– es war der Name der schönen Polenmaid.
Taraß drückte ab.
Wie eine Weizenähre vor dem Sichelhieb, wie ein Lamm, das den Stich des Schlächtermessers im Herzen fühlt, senkte Andri das Haupt und fiel ins Gras, ohne ein Wort zu sagen.
Der Sohnesmörder stand und wendete lange kein Auge von dem entseelten Leichnam. Andri war auch im Tode schön. Sein männisches Gesicht, vor einer Stunde leuchtend von Kraft und unbesieglicher Leidenschaft für das Weib, bewahrte in der letzten Versteinerung den frischen Reiz der Jugend. Der schwarze Trauersamt der Brauen ließ die erblichnen Züge noch schneeiger scheinen.
»Was fehlte dir denn zum Kosaken?« sagte Taraß. »Hoch warst du von Wuchs und hattest schwarze Brauen und ein adliges Gesicht; stark war die Faust zum Kampf! Warum mußtest du so verrecken, ruhmlos verrecken wie ein schlechter Hund?«
Ostap kam im Galopp geritten.
»Vater, was hast du getan? Bist du es, der ihn erschossen hat?« fragte er.
Taraß nickte.
Ostap schaute dem Toten lange in die Augen. Ihn dauerte der Bruder, und er sprach:
»Vater, geben wir ihm ein ehrliches Begräbnis, daß seinen Leichnam nicht die Feinde schänden, daß ihn die Raben nicht zerreißen!«
»Der wird auch ohne uns begraben!« sagte Taraß. »An Klageweibern wird es dem nicht fehlen!«
Ein Weilchen überlegte er dann, ob er Andri den räuberischen Wölfen zum Fraße liegen lassen oder ob er in ihm den Rittermut ehren solle, dem der Tapfre bei jedem Feinde Achtung zollt, und sei es, wer es sei – da sieht er Golokopytenko hergesprengt kommen.
»Schlecht steht es, Hetman! Die Polen haben Zuzug erhalten. Frische Kräfte sind angerückt!«
Golokopytenko hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da kommt Wowtusenko gesprengt.
»Schlecht steht es, Hetman! Schon wieder rückt ein neuer Haufe an!«
Wowtusenko hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da kommt der letzte der drei Pißarenko zu Fuße angerannt, weil er kein Pferd mehr hat.
»Wo steckst du, Alter? Die Kosaken rufen nach dir. Gefallen ist der Oberst Newylytschki, Sadoroschni ist tot, Tscherewitschenko ist tot. Aber noch halten die Kosaken stand, sie wollen dir ins Auge sehn, bevor sie sterben, sie wollen, daß dein Auge sie vor ihrer Todesstunde noch einmal sieht.«
»Aufgesessen, Ostap!« sagte Taraß und eilte, die Kosaken noch lebend zu treffen, sie noch einmal zu sehn, ihnen vor der Todesstunde noch einmal das Auge des Hetmans zu zeigen. Aber sie kamen nicht mehr aus dem Wald. Schon waren sie umzingelt, ringsum zwischen den Bäumen erschienen feindliche Reiter mit Speer und Schwert.
»Ostap, Ostap, ergib dich nicht!« schrie Taraß, zog blank und bediente, was ihm in den Weg kam, mit kräftigen Hieben nach rechts und links, über Ostap aber fielen gleich sechs auf einmal her; doch hatten sie sich keine gute Stunde dazu gewählt: dem ersten flog der Kopf herunter, der zweite machte kehrt und zahlte Fersengeld, dem dritten fuhr die Lanze zwischen die Rippen, der vierte war der keckste, er wich mit dem Kopf der heißen Kugel aus, aber da fuhr sie seinem Gaul in die Brust – der Rappe bäumte sich wild auf, krachte zu Boden und erdrückte den Reiter unter sich.
»Brav so, mein Sohn! Recht so, Ostap!« schrie Taraß. »Nur zu. Ich folge dir.«
Taraß schlägt sich selber wacker mit den Angreifern. Er haut gewaltig um sich und drischt so manchem den letzten Segen über den Schädel. Dabei schaut er aber immer nach Ostap und sieht, daß jetzt wieder gleich acht auf einmal über den her sind.
»Ostap, Ostap! Ergib dich nicht!« Doch schon ist der junge Oberst bezwungen. Einer hat ihm die Schlinge ums Genick geworfen. Sie binden ihn. Er ist gefangen.
»He, Ostap, Ostap!« schreit Taraß und bricht sich Bahn zu ihm und haut in Stücke, was ihm in den Weg kommt. »He, Ostap, Ostap!«
Doch in dem Augenblick trifft es Taraß selber – wie einen schweren Steinwurf fühlt er es. Alles dreht sich und kreist vor seinem Blick. Flüchtig sieht er ein wirres Durcheinander von Köpfen, Lanzen, Rauch, von Feuerblitzen, grünen Blättern vorübersausen. Und schwer dröhnt er zu Boden, gleich einer Eiche, die die Axt gefällt hat. Dichter Nebel sinkt ihm auf die Augen.
Zehntes Kapitel
»Ich hab wohl lange geschlafen?« fragte Taraß. Ihm war, als erwache er aus der Betäubung schwerer Trunkenheit. Er suchte die Dinge um sich zu erkennen.
Eine schreckliche Schwäche lähmte ihm die Glieder. Zweifelnd tastete sein Blick über die Wände der fremden Stube … War aber der Mann, der da an seinem Bett saß und auf jeden seiner Atemzüge zu lauschen schien, nicht der Oberstleutnant Towkatsch?
– Geschlafen hast du freilich eine Weile, dachte Towkatsch bei sich, – hätte leicht sein können, daß du gar nicht mehr aufgewacht wärst!
Doch sagte er nichts; er drohte nur mit dem Finger und drückte den dann warnend an die Lippen.
»Ja, Herrgott, sag mir, wo bin ich!« rief Taraß und marterte sein Hirn, um die Erinnerung an das Geschehene wiederzufinden.
»Mund halten!« herrschte ihn der alte Kamerad an. »Was brauchst du’s zu wissen! Daß du halb zuschanden gehauen bist, spürst du wohl selbst; oder …? Zwei Wochen sind es, daß ich mit dir reite, ohne mich einmal auszuruhen, und daß du in deinem Fieber den dümmsten Unsinn sprichst. Heut hast du zum erstenmal ruhig geschlafen. Halt den Mund! Das Sprechen hat ja keinen Wert. Du machst dich damit bloß kaputt.«
Taraß jedoch strengte sich weiter an, seine Gedanken zu ordnen. »Ja, haben mich die Polacken denn nicht gefangen? Ich war doch umzingelt und konnte mich nicht mehr durchhaun!«
»Halt den Mund, wenn ichs dir sag, verfluchter Satansbraten!« schrie Towkatsch erbost, im Ton einer Amme, die ungeduldig ihren widerspenstigen Säugling schilt. »Was schert es dich, wie du herausgekommen bist! Hauptsache, daß du draußen bist! Es sind wahrscheinlich Leute dagewesen, die dich nicht stecken ließen – das kann dir genug sein! Wir beide, lieber Freund, dürfen noch manche Nacht zusammen reiten. Bist du so dumm und glaubst du, die Brüder taxieren dich für einen einfachen Kosaken? Da täuschst du dich: zweitausend Dukaten haben die Polacken freundlichst auf deinen Kopf gesetzt.«
»Und … und Ostap?« schrie Bulba in plötzlichem Erinnern und strengte alle Kraft an, sich aufzurichten. Es stand ihm klar vor Augen, wie sie Ostap gefangen und gebunden hatten. So war sein Sohn nun in der Hand der Feinde …
Wild schüttelte der Schmerz den Alten. Er riß die Verbände von seinen Wunden und warf sie weit ins Zimmer; er wollte sprechen, doch nur ein sinnlos wirres Stammeln kam ihm aus dem Mund. Die Glut des Fiebers hielt ihn von neuem gepackt, und er begann irre zu reden. Fluchend stand der treue Towkatsch neben dem Bett und überhäufte den Kranken mit Vorwürfen und den saftigsten Schimpfworten, die ihm nur einfallen wollten. Dann hielt er ihm die Arme und Beine fest und wickelte ihn in Tücher wie ein kleines Kind, verband die Wunden frisch, rollte ein Ochsenfell um den gewaltigen Leib, verschnürte den ganzen Packen mit Bast und Stricken und lud ihn vor sich aufs Pferd, stieg in den Sattel und ritt schleunigst weiter.
»Und bring ich dich nicht lebend heim – nach Hause bring ich dich!« sprach er. »Das duld ich nicht, daß die Polacken deinen Kosakenleichnam in Stücke hauen und ihn dann ins Wasser schmeißen! Und will es der liebe Gott schon, daß dir ein Adler die Augen aushackt, dann solls ein Steppenadler sein, einer von unsern Adlern, und kein verfluchter Polackenvogel, der aus dem fremden Land kommt. Bring ich dich auch nicht lebend heim – ins Grenzland bring ich dich!«
So sprach der treue Kamerad. Und ohne Rast und Ruhe ritt er weiter, Tag um Tag und Nacht um Nacht, bis er am Ende mit dem bewußtlosen Taraß glücklich im Heimatlager ankam. Dort pflegte er seine Wunden