schon zwei Jeliebte jehabt.«
Einen Augenblick schauderte ihr. Aber dann sagte sie mutig: »Glaubst du denn, so ein Ingenieur oder Techniker hat je ausgelernt? Die müssen doch immer weiterlernen, auf der Hochschule oder in Abendkursen.«
»Weeß ick doch! Weeß ick doch allet! Det steht ja an de Litfasssäulen! Abendkurse für fortgeschrittene Elektrotechniker« – plötzlich sprach er ein ganz fehlerfreies Deutsch –, »die Grundlagen der Elektrotechnik.«
»Na also!«, rief Frau Eva. »Und du denkst, du bist zu alt für so was! Du willst nichts mehr lernen? Du willst dein Lebtag ein Penner bleiben, der den Winter über Gläser wäscht und Holz hackt? Das wird ja ein nettes Leben werden, viel Spaß wird dir das nicht machen!«
Er hatte die Augen jetzt wieder weit geöffnet und sah sie forschend, aber auch misstrauisch an.
»Du willst wohl, det ick bei meine Leute zurückmache und in Berlin zur Schule jeh? Oder willste mir in Fürsorge stecken?«
»Nichts von beiden. Ich will sehen, dass du bei mir bleiben kannst. Und dann will ich dich selber unterrichten, und ein Freund von mir.«
Er blieb misstrauisch. »Un wat vadienst du denn bei det Jeschäft? Ick würde dir doch ’ne Masse kosten, mit Essen un Kleider un Schulbücher und so weiter.«
»Ich weiß nicht, ob du das verstehen wirst, Kuno. Ich habe mal einen Mann und zwei Jungens gehabt, die habe ich verloren. Und nun bin ich ganz allein, nur den einen Freund habe ich noch!«
»Da kannste doch noch ’n Kind kriejen!«
Sie wurde rot, sie, die alternde Frau, errötete unter dem Blick des vierzehnjährigen Jungen.
»Nein, ich kann keine Kinder mehr kriegen«, sagte sie und sah ihn fest an. »Aber es würde mir Freude machen, wenn du noch etwas würdest, ein Autoingenieur oder ein Flugzeugkonstrukteur. Das würde mir Freude machen, dass ich aus so einem Jungen, wie du bist, noch etwas gemacht habe.«
»Du denkst woll, ick bin een janz jemeenet Aas?«
»Das weißt du doch selbst, dass jetzt nicht viel mit dir los ist, Kuno!«
»Da haste recht. Det muss wahr sind!«
»Und du hast keine Lust, was anderes zu werden?«
»Lust schon, aba …«
»Aber was? Möchtest du nicht zu mir kommen?«
»Möchten schon, aba …«
»Was ist das noch für ein Aber?«
»Ick denk imma, du krichst mir schnell üba, und fortschicken lass ick mir nich jerne, ick jeh lieba von alleene.«
»Du kannst jeden Tag von mir fortgehen, ich werde dich nie halten.«
»Is det ein Wort?«
»Das ist ein Wort, ich verspreche es dir, Kuno. Bei mir bist du ganz frei.«
»Aba, wenn ick bei dir bin, denn muss ick richtich jemeldet wern, und denn wissen’s ooch meine Ollen, wo ick bin. Die lassen mir nich eenen Tach bei dir.«
»Wenn das so aussieht bei euch zu Haus, wie du erzählt hast, wird dich keiner zwingen zurückzugehen. Vielleicht werden mir dann die Rechte übertragen, und du bist ganz mein Junge …«
Einen Augenblick sahen sich die beiden an. Sie meinte, in diesem blauen gleichgültigen Blick einen fernen Glanz zu entdecken. Aber dann sagte er – und legte den Kopf auf den Arm, schloss die Augen: »Na, denn schön. Denn will ick ma ’n bissken schlafen. Jeh du man wieder bei deine Kartoffeln!«
»Aber, Kuno« rief sie. »Du musst mir doch wenigstens eine Antwort auf meine Frage geben!«
»Muss ick?«, fragte er sehr schläfrig. »Keen Mensch muss müssen.«
Sie sah ein Weilchen zweifelnd auf ihn herab. Dann ging sie mit einem leichten Lächeln wieder an ihre Arbeit.
Sie hackte, aber jetzt hackte sie ganz gedankenlos. Zwei Mal ertappte sie sich dabei, dass sie eine Kartoffel umgelegt hatte. Pass doch auf, Eva!, sagte sie dann ärgerlich zu sich selbst.
Aber viel besser passte sie darum doch nicht auf. Sondern sie dachte daran, dass es vielleicht besser sei, wenn es mit diesem verkommenen Jungen und ihr nichts würde. Wie viel Liebe und Arbeit hatte sie in den Karlemann gesteckt, der ein unverdorbenes Kind gewesen war – und was war aus Liebe und Arbeit geworden? Und sie wollte einen vierzehnjährigen Bengel, der das ganze Leben und alle Menschen verachtete, noch einmal völlig umändern? Was hatte sie sich da eingebildet? Außerdem würde Kienschäper nie damit einverstanden sein …
Sie sah sich nach dem Schläfer um. Aber der Schläfer war nicht mehr da, allein lagen ihre Sachen im Schatten des Waldrandes.
Also gut!, dachte sie bei sich. Er hat mir schon jede Entscheidung abgenommen. Ausgerissen! Umso besser!
Und sie hackte zornig drauflos.
Aber einen Augenblick später entdeckte sie Kuno-Dieter auf dem anderen Ende des Kartoffelackers, wie er fleißig Unkraut ausriss und die Bündel am Feldrand aufschichtete. Sie stieg über die Furchen fort zu ihm hin.
»Schon ausgeschlafen?«, fragte sie.
»Kann nich schlafen«, sagte er. »Mir haste den Kopp dusslig jeredt. Muss nachdenken.«
»Denn tu das man! Aber denk nicht, dass du meinetwegen arbeiten musst.«
»Deinetwegen!« So viel Verachtung, wie er in dieses eine Wort legte, war gar nicht auszudenken. »Ick reiß Unkraut aus, weil sich’s dabei besser nachdenkt und weil’s mir eben Spaß macht. Wahrhaftig! Wejen dir! Für die paar Sechserstullen meenste?«
Wieder ging Frau Eva Kluge mit einem stillen Lächeln an ihre Arbeit zurück. Und er tat es doch ihretwegen, wenn er es auch nicht einmal vor sich selbst wahrhaben wollte. Jetzt hatte sie keinen Zweifel mehr, dass er mittags mit ihr gehen würde, und davor verloren alle mahnenden und warnenden Stimmen, die in ihr laut geworden waren, an Gewicht.
Früher als sonst machte sie Schluss mit der Arbeit. Sie ging wieder zu dem Jungen zurück und sagte zu ihm: »Ich mach jetzt Mittag. Wenn du willst, Kuno, kannst du mit mir kommen.«
Er riss noch ein paar Unkräuter aus und sah dann auf das gesäuberte Stück. »’ne janz schöne Ecke ha’ck jeschafft«, sagte er befriedigt. »Natürlich ha’ck nur det jrobe Unkraut jenomm, for det kleene musste noch mal mit de Hacke langjehn, det schafft denn aba mehr.«
»Natürlich«, sagte sie. »Nimm du nur das grobe Unkraut weg, mit dem kleinen will ich schon fertig werden.«
Er sah sie wieder von der Seite an, und sie merkte, dass diese blauen Augen auch schelmisch blicken konnten.
»Det soll woll ’ne Anspielung sind?«, erkundigte er sich.
»Wie