Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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atmend, mit diesem Lächeln auf den Lippen, schloß er die Augen, weil ihn der silberne Glanz der Wolken blendete.

      Stille. Träumende Sonnenstille.

      Kaum hörbar fächelte der laue Wind um die Almrosenbüsche mit ihren halb verwelkten Blüten, machte die Blätter zittern und rollte die abgefallenen Blütenkelche spielend über das kurze Gras.

      Langsam zogen die weißen Wolken im Blau, sammelten sich immer dichter und hüllten schon die höchsten Spitzen ein. Doch immer fand die Sonne zwischen Nebel und Gewölk noch eine Gasse für ihre Strahlen.

      Es war schon Mittag vorüber, als die beiden aus ihrem wohligen Sonnenschlaf erwachten. Sie stiegen über den Berghang hin und hielten Einkehr im Steinernen Hüttl, in einer aus groben Felsblöcken gefügten Sennhütte. Da gab es freilich nur Milch und grobes Brot mit frischer Butter, aber die beiden spürten einen Hunger, der mit allem zufrieden war.

      Während sie neben der Sennhütte auf dem Rasen kauerten, jeder mit der Milchschüssel auf den Knien, fragte Ettingen: »Praxmaler? Sie sind heute nicht wie sonst. Was ist denn los mit Ihnen?«

      »Nix! Na, na! Gar nix!« Pepperl wurde rot bis über die Ohren.

      »Doch, Pepperl! Irgend etwas stimmt heute nicht bei Ihnen. Haben Sie Unannehmlichkeiten in Ihrer Familie?«

      »Ah na! Gottbewahr!« Pepperl tat einen schnappenden Atemzug. »No ja, wissen S', Duhrlaucht, freilich, in der Familli gibt's allweil a bißl was. Ja, ja, es wird schon so was sein – wo man ›Familli‹ sagen könnt.«

      Ettingen stellte die Schüssel beiseite. »Na also! Mir dürfen Sie alles sagen. Ich bin Ihnen doch ein guter Herr, nicht wahr? Sie können offen mit mir reden. Was drückt Sie?«

      Pepperl schluckte. »Schauen S', Duhrlaucht – weil S' so freundschäftlich mit mir reden, da kann ich auch net zruckhälterisch sein und muß schon gleich alles aussikitzeln.« Er seufzte schwer, guckte tiefsinnig in die Milch und drehte die Schüssel zwischen den Knien. »A bißl was Dummes hab ich halt angstellt.«

      »Im Dienst?«

      »Gottbewahr!« wehrte Pepperl erschrocken ab. »Auf der Jagd hab ich mein Köpfl allweil beinand!« Jetzt wurde er wieder kleinlaut. »Aber in der Lieb halt! Da hab ich an Dalken gemacht.«

      Ettingen lachte.

      Dem Praxmaler-Pepperl war bitter ernst zumut. »Wissen S', Duhrlaucht, da hab ich mich jetzt in so a Madl verschaut. Z'erst haben wir allweil gstritten und ghachelt mitanand. Und gahlings – no ja!« Pepperl seufzte. »So was kommt, wie 's Teuferl aus der Schachtel hupft. Und nacher steht man da wie der Ochs am Berg. Aber a guts Madl, dös muß ich sagen. Recht a liebs und a fleißigs Madl! Die Burgi drunt, wissen S'!«

      »Unsere Sennerin? Brav, Pepperl! Zu dieser Wahl gratulier ich Ihnen. Das ist wirklich ein nettes Mädel.«

      Diese Zustimmung schien Pepperls Herz ein wenig zu erleichtern. »Gelten S', die gfallt Ihnen? Und so viel gern hat's mich! No ja – jetzt muß halt gheiret werden, geht's, wie's mag, jetzt hab ich die Verantwortigung!« Mit beiden Händen scheuerte Pepperl kummervoll die Kreuzerschneckerln. »Ich hab schon 's Pech! Ich komm aus der Verantwortigung gleich gar nimmer aussi. So oder so! Aber d' Mutter! Mar und Joseph! Die wird an schönen Spittakel machen! Teufi, Teufi, Teufi! Da gfreu ich mich drauf!«

      »Ihre Mutter?«

      »No ja, wissen S', wie d' Mütter halt sind! Dös wär so ihr Gust gwesen, daß ich amal gscheit heireten tät. Und jetzt bin ich angrumpelt! Und komm so daher! A liebs Madel, freilich, und gern hab ich's! Aber haben tut's halt nix, wissen S', nixer wie nix. Und d' Mutter und ich, wir haben vom Vater her noch Schulden auf'm Häusl. Und dös Madl hat an Vater, so an alten Krackler. Den muß ich ins Haus nehmen und muß ihn derhalten. Mei' Mutter wird ihn freilich ordentlich kuranzen. Da sieht er 's ganze Jahr kein Wirtshäusl nimmer, außer auf Ostern und Weihnächten. Aber 's Gwand und 's richtige Essen muß er allweil kriegen. Und so wird's halt Sorgen über Sorgen geben. In der sogenannten Familli! Sie wird net lang ausbleiben, d' Familli – denk ich mir, ja! Aber hab ich A gsagt, muß ich B sagen, in Gotts Namen! Und da wär's mir schon lieb, Herr Fürst, wann S' mir als Jagdherr d' Heiratsbewilligung geben täten. Könnt sein, es pressiert a bißl. Ich tät schon recht schön bitten, ja!« Er hatte nasse Augen, als er das sagte.

      »Die geb ich Ihnen von Herzen gerne.«

      »Gott sei Dank!« Pepperl atmete auf. »Da is mir der ärgste Stein von der Seel!«

      Ettingen lächelte und sah dem Jäger herzlich in die Augen. Was wäre ihm in der Stimmung dieses Tages willkommener gewesen, als die Freude und das Glück zweier Menschen schaffen zu dürfen! »Wieviel Schulden haben Sie denn auf Ihrem Haus?«

      Das ging hart heraus: »Dreihundert Gulden!«

      »Die wird Ihre Braut schon bezahlen können.«

      »Aber!« Pepperl machte schiefe Augen zu diesem Witz. »Der muß ich ja zur Hochzeit die Pomeranzen und 's Salzbüchsl kaufen! So viel hat die!«

      »Nein, Pepperl! Soviel ich weiß, hat Ihre Braut fünfhundert Gulden zur Aussteuer.«

      »Ja, wär schon recht! Da müßt's ihr rein einer schenken! Aber so an verruckten Narren gibt's net auf der Welt!«

      »Doch!« Ettingen lachte. »So ein Narr bin ich!«

      »Was?« Pepperl verfärbte sich, und seine Hände zitterten, daß aus der Milchschüssel ein weißer Taufguß über die Kurzlederne niederging. » Was haben S' gesagt?«

      »Daß ich der Burgi das zur Aussteuer gebe.«

      »Mar und Joseph!«

      »Und der Förster hat viel Arbeit mit der Jagdverwaltung. Er wird eine Hilfe brauchen. Das haben Sie mir doch neulich bei der Jagd im Geißtal drunten selbst gesagt. Da will ich vorschlagen, daß er Sie zum Oberjäger macht, mit entsprechendem Gehalt natürlich.«

      »Was?«

      »Haben Sie nicht verstanden?«

      Die Milchschüssel kollerte über Pepperls Knie hinunter. Starr guckte er den Fürsten an, schlug die Hände ineinander und stotterte: »Ich bitt Ihnen, Duhrlaucht, tun S' mich a bißl am Ohrwaschel reißen! Sonst glaub ich's net!«

      »Was ich sage, das gilt!«

      In Zweifel studierte der Jäger noch eine Sekunde lang das Gesicht seines Herrn. Dann stieg ihm der Glaube und die Freude zu Kopf wie ein elftes und zwölftes »Viertele« vom roten Spezial. Gleich einem Verrückten sprang er auf und schrie einen Jauchzer zum Himmel, daß der Senn vor die Tür gelaufen kam. »Duhrlaucht! Duhrlaucht! Wann ich heut net überschnapp, is mir der Verstand angnagelt im Hirnkastl drin! Mar und Joseph! So hat sich noch keiner ins Glück einigsuffen wie gestern ich!«

      Ettingen machte die Erfahrung, daß es Menschen gibt, denen man eine Freude nicht minder vorsichtig mitteilen sollte als eine Trauerbotschaft. Denn Pepperl drückte im ersten Sturm seinem Herr die Hand, daß Ettingen noch eine Stunde später die Finger kaum bewegen konnte.

      Mitten in diesem Jubel kam dem Jäger gleich wieder eine Sorge. »Um Gottes willen, Duhrlaucht, wann's mit der Aussteuer wahr is, sagen S' nur ja keim Menschen a Wörtl davon!«

      »Nein, Pepperl, das bleibt unter uns.« Ettingen hatte die Bitte anders verstanden, als sie gemeint war.

      »Wenn so was unter d' Leut käm, da hätten S' kei' Ruh nimmer, Tag und Nacht. Da tät die ganze Gegend heireten auf Ihnen nauf! Und jeder, der was brauchen könnt, tät sich denken: Ah was, der gute Kerl, der gibt mir's schon! – Nimmer schlafen könnten S' vor lauter Brautleut!«

      Ettingen lachte. »Ja, Pepperl, da wollen wir lieber reinen Mund halten!«

      Als sie den Heimweg antraten, hatte der Jäger solche Eile in den Beinen, daß er immer ein paar hundert Schritt voraus war und wieder stehenbleiben mußte, um auf seinen Herrn zu warten.

      Ehe der Pfad sich in den Wald verlor, kletterte Pepperl auf eine vorspringende