dass Magda ihr Silber zurückbekommen sollte, und ich hasste Magda doch wirklich von ganzem Herzen. »Ja«, sagte ich dann. »Aber was fang ich nun mit meinem Wissen an? Ich darf doch nicht verraten, dass ich’s von dir habe.«
»Du wirst heute, wenn du dein Brot bekommst«, sagte Mordhorst, »einen Kassiber drin finden, auf dem das steht, was ich dir eben gesagt habe. Den zeigst du dem Wachtmeister, und dann läuft die Sache von selbst.«
»Und wer soll mir den Kassiber geschrieben haben?«
»Das weißt du nicht. Es ist eben einer gewesen, den du nicht kennst, der den Polakowski hasst und ihn in die Pfanne hauen will. Da zerbrich dir nur nicht den Kopf drüber.«
1 Hilfsdiener, Hilfsarbeiter <<<
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3 Flussbadeanstalt am gleichnamigen Fluss <<<
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Es war das alles mit wirklichem Scharfsinn ausgedacht, mit unendlicher Geduld durchgeführt; es ist nur schade, dass auch diese Sache, wie die meisten im Gefängnis erdachten Sachen – große Einbrüche und Raubüberfälle, Erpressungen und Schiebungen – anders ausging, als wir alle erwarteten, und dass Magda doch nicht wieder zu ihrem Silber kam.
Alles kam ganz genau so, wie es Mordhorst vorausgesagt hatte: Ich fand den Kassiber, ich gab ihn dem Wachtmeister beim Einschluss, ich wurde zum Inspektor runtergeholt und vernommen. Dann führten sie mich wieder auf meine Zelle, und dann hörte ich, wie sie hinten in meinem Gang eine Zelle aufschlossen: Nun holten sie sich den Polakowski. Und dann war Stille. Ich hörte nichts mehr von der Sache, die Nacht nicht, die nächsten beiden Tage nicht, und auch Mordhorst hörte diesmal nichts davon.
Dann riefen sie mich wieder zu dem Inspektor und teilten mir mit, dass die Polizei jene Feldscheune revidiert habe; die Bretter hinten seien lose gewesen, aber unter dem Stroh habe nichts gelegen, überhaupt sei in der ganzen Scheune nichts versteckt gewesen. Ich ging sehr enttäuscht auf meine Zelle zurück. Also war der Polakowski doch listiger als alle anderen gewesen, und es gab die Sachen überhaupt nicht mehr, oder er hatte sie ganz woanders versteckt.
Aber Mordhorst schüttelte dazu den Kopf. »Warte nur«, sagte er, »das hängt anders zusammen, und ich kann es mir auch schon denken, wie. Warte nur, ich bekomme es noch heraus, und wenn es so ist, wie ich denke, wird einer nichts zu lachen haben.«
Er bekam es wirklich raus, wenigstens glaube ich, dass das die Wahrheit war, was er mir sagte. »Der Entlassene hat’s geklaut und verscheuert, der, der’s von dem Polacken erfahren hat. Direkt vor der Polizei hat er sich’s geholt; der Trottel, wenn er nur ein bisschen schneller gewesen wäre! Aber ich sage dir, einmal erwische ich den Hund, er kommt ja doch wieder ins Kittchen, und dann soll er sein eigenes Geschrei hören!«
Und im ganzen Bau wurde ein Name verbreitet, sechzig Gefangene merkten sich den Namen von einem, der ein Verräter gewesen war, und diese Gefangenen würden mit der Zeit schon dafür sorgen, dass der Name des Verräters sich ausbreitete durch viele Gefängnisse. Überall würden sie ihn ansehen als einen gemeinen Verräter, denn selbst unter Verbrechern gibt es eine Art Ehre, und gegen die hatte der Mann verstoßen.
Für mich aber, der schließlich am wenigsten sich an diesem Spiel gegen Polakowski beteiligt hatte, sollten die Folgen vorerst die übelsten sein. Denn an einem Morgen, da ein Wachtmeister wohl ein wenig verschlafen war und nicht aufgepasst hatte, trug ich meinen Kübel ahnungslos über den Gang und achtete gar nicht darauf, dass gegen alle Gewohnheit die Tür von Polakowskis Zelle schon aufgemacht war; da stürzte der so Sanfte wie ein Tiger auf mich, warf mich mitsamt meinem Kübel zur Erde und schlug mit beiden Fäusten auf mein Gesicht ein, dass ich fast sofort meine Besinnung verlor.
Sie hatten es ja nun dem Polakowski erzählt, dass auch ich hier im Kittchen saß, und hatten ihn nach Gefangenenart unbarmherzig geneckt und gehänselt mit den verloren gegangenen Sachen. Und sie hatten ihm wohl auch erzählt, dass das ihm abgenommene Geld wieder zu meiner Verfügung hier lag, und vielleicht hatten sie ihm sogar vorgelogen, dass die Sachen wieder in meinen Besitz gekommen seien.
Jedenfalls war in dem Polakowski eine wilde Wut auf mich entbrannt, und er hatte all die Tage wohl brütend in seiner Zelle gesessen, hatte bedacht, wie gänzlich umsonst er nun sich um mich Wochen gequält hatte, wie ich alles wiedergewonnen, und dass meinetwegen ihm eine lange Strafe bevorstand – für nichts Gewonnenes! Da hatte er rotgesehen und immer gegrübelt, wie er mir etwas antun könnte für mein ganzes Leben, und sein Hass und seine Wut hatten all seine Sanftheit und sein Heuchlertum und seine angeborene Feigheit und Vorsicht fortgespült.
Als er die Zellentür offen sah, hatte er auf mich gelauert, er hatte mich unter sich gebracht und mir ins Gesicht geschlagen, dass sofort Blut aus Nase und Mund stürzte. Die Gefangenen hatten nach ihrer Gewohnheit still und unbeteiligt und wohl auch etwas schadenfroh zugeschaut; es ist nicht Sitte im Gefängnis, bei einer Prügelei von Zweien dazwischenzugehen. Ich bin überzeugt, dass Mordhorst mir beigestanden hätte, aber Mordhorst war nicht in der Nähe, er lag einen Gang tiefer. Und ehe der Wachtmeister noch hatte zuspringen und Polakowski hatte zurückreißen können, hatte Polakowski sich über mein Gesicht gebeugt und hatte mich in die Nase gebissen, um mich fürs ganze Leben zu zeichnen – ach, er hat mir fast die halbe Nase abgebissen!
In einem Gefängnis geschehen schlimme Dinge, oft, man macht nicht viel Aufhebens davon. Den Polakowski haben sie in die Arrestzelle gesteckt und ihm später zu allem anderen eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung angehängt, und mich haben sie in meiner Zelle auf den Strohsack gelegt, haben mir das Blut ein bisschen abgewaschen und haben gewartet, bis der herbeitelefonierte Gefängnisarzt kam.
Das Erste, was ich hörte, als ich wieder zu Bewusstsein kam, war die schimpfende Stimme Düstermanns, der über »die Schweinerei in seiner Zelle« schimpfte und verlangte, dass ich verlegt würde, und diese Stimme hat nicht einen Augenblick auf mich zu schimpfen aufgehört, solange Düstermann nicht schlief, all die Tage, die ich noch bei ihm in der Zelle liegen musste. Denn es reichte nach Ansicht des Arztes nicht dafür, dass man mich in ein Krankenhaus legte.
Er nähte mir die Nase recht und schlecht zusammen und meinte, in drei, vier Tagen werde alles wieder in Ordnung sein. Aber es ist nie wieder ganz in Ordnung gekommen, ganz abgesehen davon, dass ich mich bis heute noch nicht in einem