– Nach einem Jahre erschien Valmont in meinem Kerker, er hatte von meinem Unglück gehört, es rührte ihn bis zu Thränen, mit Freundeshandschlag versprach er mir Rettung, Freiheit, und schon dreihundert Tage flossen indessen in das graue Meer der Zeit hinab, – und er kehrt nicht wieder.
FREMDER. Aber er wird wiederkehren, vertraue ihm. Kannst Du wissen was ihn zurück hält? – Er kömmt gewiß, denn Valmont hält, was er versprach.
LINI, der indeß herbeigekommen ist, und den Fremden aufmerksam betrachtet hat. Nicht wahr, lieber fremder Mann, Valmont kömmt gewiß wieder?
FREMDER. Gewiß. Liebst Du ihn?
LINI. Ja, und er liebt mich auch. Sieh, den kleinen niedlichen Vogel dort, hat er mir geschenkt. –
FREMDER. Willst Du nicht auch mein Freund werden?
LINI. Ach, ich wollte wohl, wenn ich nur könnte. Du bist aber ein Spanier, und ein Spanier kann unmöglich mein Freund sein.
FREMDER. Wenn ich Dir nun sage, daß Valmont auch mein Freund ist?
LINI. Dann will ich mir wenigstens Mühe geben.
ALLA-MODDIN. Wie sagtest Du? Valmont sei Dein Freund? –
FREMDER. Mein vertrautester. Ich lernte ihn vor einigen Jahren in Frankreich kennen, und als ich eben itzt von Spanien abreisen wollte, sah' ich ihn dort.
ALLA-MODDIN. Komm' oft zu mir in meine düstere Wohnung. Deine Freundschaft wird mich wieder etwas mit dem Schicksal versöhnen; Du sollst mir jene verhaßten Stunden ersetzen, die Sebastiano mir raubt.
FREMDER. Sebastiano?
ALLA-MODDIN. Er ist ein Jesuit, den der Statthalter täglich abschickt, mich zum Uebertritt zum Christenthum zu überreden, und den Jesuiten zu erlauben, auch in Suhlu ihre Lehre auszubreiten. – So ist meine Zeit zwischen trauriger Einsamkeit und verhaßten Gesprächen getheilt, von diesem Boshaften bestürmt. Die Götter meines Landes zürnen auf mich, daß sie mich ein Spiel sein lassen der Schändlichen, daß sie es dulden, daß ich hier im Jammer verschmachte. –
FREMDER. Fasse Muth, Valmont lebt und gedenkt Deiner, er ist unermüdet in seinen Bemühungen für Dich, er wird bald –
ALLA-MODDIN. Und woher diese Zuverlässigkeit? Du sahst ihn schon seit einem Jahr nicht mehr.
FREMDER. Nein – aber ich kenne sein Herz. Er liebt Dich, durch Deine Freiheit wird er Dir den Dank für sein Leben bezahlen.
ALLA-MODDIN. Ich mag nicht mehr hoffen. Viel langsamer schleicht der Tag, wenn man die Stunden zählt, auf ein glänzendes Ziel die Augen geheftet, das nimmer näher rückt. Ich überlasse mich der Zeit mit eben der Gleichmuth, mit dem ein Berg sich von Schnee und mit Blumen bekleiden läßt. Das Unglück mag mich bestürmen, ich will nicht murren, ich will das Glück wieder in meine Arme nehmen, ohne mit ungeduldigem Auge ihm entgegenzusehn. – So will ich dulden wie es einem Manne ziemt.
LINI. Ach, da hör' ich den schleichenden Mann kommen, der immer so die Augen verdreht.
AMELNI. Sebastiano kömmt, ich verlasse Dich.
LINI. Ich gehe mit Dir Mutter, denn ich fürchte mich, wenn ich die glühenden Augen des hagern Mannes ansehe.
AMELNI und LINI gehn in eine andre Abtheilung des Saals, die Thür geht auf, und SEBASTIANO tritt herein.
Dritte Scene
ALLA-MODDIN. DER FREMDE. SEBASTIANO.
SEBASTIANO. Der Himmel segne die Bemühungen des heutigen Tages! – er heftet einen festen Blick auf den Fremden. Alla-Moddin, hast Du meinen gestrigen Worten nachgedacht?
ALLA-MODDIN. Ich habe.
SEBASTIANO. Und Dein Entschluß?
ALLA-MODDIN. Wie immer.
SEBASTIANO. Noch immer Trotz?
ALLA-MODDIN. Entschlossenheit.
SEBASTIANO. Welche Worte soll ich brauchen, um Dein Herz der erhabenen Lehre zu öffnen?
ALLA-MODDIN. Keine, wenn Du mich liebst.
SEBASTIANO. Halsstarriger! Es wird Dich einst gereuen, die Seligkeiten des Himmels so muthwillig zurückgewiesen zu haben.
ALLA-MODDIN. Nie.
SEBASTIANO. An jenem großen Tage wirst Du es bereuen, wenn Gott Dich als seinen Feind wieder zurückweisen wird. Der nimmer endenden quaalenreichen Ewigkeit wirst Du Deine Reue entgegenheulen, wenn Du aus tiefer Ferne durch die brüllenden Orkane die Harfentöne der seligen Chöre vernimmst.
ALLA-MODDIN. Mich täuschest Du nicht durch diese Gemälde des Schreckens. – Und selbst wenn Dein Gott der Gott der Götter ist, wenn ich auch zu falschen Göttern bete, so nennst Du ihn doch selbst den Allgütigen; wie könnte dieser mich also zu ewigen Quaalen verdammen?
SEBASTIANO. Wenn man seiner Langmuth spottet, ist er ein Gott des Zorns.
ALLA-MODDIN. Kann der Gott der Christen zürnen? – Der Gott, der, wie Du mir oft sagtest, die Erde in seiner Linken und in seiner Rechten die leuchtende Sonne hält? – Er sollte zürnen über mich? – Kannst Du über einen Sonnenstaub zürnen? –
SEBASTIANO. Er selbst droht seinen Zorn denen, die ihn verachten, aber seinen Verehrern hat er seine Gnade in den Gesetzen verheißen, die er mit eignen Händen schrieb..
ALLA-MODDIN. Stolzer Mensch! Du wagst zu behaupten, daß das Auge, das die Welten überschaut, freudig auf Dein Lob herunterblicke? Deinem Allweisen leihst Du Deinen Priesterstolz? – Gott ist meiner Liebe zu groß und meiner Verehrung zu klein. – Erzwungnes und erheucheltes Lob kann ihn nicht freuen, denn wenn ich nun auch, um meine Freiheit zu erkaufen, den Göttern Suhlu's untreu würde, so würd' ich doch nachher Eure Religion wieder von mir werfen, wie ein unbequemes Gewand. Der Mensch muß frei denken, frei und ohne Zwang muß sich seine Ueberzeugung in ihm selbst erschaffen, keine Gewalt muß hinzutreten, und dem Strome der Vernunft seine Ufer setzen wollen, – und diese freiwillige Ueberzeugung kömmt bei mir noch nicht.
SEBASTIANO. Nun wohl. Aber wenn Du verloren gehst, so laß Deine Unterthanen wenigstens der Seligkeiten genießen, die Du zurückstößest. Welcher sterbliche Verstand kann mit Zuversicht zu mir sagen: Du lügst! – Der kühnste Zweifel ist noch lange nicht Gewißheit, und solltest Du so grausam sein, dem Glücke Deiner Unterthanen in den Weg zu treten? – Nicht eines Glücks von wenigen Jahren, von nimmer untergehenden Ewigkeiten. – Wenn die Erfüllung meiner Worte nur noch möglich ist, so darfst Du nicht unsern Eintritt in Suhlu verhindern. – Der Verstand muß frei sein, wie Du selber sagtest, versage diese Freiheit also auch nicht Deinen Unterthanen, laß jeden sich selbst überzeugen; wer nicht überzeugt wird, – der mag dann verloren gehen!
ALLA-MODDIN. Deine verführerischen Worte sollen mich nicht täuschen. – Traust Du mir den Aberwitz zu, bittres Meerwasser in meine süßen Quellen zu tragen? – Tugend muß stets glücklich machen, und meine Suhluaner sind tugendhaft. Aber sieh umher, betrachte die sonst so blühenden Länder, die Christen haben sie vergiftet; betrachte die sonst so redlich gesinnten Insulaner, Eure Lehre hat sie vergiftet! Was hilft die Lehre, die ihre Bekenner nicht besser macht? – Meine lieben Unterthanen auf Suhlu sind besser als Du, und doch kennen sie Deinen Gott nicht! drum geh', ich will Dich nicht länger hören, Du selber spottest Deines Gottes!
SEBASTIANO. Frevler, ich?
ALLA-MODDIN. Gebietet Euer Gott nicht Tugend?
SEBASTIANO. Allerdings.
ALLA-MODDIN. Und doch verstopft Ihr Eure Ohren seinen Gesetzen? – Ihr verletzt das erste göttliche Gesetz; die Gastfreundschaft ist jedem Suhluaner heilig, Ihr aber werft den Fremdling in den Kerker, und laßt ihn im Elende schmachten.
SEBASTIANO.