir. Er steht vor der Tür, er kniet vor der Tür, Frau Klaudine; ich aber wusste nicht, wie ich ihn einführen sollte, denn es erfordert ein starkes, tapferes Herz, die Begegnung zu tragen. Ich bringe den Herrn van der Mook, meinen Befreier aus der Gefangenschaft; er aber kannte bereits den Weg zu dieser Hütte. Sie