Friedrich Schulz

Die Hanse und England von Eduards III. bis auf Heinrichs VIII. Zeit


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      Seit den vierziger Jahren ließ sich Eduard III., da durch die unaufhörlichen Kriege die Ausgaben der Krone eine bedeutende Steigerung erfahren hatten und durch die ordentlichen Einnahmen nicht mehr gedeckt werden konnten, wiederholt vom Parlament und den Kaufleuten außerordentliche Abgaben, sogenannte Subsidien, bewilligen, die je nach dem Bedürfnis längere oder kürzere Zeit von den verschiedenen Waren erhoben wurden. Dem Könige mußte daran liegen, zu diesen Abgaben alle in England verkehrenden Kaufleute heranzuziehen. Mit den Hansen scheint er sich anfangs über diesen Punkt immer friedlich geeinigt zu haben. Soweit wir sehen können, haben sie bis 1370 die Subsidien, wenn auch oft auf einem anderen Wege, bezahlt1. Im Jahre 1371 verweigerten die hansischen Kaufleute zum erstenmal die Leistung der Subsidien. Das Parlament hatte damals dem Könige wieder ein Pfundgeld von 6 d und ein Tonnengeld von 2 s bewilligt, deren Erträge dazu bestimmt waren, Schiffe und Waren vor räuberischen Überfällen von Seiten der Feinde zu schützen2. Was die Hansen bewog, ihre Privilegien geltend zu machen, wissen wir nicht. Vielleicht wurde ihre veränderte Haltung durch die seit einiger Zeit wieder stärker hervortretenden fremdenfeindlichen Bestrebungen der englischen Kaufleute veranlaßt. Es ließe sich wohl denken, daß die Hansen glaubten, im Gegensatz zu jenen ihre Privilegien energisch betonen zu müssen, und aus diesem Grunde diesmal die Subsidien dem Könige nicht bezahlen wollten. Ihre Weigerung traf aber Eduard III. an seiner empfindlichsten Stelle. Auf diese wichtige Einnahmequelle konnte und wollte er nicht verzichten.

      Es zeigte sich bald, daß die hansischen Kaufleute allein nicht imstande waren, gegen den König, dem auch das Parlament und die englischen Kaufleute zustimmten, ihre Zollprivilegien aufrecht zu erhalten. Sie wandten sich deshalb an Lübeck mit der Bitte, für sie einzutreten. Zum erstenmal griff nun der Bund der norddeutschen Städte in die Beziehungen seiner Kaufleute zu England ein und trat als Vorkämpfer für die hansischen Privilegien auf. Der Städtetag, der am 1. Mai 1373 zu Lübeck versammelt war, richtete an Eduard III. und seinen Rat das Gesuch, die Verletzungen der Privilegien abzustellen3. Als dieses die erhoffte Wirkung nicht hatte, ja sogar ohne Antwort blieb, bat das Londoner Kontor die Seestädte nochmals, sich seiner anzunehmen und auch den Hochmeister des deutschen Ordens zu einem Schreiben an den König zu veranlassen. Bei den guten Beziehungen zwischen den beiden Fürsten versprach es sich hiervon den besten Erfolg4. Als sich auch dieser Schritt als vergeblich erwies, beschloß die am 24. Juni 1375 in Lübeck tagende Versammlung der Städte, daß die Gesandtschaft, welche nach Flandern geschickt wurde, um die dortigen Verhältnisse zu regeln, auch nach London gehen sollte, wenn es das Kontor verlangte und sich bereit erklärte, die Kosten der Reise zu tragen5. Die Gesandtschaft, die aus Simon Swerting aus Lübeck und Hartwig Beteke aus Elbing bestand, begab sich zunächst nach Brügge, wo sie sich den ganzen Herbst über aufhielt. Erst Ende November brachen die beiden Ratsherren nach England auf und trafen kurz vor dem 30. November in London ein6.

      Inzwischen war hier eine Veränderung eingetreten, durch welche ihre Gesandtschaft, wenigstens in ihrem Hauptpunkte, gegenstandslos wurde. Der König hatte nämlich kurz vor ihrem Eintreffen am 23. November den hansischen Kaufleuten ihre Privilegien bestätigt7. Zugleich war auch der Anlaß des Streits fortgefallen. Die am 29. September abgelaufene Subsidie war, da im Juni mit Frankreich ein Waffenstillstand abgeschlossen war, nicht wieder erneuert worden.

      Die beiden Ratsherren mußten, da das Parlament zurzeit nicht tagte, mit dem königlichen Rat verhandeln. Wir besitzen von den Verhandlungen nur die Eingabe der Gesandten an den König, welche dreizehn Beschwerdepunkte aufzählt, mit den Antworten, die ihnen darauf vom Rat erteilt wurden8. Die erste und wichtigste Klage der Hansen betraf die Erhebung des Pfundgeldes von 6 d. Unter Berufung auf ihre Privilegien erklärten sie diese für gesetzwidrig. Die Antwort des Rats zeigt aber, daß der König nicht gewillt war, den Anspruch der Hansen anzuerkennen. Er betonte, daß in der Not des Krieges die Rechte einzelner schweigen müßten. Auch die großen Freiheiten, welche der König seinen eignen Untertanen bewilligt habe, seien jetzt, wo allen Gefahr drohe, nicht beachtet worden. Ferner gab der Rat zu bedenken, daß der Zoll auch den Hansen zugute gekommen sei; denn sein Ertrag sei zum Schutze der Schiffahrt vor feindlichen Überfällen verwendet worden. Deshalb sei es nur gerecht, daß alle, Einheimische wie Fremde, zu diesen Abgaben herangezogen würden.

      Es war klar, daß die Hansen sich mit dieser Antwort, die ihre Privilegien in einem wichtigen Punkt beiseite schob, nicht zufrieden geben konnten. Da aber die Subsidie damals aufgehört hatte und unter Eduard III. nicht mehr erhoben wurde, so ruhte der Streit zunächst. Die Zukunft mußte zeigen, ob die Hansen stark genug sein würden, gegen die Ansprüche der englischen Könige ihre Abgabenfreiheiten aufrecht zu erhalten.

      Auf die Klageartikel der Hansen erwiderten die englischen Kaufleute mit zwei Gegenschriften, welche die Bedrückungen englischer Kaufleute durch die Hansen in Schonen, Norwegen und in den Hansestädten aufzählten9. Die hansischen Gesandten lehnten aber ab, sich hier auf Verhandlungen über die englischen Klagen einzulassen, da sie mit ihrer Forderung nichts zu tun hätten. Die Engländer, die sich ungerecht behandelt fühlten, sollten zum nächsten Städtetag nach Lübeck kommen und dort ihre Klagen vorbringen10.

      Damit hatten die Verhandlungen ihren Abschluß erreicht. Eduard III. schenkte den Gesandten beim Abschied einige Reliquien des heiligen Thomas von Canterbury für die zu dessen Ehren vor den Toren Lübecks erbaute Kapelle11.

      Wenn auch König Eduard in der Zollfrage, die seine eignen Interessen so stark berührte, den hansischen Ansprüchen nicht nachgegeben hatte, so zeigte er doch noch am Ende seiner Regierung in vielen Fällen, daß er eine unbillige Beschränkung der Freiheiten seiner hansischen Freunde nicht wünschte. Auf die wiederholten Bitten der Städte untersagte er am 4. Dezember 1376 mit Zustimmung des Parlaments allen Fremden, in London Kleinhandel zu treiben, eigne Herbergen zu halten und Waren zum Wiederverkauf zu kaufen; nur die hansischen Kaufleute nahm er von diesen Verboten aus12.

      Mit dem Tode Eduards III. wurde aber die Lage der Hansen schwieriger. Der vormundschaftlichen Regierung seines Enkels Richard, die sich sofort in schwere innere und äußere Kämpfe verwickelt sah, fehlte die Macht und die Unabhängigkeit, die Fremdenpolitik in den Bahnen ihres Vorgängers fortzusetzen. Sie mußte den Städten in der Fremdenfrage Konzessionen machen, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Als diese im ersten Parlament das Gesuch einreichten, ihnen ihre alten Freiheiten wieder zu verleihen, bewilligte Richard ihre Petition und ebenso die Bitte Londons, seine Rechte ungeachtet aller entgegenstehenden Statuten und Privilegien anzuerkennen. Er befahl, alle der Londoner Freiheit widersprechenden Privilegien dem Rat zurückzugeben; er werde beschließen, was ihm gut scheine13.

      Zu gleicher Zeit reichten die englischen Kaufleute eine Petition gegen die Neubestätigung der hansischen Privilegien ein, die durch den Tod Eduards III. nötig geworden war14. Sie führten aus, daß die Verteurung aller Waren nur auf den Zwischenhandel der Hansen zurückzuführen sei. Früher, als sie selbst noch nach Norwegen und Schonen zu fahren pflegten, seien alle Waren besser und billiger gewesen. Die Hansen betrögen den Käufer, wo sie nur könnten. Den König suchten sie gegen die Hansen einzunehmen, indem sie ihnen unterschoben, daß sie widerrechtlich die Kaufleute aus drei oder vier großen Königreichen mit ihren Privilegien beschützten