Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke


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aus der Par­tei aus­tre­ten wol­le, so sei sie po­li­tisch un­zu­ver­läs­sig, und für sol­che gebe es so et­was wie ein KZ! Sie habe doch wohl schon da­von ge­hört? Da kön­ne man po­li­tisch Un­zu­ver­läs­si­ge sehr rasch zu­ver­läs­sig ma­chen, fürs gan­ze Le­ben sei­en die zu­ver­läs­sig. Sie ver­ste­he doch!

      Frau Klu­ge hat­te kei­ne Angst be­kom­men. Sie ist da­bei ge­blie­ben, dass pri­vat pri­vat bleibt, und über Pri­va­tes re­det sie nicht. Schließ­lich hat man sie ge­hen las­sen. Nein, ihr Austritt aus der Par­tei ist vor­läu­fig nicht an­ge­nom­men, sie wird noch dar­über hö­ren. Aber vom Post­dienst ist sie vor­läu­fig sus­pen­diert. Sie hat sich aber in ih­rer Woh­nung zur Ver­fü­gung zu hal­ten …

      Wäh­rend Eva Klu­ge den so lan­ge ver­ges­se­nen Sup­pentopf end­lich auf die Gas­flam­me rückt, be­schließt sie plötz­lich, auch in die­sem Punk­te nicht zu ge­hor­chen. Sie wird nicht ewig ta­ten­los in der Woh­nung sit­zen und auf die Quä­le­rei­en der Her­ren war­ten. Nein, sie wird mor­gen früh mit dem Sechs-Uhr-Zug zu ih­rer Schwes­ter bei Rup­pin fah­ren. Da kann sie zwei, drei Wo­chen un­an­ge­mel­det le­ben, die füt­tern sie schon so durch. Die ha­ben da Kuh und Schwei­ne und Kar­tof­fel­land. Sie wird ar­bei­ten, im Stall und auf dem Fel­de ar­bei­ten. Das wird ihr gut­tun, bes­ser als die­se Brief­trä­ge­rei für ewig: trab­trab!

      Ihre Be­we­gun­gen sind, seit dem Be­schluss, aufs Land zu ge­hen, fri­scher ge­wor­den. Sie holt einen Hand­kof­fer her­vor und fängt an zu pa­cken. Ei­nen Au­gen­blick über­legt sie, ob sie Frau Gesch we­nigs­tens sa­gen soll, dass sie ver­reist, das Wo­hin braucht sie ihr ja nicht zu sa­gen. Aber sie be­schließt: nein, sie will lie­ber nichts sa­gen. Al­les, was sie nun tut, tut sie ganz für sich al­lein. Sie will kei­nen Men­schen da rein­zie­hen. Sie wird auch der Schwes­ter und dem Schwa­ger nichts sa­gen. Sie wird jetzt so al­lein le­ben wie noch nie. Im­mer war bis­her je­mand da, für den sie zu sor­gen hat­te: die El­tern, der Mann, die Kin­der. Nun ist sie al­lein. Es scheint ihr im Au­gen­blick sehr mög­lich, dass ihr die­ses Al­lein­sein gut ge­fal­len wird. Vi­el­leicht wird, wenn sie ganz al­lein mit sich ist, noch et­was aus ihr, jetzt, wo sie end­lich Zeit für sich sel­ber hat, das ei­ge­ne Ich nicht im­mer über all den an­de­ren ver­ges­sen muss.

      1 eine der äl­tes­ten Kul­tur­pflan­zen und wird oder wur­de als Ge­mü­se, Salat-, Heil-, Fär­ber- so­wie Zier­pflan­ze ver­wen­det. <<<

      12. Enno und Emil nach dem Schock

      Der klei­ne Enno Klu­ge hat es viel schlech­ter ge­trof­fen als sein »Kum­pel« Emil Bark­hau­sen, den nach den Er­leb­nis­sen die­ser Nacht eine Frau, sie moch­te sein, wie sie woll­te, doch im­mer­hin in ein Bett ge­packt hat­te, wenn sie ihn auch so­fort da­nach be­stahl. Der schwäch­li­che Renn­wet­ter hat auch viel mehr Schlä­ge be­kom­men als der lan­ge, kno­chi­ge Ge­le­gen­heits­s­pit­zel. Nein, dem Enno ist be­son­ders übel mit­ge­spielt wor­den.

      Und wäh­rend er durch die Stra­ßen läuft und angst­voll nach sei­ner Tut­ti sucht, ist der Bark­hau­sen aus sei­nem Bett auf­ge­stan­den, hat sich in der Kü­che was zu es­sen ge­sucht und isst sich fins­ter und nach­denk­lich satt. Dann fin­det Bark­hau­sen im Klei­der­spind eine Schach­tel Zi­ga­ret­ten, er brennt sich eine an, steckt die Schach­tel in sei­ne Ta­sche und sitzt wie­der fins­ter grü­belnd am Tisch, den Kopf in der Hand.

      So fin­det ihn sei­ne Otti, als sie von ih­ren Be­sor­gun­gen wie­der zu­rück­kommt. Na­tür­lich sieht sie gleich, dass er sich Es­sen ge­nom­men hat, sie weiß auch, er hat nichts zu rau­chen in der Ta­sche ge­habt, als sie ging, und sie ent­deckt so­fort den Dieb­stahl aus ih­rem Klei­der­spind. So­fort bricht sie einen Streit vom Zaun, so ver­ängs­tigt sie auch ist. »Ja­wohl, so was lie­be ich, einen Kerl, der mir mein Es­sen frisst und mir mei­ne Zi­ga­ret­ten klaut! Gleich gibst du sie mir wie­der, auf der Stel­le gibst du sie mir wie­der! Oder du be­zahlst sie mir! Gib Geld her, Emil!«

      Sie war­tet ge­spannt, was er sa­gen wird, aber sie ist ih­rer Sa­che ziem­lich si­cher. Die achtund­vier­zig Mark hat sie schon fast ganz aus­ge­ge­ben, da kann er wirk­lich nicht mehr viel ma­chen.

      Und sie sieht aus sei­ner Ant­wort, so böse sie auch klingt, dass er von dem Gel­de wirk­lich nichts weiß. Sie fühlt sich die­sem doofen Kerl von ei­nem Man­ne weit über­le­gen, sie hat ihn aus­ge­nom­men, und der Affe merkt es nicht mal!

      »Halt die Schnau­ze!«, grunzt Bark­hau­sen nur, ohne den Kopf zu er­he­ben. »Und mach, dass du aus der Stu­be kommst, oder ich schla­ge dir alle Kno­chen im Lei­be ent­zwei!«

      Sie ruft von der Kü­chen­tür her, ein­fach, weil sie im­mer das letz­te Wort ha­ben muss und weil sie sich ihm so über­le­gen fühlt (ob­wohl sie jetzt Angst vor ihm hat): »Sieh du lie­ber selbst, dass dir die SS dei­ne Kno­chen nicht ganz zer­schlägt! Weit bis­te nicht mehr da­von ab!«

      Da­mit geht sie in die Kü­che und lässt ih­ren Är­ger über die­se Ver­ban­nung an den Gö­ren aus.

      Der Mann aber sitzt im­mer wei­ter in der Stu­be und grü­belt. Er weiß nur we­nig von dem, was in der Nacht ge­sch­ah, aber das We­ni­ge, das er weiß, das reicht ihm. Und er denkt dar­an, dass da oben die Woh­nung der Ro­sen­thal liegt, die jetzt wohl von den Per­sickes aus­ge­räumt ist, und er hät­te sich neh­men kön­nen, noch und noch! Durch sei­ne ei­ge­ne Duss­lig­keit hat er das ver­bockt!

      Nein, der Enno ist dar­an schuld ge­we­sen, der Enno hat mit dem Schnaps an­ge­fan­gen, der Enno ist von al­lem An­fang an be­sof­fen ge­we­sen. Ohne den Enno hät­te er jetzt einen Hau­fen Zeugs, Wä­sche und Klei­der; dun­kel er­in­nert er sich auch an einen Ra­dio­ap­pa­rat. Wenn er den Enno jetzt hier hät­te, wür­de er ihm alle Kno­chen im Lei­be zer­schla­gen, die­sem fei­gen Schwäch­ling, der ihm die gan­ze Sa­che ver­mas­selt hat!

      Aber einen Au­gen­blick spä­ter zuckt Bark­hau­sen schon wie­der die Ach­seln. Wer ist denn schließ­lich die­ser Enno? ’ne fei­ge Wan­ze, die da­von lebt, dass sie den Wei­bern Blut ab­zapft! Nein, wer rich­tig schuld ist, das ist die­ser Bal­dur Per­si­cke! Die­ser Ben­gel, die­ser Schul­jun­ge von ei­nem HJ-Füh­rer hat von An­fang an vor­ge­habt, ihn rein­zu­le­gen! Das war al­les vor­be­rei­tet, um einen Schul­di­gen zu ha­ben und sich selbst die Beu­te un­ge­straft an­eig­nen zu kön­nen! Das hat sich die­se Gift­schlan­ge mit den fun­keln­den Bril­lenglä­sern fein aus­ge­dacht! Ihn so rein­zu­le­gen, die­ser ver­damm­te Rotz­jun­ge!

      Bark­hau­sen ver­steht es nicht so ganz, warum er nun ei­gent­lich doch nicht in ei­ner Zel­le auf dem Alex, son­dern in sei­ner Stu­be sitzt. Da muss de­nen was da­zwi­schen­ge­kom­men sein. Ganz dun­kel er­in­nert er sich an zwei Ge­stal­ten, aber wer das war und wie­so, das hat er da­mals schon in sei­ner hal­b­en Be­täu­bung nicht er­fasst, und jetzt weiß er es erst recht nicht.

      Aber das eine weiß er: dies ver­zeiht er dem Bal­dur Per­si­cke nie. Der mag noch so sehr hoch­krie­chen auf der Lei­ter der Par­tei­gunst,