Friedrich Schulz

Die Hanse und England von Eduards III. bis auf Heinrichs VIII. Zeit


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Privilegien verwirkt hätten. Ferner erhoben sie gegen jene die Anklage, daß sie den englischen Kaufleuten in den Gebieten ihrer Handelsherrschaft keine Lebensmittel verkaufen wollten, ihren Schiffern verböten, die Waren von Engländern zu fahren und ihnen auf Schonen gute Hilfe schlecht lohnten15.

      Auf Grund der Petitionen beschloß das Parlament, die hansischen Freiheiten zurückzubehalten, bis die Berechtigung der vorgebrachten Beschwerden geprüft sei. Daraufhin mußten die Hansen die ihnen eben erst bestätigten Privilegien wiederherausgeben. Umsonst war, daß das Londoner Kontor dem königlichen Rat eine Erwiderung auf die Klagen einreichte. Sie wurde keiner Antwort gewürdigt. Ein Zustand der Unsicherheit trat ein. Die Kaufleute wußten nicht, ob sie sich beim Handel noch auf ihre Privilegien berufen konnten, oder ob diese für immer aufgehoben sein sollten16.

      Die Londoner, auf deren Betreiben hauptsächlich die Zurückforderung der Privilegien erfolgt war17, waren nicht müßig, die Gunst des Augenblicks für sich auszunutzen. Sie wandten die Bestimmungen des Fremdenrechts, welches ihnen neu bestätigt war, auch auf die Kaufleute von der Gildhalle an. Sie verboten allen Fremden einen mehr als vierzigtägigen Aufenthalt im Lande, untersagten jeden Handel mit Nichtbürgern und das Halten eigner Herbergen. Auch die königlichen Zollbeamten glaubten nun, den Deutschen höhere Abgaben abnehmen zu können. Doch kam die Regierung bald den Hansen in diesem wichtigen Punkt etwas entgegen. König Richard wies die Zolleinnehmer an, von jenen nur die bisherigen Zölle zu erheben, wenn sie sich verbürgt hätten, für den Fall der Aufhebung ihrer Privilegien die höheren Sätze nachzuzahlen18.

      Im April 1378 übergaben die hansischen Kaufleute, da ihre Bemühungen, die Herausgabe ihrer Privilegien zu erlangen, erfolglos geblieben waren, ihre Sache dem Bunde ihrer Städte und baten ihn, sich dieser wichtigen Angelegenheit mit aller Energie anzunehmen19. Die Versammlung zu Stralsund am 30. Mai 1378, auf der die wendischen, preußischen und süderseeischen Städte vertreten waren, beschäftigte sich angelegentlich mit dem Gesuch des Londoner Kontors. Nur mit Mühe wurde hier ein gemeinsamer Beschluß der Städte erzielt, da die Preußen und besonders der Hochmeister für energisches Vorgehen gegen die Engländer eintraten und die Beschlagnahme alles englischen Guts in den hansischen Ländern beantragten, die wendischen und süderseeischen Städte dagegen den Streit durch diplomatische Verhandlungen beizulegen wünschten. Die vorsichtige Politik der Städte trug diesmal den Sieg davon. Auf ihr Drängen erklärten sich die preußischen Vertreter bereit, beim Hochmeister für die städtische Politik eintreten und ihn bitten zu wollen, daß er Gewaltmaßregeln gegen die Engländer bis zum nächsten Martinstage hinausschiebe20.

      Die Schreiben der Städte und des Hochmeisters, der den vereinten Bitten jener nachgegeben hatte, waren ohne Erfolg. Der König versprach zwar, seinen Rat anzuweisen, daß er den Deutschen eine gute Antwort gebe, dieser erklärte aber, keine Entscheidung treffen zu können, weil dies Sache des Parlaments sei. Die Hansen sollten sich deshalb bis zum nächsten Parlament gedulden21.

      London beantwortete unter dem 13. August die Schreiben der Städte und Winrichs von Kniprode. Auf die Bitte, den König zur Zurückgabe der Privilegien zu veranlassen, hatten die Londoner nur die höhnische Antwort, daß sie Bedenken trügen, die furchtbare Majestät des Königs zu einem solchen Schritt zu verleiten. Kurz und bündig eröffneten sie den Städten, daß die Privilegienbestätigung so lange suspendiert bleiben werde, bis jene sich wegen der Bedrückungen der englischen Kaufleute und wegen der Privilegienmißbräuche, deren sie vielfach angeklagt und beschuldigt seien, ordentlich verantwortet hätten22.

      Während nun die Städte wegen der zweimaligen Weigerung der Preußen, die von Lübeck angesetzten Tagfahrten zu besenden, zu keinem Beschluß kamen23, gelang es den hansischen Kaufleuten, dank der günstigen Umstände ihre Sache einen bedeutenden Schritt vorwärts zu bringen. In dem einen Jahre war nämlich die Stimmung der englischen Bevölkerung erheblich zugunsten der fremden Kaufleute umgeschlagen. Es hatte sich gezeigt, daß in der Fremdenfrage das Interesse der Städte nicht mit dem der Mehrzahl des Landes identisch war, und daß der englische Handelsstand mit der Beschränkung der Fremden nur seinen eignen Nutzen und Vorteil verfolgte. Denn da die englischen Kaufleute noch nicht imstande waren, den Export und Import des Landes allein zu regeln, wie sie oft behauptet hatten, war eine Preissteigerung aller Waren eingetreten, die allen die Unentbehrlichkeit der fremden Kaufleute deutlich vor Augen stellte. Ferner hatten die Städte durch rigorose Anwendung ihrer Privilegien und durch den obligatorischen Zwischenhandel die übrigen Stände noch mehr gegen sich erbittert. Im Herbst 1378 wurde deshalb dem König vom Parlament eine allgemeine Petition überreicht, den fremden Kaufleuten wieder freien Verkehr, unbeschränkten Aufenthalt im Lande und Handel mit jedermann zu gestatten. Der König sagte die Gewährung des Wunsches zu, indem er in seiner Antwort nachdrücklich auf den Vorteil hinwies, den das ganze Land von dem fremden Handel hatte24.

      Die Hansen benutzten die fremdenfreundliche Stimmung des Parlaments zu einem erneuten Gesuch um Herausgabe ihrer Privilegien. Ihre Bitte wurde aber nicht unbedingt erfüllt. Mit der englischen Kaufmannschaft waren König und Parlament darin einig, daß die Hansestädte den Engländern in ihren Gebieten die gleiche Behandlung zuteil werden lassen müßten, welche ihre Kaufleute in England erführen. Die Hansen sollten deshalb ihre Freiheiten nur dann wiedererhalten, wenn sie bis zum 29. September 1379 von ihren Städten und Herren Briefe vorgelegt hätten, in denen sich diese unter ihrem Siegel verpflichteten, die englischen Kaufleute freundlich zu behandeln und vier Forderungen jener zu bewilligen. Könnten sie dies nicht, so sollten sie ihrer Privilegien verlustig gehen. Die englischen Kaufleute verlangten in ihren Artikeln erstens in den preußischen und allen hansischen Städten völlig freien Handel untereinander und mit allen anderen Kaufleuten. Im zweiten Artikel forderten sie die Zurücknahme aller gegen ihren Handel auf Schonen gerichteten Verordnungen. Sie wollten das Recht haben, wie die Deutschen in Skanör und Falsterbo Fitten zu mieten, Heringe zu kaufen, zu salzen und auszuführen. Ferner wünschten sie, von der Haftbarkeit für Schulden und Vergehen befreit zu werden, an denen sie nicht persönlich beteiligt waren, und die Namen aller Hansestädte zu erfahren25.

      Welche Stellung das Londoner Kontor zu den englischen Forderungen einnahm, läßt sich nicht erkennen. Die Briefe, durch die es Lübeck und den preußischen Städten von ihnen Mitteilung machte, sind nicht erhalten26. Aus späteren Zeugnissen wissen wir aber, daß die Kaufleute für schwächliche Unterwerfung unter die weitgehenden Ansprüche der englischen Kaufmannschaft nicht waren, sondern lieber England zeitweilig räumen wollten. Denn sie waren überzeugt, daß sie dem Lande unentbehrlich seien, und daß die Verteuerung aller Waren, welche die unausbleibliche Folge der Einstellung des hansischen Verkehrs sei, England bald zum Nachgeben zwingen werde27.

      Am 17. April 1379 versammelten sich die preußischen Städte zur Beratung der englischen Angelegenheit in Marienburg. Ein Brief des Brügger Kontors, welcher neue englische Ausschreitungen gegen hansische Schiffe meldete28, trug sicher nicht dazu bei, sie den englischen Forderungen günstig zu stimmen. Sie lehnten deren Erfüllung ab und beschlossen, ihre Boten auf dem nächsten Hansetag dahin wirken zu lassen, daß sofort jeder Verkehr mit den Engländern abgebrochen werde, bis dem gemeinen Kaufmann Genugtuung für das angetane Unrecht zuteil geworden sei