in das Herz des Leidenden!
Hinter fernen Bergen
sinkt die Nacht hinab,
und mit goldenem Gefieder
steigt ein schönes Morgenroth
aus der dunkeln Finsterniß,
Hoffnung! Hoffnung! holde Göttin,
einen Tropfen Linderung
gieß aus deiner goldnen Schaale
in das Herz des Leidenden!
Sie sieht ihn an, er umarmt und küßt sie, LINI legt seinen Kopf in den Schooß seiner Mutter, und blickt freundlich lächelnd zu seinen Eltern auf.
ALLA-MODDIN. Ja, es muß besser werden!
(Der Vorhang fällt.)
Zweiter Aufzug
(Zimmer des Gouverneurs.)
Erste Scene
ALONZO, PEDRO, ein Offizier, treten herein.
ALONZO. Ein spanisches, sagten Sie?
PEDRO. Ein spanisches Kriegsschiff von achtzig Kanonen.
ALONZO. Aus welcher Absicht ist es gelandet?
PEDRO. Es will sich hier von neuem mit frischem Wasser versorgen, da eine Windstille es unterwegs lange aufgehalten hat.
ALONZO. Gut.
Pedro geht ab.
Zweite Scene
ALONZO. Ein spanisches Kriegsschiff? – Warum können mich die Ueberredungen Sebastiano's nicht ganz beruhigen? – Bin ich ein Verbrecher? – Nein, es ist unmöglich, wem soll ich folgen, als der Religion und ihren Dienern? – Und doch blick' ich mit Bangigkeit in die Zukunft. – Was ist es, das ich fürchte, wenn unvermuthet ein Schiff an diese Küsten landet? – Welche furchtbare Nachrichten erwarte ich? – Wenn doch Sebastiano käme, in seiner Gegenwart fühl' ich mich stärker. –
Dritte Scene
ALONZO. EIN BEDIENTER.
BEDIENTER. Ein Fremder will die Ehre haben aufzuwarten.
ALONZO. Wer ist es?
BEDIENTER. Er hat mir seinen Namen nicht gesagt.
ALONZO. Sonderbar! Laß ihn hereinkommen.
Der BEDIENTE geht ab, öffnet die Thür und läßt den FREMDEN herein.
Vierte Scene
ALONZO. DER FREMDE.
DER FREMDE verbeugt sich gegen den Gouverneur, der ihn mit aufmerksamen Augen betrachtet.
ALONZO. Was – verlangen Sie?
FREMDER. Die Gewährung einer Bitte.
ALONZO. Sie ist?
FREMDER. Mich anzuhören.
ALONZO. Das ist meine Pflicht. – er klingelt, ein BEDIENTER erscheint. – Stühle. – der Bediente setzt Stühle. Setzen Sie sich. – man setzt sich. – Ihr Vortrag?
FREMDER. Betrifft – den unglücklichen Alla-Moddin.
ALONZO. In welcher Rücksicht?
FREMDER. Für ihn zu bitten komm ich hieher, ich will es versuchen, ob meine Worte Eingang bei Ihnen finden.
ALONZO. Für den Verräther?
FREMDER. O säße auf meinen Lippen die süße Ueberredung, daß ich Sie von der Unschuld dieses unglücklichen Fürsten überzeugen könnte.
ALONZO. Was können Sie zu seiner Vertheidigung sagen?
FREMDER. Gehn Sie in seinen Kerker und ich bedarf keiner Worte, sehn Sie es selbst, wie der, der sonst frei und glücklich war, seufzend dasitzt, das Haupt gegen die gefühllose Mauer gelehnt. – O Alonzo, er war einst König.
ALONZO. Aber er ist ein Verräther.
FREMDER. Er? – O glauben Sie nicht alles, was boshafte Freunde sagen. – Er ein Verräther? O lassen Sie Ihre Großmuth über Ihren Argwohn siegen, hören Sie meine Bitte, geben Sie der Welt ein Beispiel des Edelmuths, erwerben Sie sich die Dankbarkeit eines Fürsten, die Liebe eines Volks, öffnen Sie seinen Kerker; – geben Sie meiner Bitte Gehör!
ALONZO. Ich kann nicht.
FREMDER. Sie können nicht? – Wer darf Ihnen hiebei Gesetze vorschreiben?
ALONZO. Er werde Christ – und sogleich werden sich die Riegel seines Kerkers öffnen. Dies sei der Beweiß seiner Unschuld.
FREMDER. Indem er sich des Verdachtes schuldiger macht? – Wäre Alla-Moddin ein Verräther, schon längst hätte er Ihr Anerbieten angenommen, schon längst hätte er den Schritt gethan, auf den Sie dringen, und wäre längst unsrer Religion wieder untreu geworden.
ALONZO. Er werde Christ.
FREMDER. Der friedliche Alla-Moddin, der mit seiner Gattin und seinem Sohn hieher kam, ein Verräther? – O Sie glauben es selbst nicht, Sie können es nicht glauben; reißen Sie sich von den Ketten los, die Ihre Meinung fesseln, – hören Sie mich, Alonzo!
ALONZO. Er werde Christ.
FREMDER. Sein Sie gerecht! – Es führen mehrere Wege zur Tugend, zum Glück.
ALONZO. Sie sprechen kühn.
FREMDER. Für einen Freund. – Sein Sie gerecht! Kann Ihre Meinung, oder nennen Sie es Religion, nicht auch irren? – Lassen Sie ihm seine Ueberzeugung, die ihn beruhigt, die ihn beglückt, lassen Sie ihn mit dieser leben, und nach seinem Tode selbst dem Rechenschaft geben, der ihn mit diesen Gesinnungen schuf.
ALONZO. Sie setzen mich in Erstaunen.
FREMDER. Sein Sie gerecht! – Ahmen Sie des Allmächtigen Güte nach, dessen Bekenner wir sind, sein Sie gütig, um auch seine Güte zu verdienen. – Er läßt über Suhlu und Manilla regnen, über beide Inseln rollen seine Donner, über beide lächelt sein Sonnenschein. Er straft nicht, warum wollen Sie strafen? – Er erzwingt von keinem Geschöpfe Anbetung und Lob, denn jeder Athemzug der Natur ist sein Lobgesang. – Warum wollen Sie es thun? – Sein Sie nicht grausam, wenn er gütig ist, geben Sie meinen Bitten Gehör –!
ALONZO. Sie – – –
FREMDER. O sprechen Sie es aus das schöne Bekenntniß, das Sie in meinen und den Augen der Welt erheben wird: sprechen Sie die Worte aus: Er sei frei!
ALONZO. Aber – – –
FREMDER. Sprechen Sie es aus, damit ich Ihr Freund sein kann.
ALONZO. Bedenken Sie – –
FREMDER. Er ist frei?
ALONZO. Er – –
SEBASTIANO tritt herein.