Augen an. Die schienen ihnen seinen Willen aufzwingen zu wollen. Und es ging tatsächlich etwas Zwingendes von Freeman aus. »Denkt an die Frauen, Kinder und Alten«, fuhr Freeman fort. »Oder habt ihr keinen Mut? Seid ihr feige Memmen? Wo sind die Männer von Tombstone?«
Mit dieser Herausforderung hatte der braunhaarige, ehemalige Captain Erfolg. Es gab wohl kaum einen Mann, der sich einen Feigling nennen lassen wollte.
»Freeman hat recht«, rief jemand lauthals. »Bilden wir eine Bürgerwehr. Jagen wir doch die Apachen zum Teufel.«
»Dazu brauchen wir eine Miliz«, hakte Freeman sofort nach. »Wir brauchen Männer, die rund um die Uhr Wache stehen. Zeigt sich einer dieser rothäutigen Bastarde, schicken wir ihn zu Manitu. Wir brauchen viele Freiwillige, damit wir es auch mit einer größeren Horde aufnehmen und unsere Stadt, unser aller Leben wirksam verteidigen können.«
»Tod den Apachen!« schrie einer aus der Menge. Der Ruf pflanzte sich fort. »Tod den Apachen! Tod den roten Hunden!«
Ein Rausch erfaßte die Menschen. Ehrbare Bürger, die sonst friedfertig, gutmütig waren, eher furchtsam denn tapfer, verwandelten sich in reißende Bestien, wurden zum Pöbel, zum Mob.
Die ersten Männer marschierten unter dem tosenden Beifall der Menge zum Horseshoe Saloon. Die Musikkapelle blies einen Tusch, Tanzgirls kreischten und winkten den »Helden« zu.
Brüllend und johlend bewegten sich die Männer in Richtung Kneipe, angestachelt von den Rufen der entfesselten Bevölkerung.
»Lion« Bill Freeman konnte zufrieden sein. Er hatte erreicht, was er erreichen wollte.
40 wehrfähige Männer hatten sich in die Liste der Bürgerwehr eintragen lassen.
So gründete »Lion« Bill Freeman das berühmt-berüchtigte Frontier Bataillon.
*
Vor Haß glühende Augen beobachteten das Treiben in den Straßen von Tombstone. Flink huschten braune Gestalten von Deckung zu Deckung, die Waffen fest umklammernd.
Die Bürger von Tombstone waren so damit beschäftigt, die Männer des neuen Bataillons zu feiern, daß sie nicht an jene dachten, die sie bekämpfen wollten.
Ganz Tombstone drängte sich auf der Main Street, auf den öffentlichen Plätzen und vor dem Horseshoe Saloon. Niemand achtete auf die Häuserlücken in den Nebenstraßen, keiner sah zu den flachen Dächern hoch.
Dicht an dicht gedrängt stand die Menschenmenge erneut um das Podium versammelt, auf dem Bill Freeman in Siegerpositur eine überschwengliche Dankesrede hielt, in der er die Tapferkeit der 40 unerschrockenen »Rekken« pries, die nun die Sicherheit von Tombstone verteidigen würden.
Und wieder erscholl der Ruf: »Tod den Apachen!«
Ein wahrer Taumel hatte die Menschen ergriffen, eine unbändige Lust am Töten bemächtigte sich ihrer. Sie schrien wie im Blutrausch. Sie waren bereit zum Töten, selbst dann, wenn sie nicht angegriffen wurden.
Sie brüllten nach Apachenskalps, nach blutiger Rache.
Und in einen dieser Rufe: »Tötet die Apachen!« mischte sich urplötzlich der Kriegsschrei der Chiricahuas. Wildes, zischelndes: »Zastee! Töte!« erscholl hoch über den Köpfen der entsetzt aufhorchenden Bürger.
Auf einem der Flachdächer hatte sich ein Apache zu voller Größe erhoben, ungeachtet der Tatsache, daß er für die Männer unter sich eine gute Zielscheibe bot. Sehnige braune Fäuste umklammerten einen Karabiner älteren Modells. Ein Schuß peitschte. Getroffen schrie ein Mann auf. Die Kugel des Apachen hatte seine Schulter durchschlagen.
Der Apache fand keine Zeit, den alten Karabiner neu zu laden. Von der Straße wurde zurückgefeuert. Der Krieger breitete die Arme aus, stürzte mit einem gräßlichen Todesschrei in die Tiefe und blieb seltsam verrenkt auf dem Boden liegen.
Aus den Gassen blitzten Mündungsfeuer. Menschen schrien, Pferde wieherten in panischem Schrecken.
Hufschlag klang auf. Das Pochen unbeschlagener Hufe.
»Ihnen nach!« schrie jemand. »Holt euch die Skalps dieser räudigen Hunde!«
Männer hetzten zu ihren Pferden. Ein unbeschreibliches Durcheinander entstand.
Freeman wurde von den Bürgern hochgelobt. Daß seine Idee mit der Gründung des Frontier-Bataillons genial war, davon waren die Bürger nun restlos überzeugt.
*
Als die Sonne über die Berge im Osten stieg, befanden sich Jeffords und Haggerty bereits außerhalb der Bergfeste, aber immer noch auf Chiricahua-Gebiet.
Johns Gedanken weilten noch in der Apacheria bei »Sanfter Wind«, während Thomas Jeffords an sein Abkommen mit Cochise dachte. Obwohl der Häuptling ihm freie Durchfahrt für die Butterfield-Kutschen zugesichert hatte, war Jeffords keineswegs zufrieden.
»Ob unser roter Freund sich auch dann noch an sein Wort gebunden fühlt, wenn er erneut mit der Army aneinandergerät?« fragte Jeffords. Das befürchtete er insgeheim. »Ich denke, sein Haß auf Lieutenant Bascom ist so groß, daß er sich bald mit den Blauröcken anlegen wird. Und dann gebe ich trotz seines Versprechens keinen lausigen Cent für die Sicherheit der Overland.«
John Haggerty mußte sich zusammenreißen, um Jeffords Gedankengang zu folgen und nicht ständig an das Mädchen zu denken.
»Es kann sein, daß Sie leider nur allzu recht haben«, erwiderte er schließlich. »Unser Ritt zur Apacheria hat nicht viel eingebracht. Howard dürfte nicht gerade begeistert sein. Übrigens, Tom, was glauben Sie, würde Cochise dazu sagen, wenn ich seine Schwester heirate?«
Jeffords sah den Gefährten überrascht an.
»So tief sitzt es also? Sie wissen, welchen Namen die Leute für den Ehemann einer Indianerin haben, John? Auch kann ich kaum glauben, daß sich die Kleine unter Weißen wohl fühlen würde. Sie kennen doch unsere lieben Mitmenschen, John. Tlaina würde verachtet und beleidigt, schlimmer noch, gehaßt werden. Wenn Sie das Mädchen wirklich lieben, John, dann verzichten Sie auf sie.«
»Ich dachte an eine Apachenhochzeit«, sagte der Scout. »Schon damals, als ich sie kennenlernte. Ich könnte Tlaina vor dem Schamanen zur Squaw nehmen und immer wieder in die Bergfeste zu ihr zurückkehren.«
»Lassen Sie diese Gedanken lieber fallen«, riet der Postmeister der Butterfield Overland. »Sie sind Chiefscout der Armee, John. Und bald, fürchte ich, wird Cochise vergessen, daß wir so etwas wie seine Freunde sind. Wir alle werden es vergessen müssen. Es wird zum großen Indianerkrieg kommen, Amigo. Die Erde dieses Landes wird brennen. So hat es Cochise prophezeit. Und so wird es geschehen.«
»Sie können einem Mann die Zukunft in den schönsten Farben ausmalen«, kam es sarkastisch über Johns Lippen. »Manchmal habe ich es wirklich satt, für die Armee zu reiten.«
Jeffords hüllte sich in Schweigen.
An einem klaren Bach tränkten sie die Pferde, kochten Kaffee. Sie aßen wenig. Die Sorge hatte den Hunger vertrieben.
Ihr Weg führte über Ebenen, durch kleine Waldstücke und zerfurchte Canyons. Bis zum San Pedro wollten sie zusammenbleiben.
»Verdammt, John, das ungute Gefühl, das ich beim Verlassen der Station hatte, läßt mich noch immer nicht los«, sagte Thomas Jeffords, als die beiden später eine kurze Rast einlegten, um doch etwas zu essen. »Seit den frühen Morgenstunden verstärkt sich dieses Unbehagen noch. Es tut sich was am Paß. Oder es hat sich bereits getan. Ich sage Ihnen, John, in diesem Land wird es keinen Frieden geben.«
»Wenn mich mein sechster Sinn diesmal nicht täuscht«, flüsterte John, »dann werden wir beobachtet. Damned, mein Pfadfinderrüssel riecht die Apachen. Gnade uns Gott, wenn es Mimbrenjos sind.«
»Nimmt Ihr Rüssel den Unterschied zwischen Mimbrenjos und anderen Apachen nicht wahr?« Jeffords grinste. »Mann, John, dann ist die Armee mit Ihnen als Scout schlecht dran. Wie dem auch sei, tun wir so, als würden wir nichts merken, und versuchen wir, so schnell wie möglich