Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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Petra. Du hast es mir unter Zeugen gegeben, hier vor den Augen meines Vaters.«

      Ihre Augen leuchteten.

      »Ich nehme es ernst, Nikolaus, so ernst wie du.«

      »Petra!« jubelte er. »Und wenn du mir böse bist, ein einziges Mal muß ich dich küssen.«

      Wortlos reichte sie ihm die Lippen, die er zart berührte.

      »Es ist ein Glückstag für die ganze Eckhardtsche Familie. Zuerst die Mutter – und nun du, geliebte Frau.«

      Um Petras weichen, hingebungsvollen Mund stand ein verträumtes Lächeln.

      *

      Am Nachmittag waren, wie mit Leontine verabredet, Helmuth Wendler und seine Mutter eingetroffen.

      Ein paar Stunden später, als Lorchen bereits im Bett lag, stahl Helmuth sich von der Terrasse, auf der bereits die Lampen brannten, und schritt in den dämmerigen Park hinein.

      Irgendwo mußte doch das dunkelhaarige Mädchen sein, an das er immerzu denken mußte. Wie blaß sie ausgesehen hatte! Während sie alle in Harmonie und Glück zusammensaßen, hatte sie bedrückt dabeigestanden. Die Lippen waren herb aufeinandergepreßt gewesen, als sie von Sprengers Tod erfahren hatte.

      Vor sich sah er ein helles Kleid durch das Blattwerk schimmern. Ein freudiger Schreck zuckte ihm zum Herzen.

      Er beschleunigte seinen Schritt und tauchte etwas atemlos neben ihr auf.

      »Sie sind es?« hörte er sie sagen. Es klang, als ob sie enttäuscht wäre.

      »Sie wollten allein sein?« forschte er höflich. »Sicher trauern Sie um den Mann, den Sie einmal geliebt haben.«

      Reginas Augen hingen erschrocken an seinem Mund.

      »Sie sagen sehr richtig, den ich einmal geliebt habe«, sagte sie bitter.

      Er seufzte abgrundtief.

      »Ob Sie mich auch einmal so sehr lieben könnten?«

      »Herr Doktor«, verwies sie ihn entsetzt. »Wie kann man nur so gedankenlos daherreden? An Ihre Mutter denken Sie wohl nicht?«

      »Gefällt Ihnen meine Mutter?« fragte er rasch.

      »Sehr – man muß sie doch liebhaben.«

      »Das haben Sie sehr lieb gesagt. Dafür muß ich Ihnen einen Kuß geben.«

      Ehe sie sich wehren konnte, hatte er sich zu ihr geneigt und sie geküßt.

      »Herr Doktor…«

      »Hat es weh getan?« fragte er scheinheilig.

      Sie waren unterdessen in die Nähe der Terrasse gekommen, und Regina machte Miene, davonzulaufen. Er hielt sie jedoch zurück.

      »Jetzt gehen wir denselben Weg noch einmal zurück«, bestimmte er. »Ich bin mir noch nicht ganz klar, ob schon alles gesagt worden ist.«

      In Regina war auf einmal eine aufkeimende, beseligende Hoffnung. Sie sah zu ihm auf.

      Da zog er sie an sich.

      »Ich hab’ dich liebgewonnen, kleine tapfere Regina. Meine Mutter meint, ich dürfe nun nicht länger warten, sonst schliddere ich, ehe ich mich’s versehen würde, über die Dreißig und hätte eine Menge Schönes verpaßt.«

      Regina sagte kein Wort. Sie lehnte an seiner Brust und ließ sich küssen. Bis ihm ihre Schweigsamkeit auffiel.

      »Regina, Liebes – warum sagst du nichts?«

      »Glück macht stumm, Helmuth, und ich bin glücklich«, sagte sie innig.

      Er führte sie den Weg zurück. Am Fuß der Terrasse ließ er sie los, setzte im Sprung über die Stufen und stand wenige Sekunden später vor Petra.

      »Du wirst dich nach einer anderen Kinderpflegerin umsehen müssen, Petra«, lächelte er.

      »Warum denn, Helmuth?« Sie sah verwundert zu ihm auf. Er ging ein paar Schritte zurück und half Regina über die letzten Stufen. »Ach, dort ist sie ja…«

      Petra verstummte. Ein Blick in die beiden Gesichter sagte ihr genug.

      »Wir haben uns nämlich soeben gefunden und uns ewige Treue geschworen«, verkündete Helmuth laut und vernehmlich.

      Allgemeines Erstaunen folgte. Nur Tante Beate lächelte stillvergnügt vor sich hin.

      Regina wanderte von einem Arm in den anderen, bis Helmuth sich dagegen auflehnte.

      »So geht das nicht. Ich will noch etwas von Regina übrigbehalten.«

      »Egoist!« schalt Lisa gekränkt, strich der neuen Tochter über die heißen Wangen und schob sie dann dem Sohn zu. »Du wirst deine Not mit ihm haben, Regina.«

      Regina küßte Lisa Wendler auf die Wange.

      »Aber eine liebe Not, Mutter«, antwortete sie innig.

      »Und in spätestens einem Vierteljahr wird geheiratet«, bestimmte Helmuth.

      Keiner widersprach.

      Auf einmal war es merkwürdig still in dem Kreis geworden. Das Mondlicht lag schon auf dem Rasen vor der Terrasse. Ein milder Wind, vermischt mit süßem Rosenduft, wehte von den Hecken.

      Aus der Vergangenheit glitten die Gedanken in die Zukunft – die lag licht und schön vor ihnen. Was geschehen war, schien wie ein böser Traum, in die Vergessenheit versunken.

      Nikolaus griff nach Petras Hand. »Und übers Jahr, Petra – tun wir’s ihnen gleich!«

      – E N D E –

Mit den Augen der Liebe

      Gert Wendhoff packt seinen kleinen Handkoffer fester und passiert die Sperre des Hamburger Hauptbahnhofs. Es ist früher Morgen. Die lange Fahrt von Süddeutschland nach dem Norden und die schlaflose Nacht liegen ihm wie Blei in den Gliedern.

      Langsam, wie ein Mensch, der viel Zeit hat, zuviel Zeit, geht er durch die Halle. Er sieht an den einzelnen Ständen, wie geputzt und aufgeräumt wird. Ein Mann sucht Papier zusammen und läßt es in einem Sack verschwinden.

      Wendhoff bleibt sekundenlang vor dem Zeitungskiosk stehen, an dem schon reger Betrieb herrscht.

      Man müßte sich eine Tageszeitung kaufen – überlegt er – vielleicht steht eine ausgeschriebene Stelle für mich drin. Ohne den Gedanken zu verwirklichen, setzt er seinen Weg fort.

      Aus den Wartesälen dringt der Geruch frischen Kaffees in seine Nase. Er kämpft mit sich. Darf er sich ein warmes Getränk leisten? Seine Barschaft ist knapp, aber das Verlangen, etwas Warmes zu sich zu nehmen, ist riesengroß.

      Er sucht den Wartesaal Erster Klasse auf. Ein bitteres Lächeln zieht seine Mundwinkel herab. Eigentlich gehört er nicht hierher. Er gehört zu den Erfolglosen, zu denjenigen, die der Krieg entwurzelt hat. Alle Erwartungen, alle Hoffnungen haben der Krieg und die lange Gefangenschaft zerschlagen, und nur sein armseliges Leben, das er kaum fristen kann, hat er ihm gelassen.

      Wendhoff hat den Gang im Wartesaal durchquert. Angenehme Wärme umgibt ihn. Gedämpftes Licht strahlt auf weißgedeckte Tische. Er sucht sich einen Ecktisch aus und bestellt sich ein Kännchen Kaffee. Hinterher bereut er es. Eine Tasse hätte auch genügt.

      Er schließt die Augen, bevor er sich aus der silbernen Kanne den Kaffee in die Tasse gießt. Er glaubt, jetzt schon die belebende Wirkung zu spüren.

      Und dann trinkt er, Schluck um Schluck. Wie ein Ritus ist es. Wärme durchströmt seinen Körper und weckt seine Lebensgeister. Er kauft sich sogar eine Zeitung vom vorbeigehenden Händler und vertieft sich darin.

      Er überfliegt die Anzeigen der Vergnügungsstätten. Es berührt ihn kaum.

      Wendhoff schlägt die Seite um.