des Schlafzimmers auf. Aber Silber – ja, Silber hatten wir. Schönes, schweres, altes Tafelsilber, ein Gelegenheitskauf auf einer Auktion. Im Koffer war noch Platz genug …
Ich trank schnell und viel, ich trank die ganze Flasche auf einmal leer. Es war noch gut ein Drittel in ihr gewesen. Einen Augenblick überschwemmte die plötzliche starke Alkoholzufuhr meinen Körper wie mit einer roten Woge, ich schloss die Augen, ich zitterte. Würde ich brechen müssen? Aber der Anfall ging vorüber, ich hatte mich wieder in meiner Gewalt.
Rasch ging ich ins Speisezimmer und knipste dort den Kronleuchter an. Die eben noch so ängstlich gewahrte Vorsicht brauchte ich nun nicht mehr. Ich schloss das Büfett auf und nahm das Silber, das dutzendweise in Flanellfutteralen steckte (wir brauchen es nur bei festlichen Gelegenheiten), heraus. Ich häufte es erst neben mir auf, dann trug ich es fort, große Löffel, Messer und Gabeln, die kleinen Bestecke, die Fischbestecke … Ich stopfte alles in den Koffer, wie es kam. Nun fehlten nur noch die silbernen Auffülllöffel, das Salat- und das Tranchierbesteck, die lose in einer besonderen Schieblade lagen. Ich nahm sie eilig heraus; plötzlich hetzte mich etwas, ich musste fort aus diesem Haus! Ein Löffel fiel klirrend zu Boden, ich fluchte laut, griff nach ihm und ließ einen zweiten Löffel fallen.
Ungeduldig riss ich an der Schieblade, um sie ganz herauszuziehen und das Einzelsilber in ihr zum Koffer zu tragen. Die Schieblade gab überraschend schnell nach und fiel polternd auf das Silbergeschirr, das hell ertönte. Ich raffte alles zusammen, wie ich es fassen konnte, jetzt ohne jede Rücksicht auf den Lärm, den ich machte, und eilte damit zum Koffer. Im Gehen fielen zwei, drei Löffel. Ich warf das Mitgebrachte obenauf in den Koffer und lief zurück, das Verlorene zu holen.
Wie angewurzelt blieb ich stehen und starrte auf Magda, die mitten im Speisezimmer vor ihrem aufgerissenen Büfett stand!
17
Sie wendete den Kopf und sah mich an, lange. Ich merkte, wie sie erschrak, wie sie schnell atmete, sich zu sammeln versuchte. »Erwin«, sagte sie dann mit stockender Stimme, »Erwin! Wie siehst du aus!? Wo kommst du her in diesem Zustand? Wo bist du so lange gewesen? Ach, Erwin, Erwin, wie ich mich geängstigt habe um dich! Dass wir uns so wiedersehen müssen! Erwin, denke daran, dass wir uns einmal lieb gehabt haben! Zerstöre doch nicht alles! Komm wieder zu mir. Ich will dir helfen, so gut ich kann. Ich will so geduldig sein, nie wieder werde ich mich mit dir streiten …« Sie hatte immer schneller geredet, atemlos hielt sie inne und sah mich flehend an.
Mich aber bewegten ganz andere Gefühle. Mit Zorn, mit Hass, mit Abneigung sah ich auf diese gepflegte, vom Schlaf gerötete Frau in ihrem seidenen blauen Schlafrock, ich, der aussah, als hätte ich mich in der Gosse gewälzt, ich, der stank wie ein Wiedehopf. Ich glaube, es muss die Mahnung an unsere Liebe von ehemals gewesen sein, die mich in eine so sinnlose Wut versetzte. Ihre Worte, statt mich zu rühren, hatten mich nur den Abstand gegen das längst versunkene Damals fühlen gemacht. Wir waren gleichgestellt, und da stand sie und hatte alles, und hier war ich, ein Kandidat des Nichts.
Zornig stolperte ich auf Magda los, ich fiel dabei beinahe über einen silbernen Auffülllöffel, sah mich wütend nach ihm um, tat einen Schritt zurück und zertrat ihn. Magda schrie leise auf. Ich aber eilte auf sie zu, hob meine Fäuste gegen sie und schrie: »Ja, das möchtest du, dass ich zu dir zurückkomme! Und was wird dann? Was wird dann?!« Ich schüttelte die Fäuste nahe vor ihrem Gesicht. »Dann bringst du mich ins Bett und siehst schön zu, dass ich schlafe, und wenn ich erst schlafe, dann lässt du die Ärzte kommen und lässt mich wegbringen, für Lebenszeit in eine Trinkerheilstätte, und dann lachst du dir ins Fäustchen und tust mit meinem Eigentum, was du willst. – Ja, das möchtest du.«
Ich starrte sie an, auch ich jetzt atemlos. Und Magda sah mich wieder an. Sie war jetzt sehr blass geworden, aber ich sah wohl, dass sie trotz meines wilden Gebarens und Drohens keine Angst vor mir hatte. Plötzlich schlug meine Stimmung um; meine Erregung war gewichen, und kalt und ruhig sagte ich: »Ich will dir sagen, was du bist. Ein ganz gemeines Aas bist du, ins Gesicht sage ich dir das.«
Sie zuckte nicht, sah mich nur an.
»Eine Verräterin bist du, unsere ganze Ehe hast du verraten, als du die Ärzte hinter mir herschicktest. Ins Gesicht müsste ich dir speien, pfui Deibel!«
Wieder sah sie mich an. Dann sagte sie rasch: »Ja, ich habe die Ärzte hinter dir dreingeschickt, aber nicht um dich zu verraten, sondern um dich zu retten – wenn das noch möglich ist. Wenn du noch einen Funken Vernunft hättest, Erwin, müsstest du das einsehen. Du müsstest verstehen, dass du so nicht einen Monat weiterleben kannst, vielleicht nicht eine Woche mehr …«
Ich unterbrach sie. Ich lachte höhnisch. »Nicht einen Monat mehr? Keine Woche? Noch Jahre kann ich so leben, ich halte alles aus, und gerade dir zum Trotz werde ich so weiterleben, gerade dir zum Trotz.« Ich beugte mich ganz nahe zu ihr. »Soll ich dir sagen, was ich tun werde, wenn ich das nächste Mal ganz betrunken bin? Dann werde ich vor dein Fenster ziehen, und ich werde es vor allen Leuten ausschreien, dass du eine Verräterin bist, ein gieriges Aas, gierig nach meinem Geld, gierig nach meinem Verrecken …«
»Ja«, sagte sie böse, »das glaube ich wohl, dass du dazu imstande bist. Dann aber wirst du nicht nur in eine Heilanstalt, sondern sogar in ein Gefängnis kommen – und ich weiß nicht«, sagte auch sie jetzt sehr höhnisch, »ob dir das nicht sehr gut wäre.«
»Was?«, schrie ich, und meine Wut war jetzt auf dem Höhepunkt, »jetzt willst du mich auch noch ins Gefängnis bringen?! Warte, das sollst du nicht noch einmal sagen! Ich will dir zeigen …« Ich fasste nach ihr, ich sah rot. Ich wollte nach ihrem Halse greifen, aber sie widersetzte sich kräftig. Sie war wirklich fast ebenso stark wie ich, und in meinem jetzigen Zustand war sie vielleicht sogar erheblich stärker. Wir rangen miteinander, es war ein süßes Gefühl, diesen einst so geliebten Leib nun feindlich, aber doch so nahe zu spüren, jetzt die Brust, einen sich gegen mich stemmenden Schenkel.
Der Gedanke schoss mir durch den Kopf: ›Wenn du sie jetzt plötzlich küssen, wenn du ihr Liebesbeteuerungen ins Ohr flüstern würdest! Ob du sie herumbekämst?‹ Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Nächste Nacht komme ich und bringe dich um. Ganz leise komme ich …«
Laut rief Magda: »Nein, nein, es ist gut, Else, ich werde schon allein mit ihm fertig! Rufen Sie Dr. Mansfeld an und die Polizeiwache, ich halte ihn hier schon!«
Ich drehte mich überrascht um. Wirklich, da stand Else, vom Geräusch unseres Kampfes herbeigelockt, bildhübsch anzusehen; und jetzt verschwand sie in der Diele zum Telefon.
Mit einem Ruck riss ich mich frei. »Mich bekommst du noch lange nicht, Magda!« Ich gab ihr einen Stoß, dass sie rücklings hinfiel. Laufend raffte ich die noch verstreuten