Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


Скачать книгу

»Muß doch schauen, ob ich 's Madl net sieh!«

      Das Mädel war unsichtbar. Dafür entdeckte Pepperl was anderes: eine vierspännige Equipage und einen Zweispänner, die im Hof des Jagdhauses standen. »Duhrlaucht! Da fahren Ihre Gäste davon! Die Herrschaften sitzen schon im Wagen, und grad steigt der Herr Martin auf'n Bock. Und jetz fahren s' aussi zum Türl!«Ettingen antwortete nicht; er machte nur lächelnd mit der Hand eine Bewegung, die jedes Wort ersetzte.

      Pepperl war sehr aufgeregt. »Ja kommt denn der Herr Martin fort? Für ganz?«

      »Ja. Und Sie werden seinen Dienst bei mir übernehmen müssen –«

      Da machte Pepperl ein Gesicht, als hätte sich in seinem Freudenkelch der letzte Tropfen Wermut in Zucker verwandelt.

      »– und bei Tisch servieren.«

      Nun erschrak er. »Teufi, Teufi, Teufi, dös wird sich hart machen!« Mißtrauisch sah er seine klobigen Tatzen an. Dann lachte er. »Duhrlaucht! Wann S' heut zu mir sagen, ich soll an Heuwagen auflupfen mit eim Zwirnsfaden, nacher probier ich's auch!«

      Nun ging es talwärts ohne Aufenthalt. So flinke Beine Pepperl auch machte, Ettingen blieb nicht zurück hinter ihm. Bei diesem ungeduldigen Abstieg plauderten sie nur wenig. Der Fürst war in Gedanken versunken, und auch Pepperl hatte zu »sinnieren«. Er studierte, wie er's Burgi sagen wollte. Was die für Augen machen würde! »Teufi, Teufi, Teufi!« Selig lachte er vor sich hin.

      Eine Stunde, und sie hatten die Tillfußer Alm erreicht. Als sie aus dem Walde traten, kam der Förster mit Mazegger von der anderen Seite übers Almfeld heraufgestiegen. Schon von weitem winkte Kluibenschädl dem Fürsten zu und rannte ihm atemlos entgegen: »O mein Gott, Duhrlaucht, wenn S' nur haut bei mir gwesen wären! Da hätten S' an Hirsch geschossen, an Kapitalkerl!«

      »So?« Ettingen schien über den Entgang dieser Weidmannsfreude nicht sonderlich betrübt.

      »Ja, denken S', wie ich gegen zehne vormittags beim Steigvermessen abikomm auf's Straßl, schau ich so zufällig zum Bach ummi. Was steht drunt? A Kapitalhirsch! Gar net kümmert hat er sich um uns. Und wer weiß, wie lang er noch ghalten hätt, wann 's Malerfräuln net daherkommen wär.«

      »Fräulein Petri?«

      »Ja. Die is auf ihrem Hansi aussigritten zum Sebensee. Natürlich, da hat sich der Hirsch davongmacht. A ganz gmütlich is er angstiegen. Zwei-, dreimal hätt man ihn noch derwischen können mit der Kugel. Und d' Haar hätt ich mir schier ausgrissen, weil ich mir allweil hab denken müssen: Ja, wenn nur der Herr Fürst da wär, um Gottes willen, wenn nur der Herr Fürst da wär!«

      »Ja, Herr Förster«, Ettingen lächelte, »ich weiß nicht, was ich drum gäbe, wenn ich bei Ihnen gewesen wäre.«

      »Gelten S', ja? Aber morgen müssen S' abi auf den Hirsch! Der kommt wieder.«

      »Nein, lieber Förster! Für morgen hab ich andere Pläne. Praxmaler!«

      Pepperl, der zur Sennhütte hinuntergeschielt hatte, fuhr auf: »Ja, Herr Fürst?«

      »Morgen machen wir einen Pirschgang zum Sebensee. Früh um drei Uhr. Dann sind wir draußen, bis die Sonne kommt.« Ettingen nickte dem Jäger zu und ging zum Fürstenhaus hinauf, in dessen Tür Graf Sternfeldt erschienen war.

      Pepperl, um seine Büchse loszuwerden, sprang ins Försterhäuschen. Kluibenschädl wollte ihm folgen. Da sag er Mazegger stehen und sagte freundlich zu ihm: »Jetzt leg dich schlafen, Toni! Du mußt ein' erbarmen, wenn man dich anschaut. Seit Mittag hast dich schier nimmer auf die Füß halten können. Sei gscheit und schlaf dich ordentlich aus! Und wenn dir morgen net besser is, so bleib halt liegen.«

      »Morgen?« Mazegger nickte und ging seiner nahen Hütte zu.

      Droben im Hof des Fürstenhauses war Sternfeldt dem Freunde lachend entgegengekommen. »Schau hinauf, Heinz, wie wir gelüftet haben!« Am Jagdhaus standen alle Fenster offen. »Und damit du das Ende der Komödie entsprechend heiter nimmst, hab ich eine Überraschung für dich. Baronin Prankha und Mucki, der Edle von Sensburg, empfehlen sich als Verlobte.«

      »Nein?«

      »Wahrhaftig!«

      Da lachte Ettingen hell hinaus.

      »Ich war sogar Zeuge dieses weltgeschichtlichen Aktes. Dem kleinen süßen Mucki schien's ›einigermaaasen‹ überraschend zu kommen, als sie ihm vor meinen Augen feierlich die Hand reichte – um jedes Mißverständnis auszuschließen, wie sie sagte. Du hättest sein Gesicht sehen sollen! Im ersten Moment war er so verblüfft, daß er Hochdeutsch sprach. Das will viel sagen. Dann wurde er wieder ganz ›Fiaker‹, stellte sich sehr empört über dich – was er sich dabei dachte, will ich nicht näher untersuchen –, ärgerte sich, daß er ›ohne Gams‹ fort sollte, und gab dem drolligen Lied seiner Wut und Verlegenheit den klassischen Refrain: ›So eine Benehmitätt, großoatig!« Sternfeldt lachte. »Er brauchte zehn Minuten, um sich in die Glücksstimmung hineinzuzappeln. Aber dann, aaah! Als er mit ihr abdampfte, benahm er sich in der Rolle des Glücklichen so meisterhaft, daß ich ihn fast um seine Dummheit beneidete. Na also!« Heiter winkte er gegen den Wald hinunter. »Fort mit Schaden! Sie wird ihm ehrlich helfen, die dunklen Millionen seines Vaters ins Rollen zu bringen.« Nun wurde er ernst. »Aber du, Heinz? Dein Brief? Ich stand vor diesem Bekenntnis wie der Prophet vor dem Berg. Aus der einen Todesangst um dich errettest du mich und wirfst mich in die andere.«

      Ettingen legte den Arm um die Schulter des Freundes. »Komm!«

      Sie traten ins Haus.

      Drüben bei der Försterhütte rumpelte Pepperl aus der Tür und surrte über das Almfeld hinunter, mit langen Sprüngen, als könnte er den Augenblick nicht erwarten, den er sich auf dem Heimweg ausgemalt hatte wie der Hungrige die Mahlzeit. Auf der Schwelle der Sennhütte stellte er sich breitspurig hin, mit den Daumen in den Hosenträgern und mit dem Hütl im Genick. »Grüß Gott, Frau Oberjagerin!«

      Burgi erhob sich von der Herdbank, machte scheue Augen und fuhr sich mit dem Schürzenzipfel über die Wangen, als hätte sie einen feuchten Tag hinter sich. »Geh, du!« Mehr sagte sie nicht.

      Pepperl schraubte seine Stimme. »Grüß Gott, Frau Oberjagerin!«

      »Ich bitt dich, Pepperl, mach mir heut kei' Fasnacht her! Mir ist net z'mut danach. Ich weiß schon, wie ich dran bin.« Das war ein Ton, als wären die Tränen nicht weit.

      Der Jäger lachte und rief es zum drittenmal: »Grüß Gott, Frau Oberjagerin!« Dann sprang er auf das Mädel zu wie der Fuchs auf die Ente, packte sie mit beiden Armen, wirbelte sie im Kreis und küßte sie ab, daß ihr der Atem verging.

      »Wenn's einer sieht! Mar und Joseph!« stotterte sie wehrlos unter seinen Küssen.

      »Soll's sehen, wer mag! Meinetwegen der Pfarr!« Dann kam's wie ein Wolkenbruch der Freude aus ihm heraus: »Fünfhundert Gulden und Oberjager!«

      Als sie begriffen hatte, brachte sie keinen Laut aus der Kehle und drückte das Gesicht an seine Brust.

      Er schmiegte die Wange an ihren Kopf, tätschelte sie auf den Rücken und tröstete: »Geh, Schatzerl, tu dich doch lieber freuen! Warum denn weinen? Geh, macht nix, macht nix! Is ja doch eh alles gut! In vier Wochen wird gheiret!«

      »Pepperl! – Is dös wahr?«

      »Meiner Seel!«

      Da legte sie ihm die Arme um den Hals und atmete auf. »Nacher is mir alles recht! Alles!«

      »Gelt, ja? Und unser Herr Fürst! Gleich hat er's in der Nasen ghabt, daß ebbes mit der Familli net in Ordnung is. Und alles verzähl ich dir auf'n Abend! Jetzt hab ich kei' Zeit, jetzt muß ich nauf. Oder weißt es noch gar net? Der Schwarzlackierte is abgschoben.«

      »Ja! Gott sei Dank!«

      »Jetzt hab ich d' Verantwortigung, weißt! Jetzt muß ich sehrwieren bei der Tafel.«

      »Was mußt?«

      »Sehrwieren muß ich, aufwarten beim Essen.«

      »Du,