der Oberst Wertychwist. Zwei Junker hatte Degtarenko schon mit der Lanze gefällt, da geriet er an einen, den er nicht bezwang. Dies war ein gelenkiger, baumstarker prunkvoll gerüsteter Polack, den fünfzig eigne Knechte in die Schlacht begleiteten.
Er setzte Degtarenko übel zu, er warf ihn nieder, schwang den Säbel, um ihm den Garaus zu machen, und schrie: »Unter euch Kosakenhunden ist keiner, der sich mit mir zu messen wagt!«
»Hier kommt schon einer!« rief Moßi Schilo und sprengte auf ihn zu.
Moßi war ein stämmiger Kosak, der so manchen Zug über das Meer angeführt und vielerlei Not und Gefahren hinter sich hatte. Einmal war er bei Trapezunt mit seinen Leuten von den Türken gefangen worden. Die setzten ihn und die Kameraden als Sklaven auf ihre Ruderbänke, fesselten sie mit eisernen Ketten an Armen und Beinen, ließen sie wochenlang ohne Nahrung und gaben ihnen ekles Meerwasser zum Trunk. Alle diese Leiden nahmen die armen Gefangnen lieber auf sich, als daß sie ihrem rechten Glauben abgeschworen hätten. Ihr Führer Moßi Schilo aber wurde schwach: er trat das heilige Gesetz mit Füßen, wand sich schmählich den Turban um sein sündhaftes Haupt, errang so das Vertrauen des Paschas und wurde zum Schließer auf dem Schiffe, zum Aufseher über alle Sklaven gemacht. Mit schwerer Sorge erfüllte das die armen Gefangnen. Wenn Schilo, einer von ihren Leuten, dem Glauben abschwor und auf die Seite der Bedrücker trat, so mußte seine Hand grausamer knechten als die Fäuste der andern Heiden – das konnten sie sich wohl im voraus denken; und ihre Ahnung ging in Erfüllung. Moßi Schilo ließ sie mit neuen Ketten selbdritt zusammenschmieden; er zog ihnen die harten Fesselstricke an, daß sie bis auf die weißen Knochen schnitten, er wartete ihnen freigiebig mit Nackenschlägen auf. Die Türken freuten sich des treuen Knechtes, den sie in ihm gefunden hätten. Doch als sie einmal ein fröhliches Gelage feierten und sich, wiewohl ihnen ihr Gesetz den Wein verbietet, alle sinnlos betranken, da holte Moßi die vierundsechzig Schlüssel herbei und teilte sie unter die Gefangnen aus. Die öffneten ihre Fesseln, warfen sie nebst den Ketten ins Meer, griffen statt dessen zu den Säbeln und metzelten die Türken nieder. Viel Beute gewannen damals die Kosaken und kehrten ruhmbedeckt ins Heimatland zurück. Noch lange priesen die Pandoraspieler den tapfern Moßi Schilo. – Die Kameraden hätten ihn vielleicht zum Hetman gewählt, wäre er nicht ein gar so wunderlicher Kosak gewesen. Oft vollbrachte er Taten, wie sie der Weiseste nicht herrlicher ersinnen könnte, ein andermal wieder mußte man denken, er sei völlig närrisch geworden. Er vertrank und verjubelte sein Hab und Gut, machte Schulden bei jedem im Lager und ließ es sich, als sei es damit nicht genug, beikommen, zu stehlen wie ein gemeiner Dieb. Er entwendete bei Nacht eine vollständige Kosakenausrüstung aus einer fremden Gemeinde und versetzte sie in der Schenke. Für diese schmähliche Tat wurde er auf dem Marktplatz an den Schandpfahl gebunden. Neben ihm lag ein Knüppel, mit dem sollte ihm jeder, der vorüberkam, aus aller Kraft einen Hieb versetzen. Aber es fand sich im Lager nicht ein Mann, der den Knüppel gegen ihn aufheben wollte – in so gutem Gedächtnis standen seine Taten von einst. Solch ein Kosak war Moßi Schilo.
»Hier gibt es schon Leute, die solche Hunde wie euch leicht verdreschen!« rief er und stürzte sich auf den Feind. Hei, was da für ein Fechten anhob! Verbeult waren bald die Schulterstücke und Armschienen beider Kämpfer unter den mächtigen Schlägen. Der Polack hieb Schilo durch den eisernen Panzer; in des Kosaken Leib drang scharf die Schneide, rot färbte sich das Kettenhemd von seinem Blut. Aber das kümmerte Moßi wenig; er holte mit dem schweren, starken Arm aus und zog dem andern blitzschnell eins über den Schädel. In Stücke flog der bronzene Helm, der Polack taumelte und dröhnte schwer zu Boden; Schilo aber machte sich daran, dem Betäubten den Gnadenstoß zu geben und ihn mit dem eignen Blute zu taufen. O hättest du dem Feinde lieber nicht den Garaus gemacht, tapfrer Kosak, o hättest du dich lieber erst umgesehen! Aber der Kosak sah sich nicht um, und so rannte ihm einer von den Knechten des Erschlagnen das Messer ins Genick. Herum fuhr Schilo und hätte den Waghals wohl erwischt, wenn der nicht schnell im Pulverrauch verschwunden wäre. Von allen Seiten donnerten jetzt die Hakenbüchsen.
Schilo taumelte und spürte, daß die Verletzung tödlich war. Er schlug zu Boden, preßte die Hand auf seine Wunde und rief: »Kameraden! Lebt wohl, ihr Herren und Brüder! In alle Ewigkeit blühen soll das russische Land, ewig soll es in Ehren stehn!« Es dunkelte ihm vor den Augen, er drückte sie fest zu; gen Himmel schwang sich die Kosakenseele aus dem stämmigen Leib.
Und da kam schon Sadoroschni mit den Seinen herangesprengt, der Oberst Wertychwist stürzte sich in die feindlichen Schlachtreihen, und Balaban drang vor.
»Wie stehts, ihr Herren?« rief Taraß den Obersten zu. »Habt ihr noch Pulver in den Pulverhörnern? Ist die Kosakenkraft noch nicht erlahmt? Und halten die Kosaken durch?«
»Ja, Alter! Noch haben wir Pulver in den Pulverhörnern, noch nicht erlahmt ist die Kosakenkraft, noch halten die Kosaken durch!«
Gewaltig drangen die Tapfern an und brachten die feindlichen Reihen in Verwirrung. Der kleine Polackenoberst ließ zum Sammeln schlagen und ließ acht prächtig bunt bemalte Feldzeichen aufpflanzen; die Seinen zu ordnen, die weit über das Schlachtfeld zerstreut waren. Die Polacken strömten den Standarten zu, aber sie waren noch nicht völlig ausgerichtet, als schon der Oberst Kukubenko von neuem gegen die Mitte ihrer Front vorstieß. Er geriet grade an den dickwanstigen Obersten. Der bekam es mit der Angst, wendete den Gaul und riß in vollem Galopp aus. Kukubenko hetzte ihn weit über das Blachfeld und ließ ihn nicht wieder zu seinem Regiment. Die Schlinge in der Hand, den Kopf auf den Hals des Pferdes gebeugt, so sprengte Stepan Gußka heran, er paßte den rechten Augenblick ab und warf dem feindlichen Obersten mit einem Ruck die Schlinge um den Hals. Blaurot im Gesicht wurde der Oberst, er griff mit beiden Händen nach dem Strick und wollte ihn zerreißen, doch schon fuhr ihm in mächtigem Schwung die Lanze mitten in den Bauch. So blieb er liegen, grausam an die kühle Erde genagelt. Aber auch Gußka traf das Unheil. Ehe sichs einer von den Kosaken versah, schwebte Stepan Gußka, auf vier Lanzen gespießt, hoch in der Luft. Der arme Teufel konnte nur noch rufen: »Verderben unsern Feinden, Heil dem russischen Land in alle Ewigkeit!« Dann gab er den Geist auf.
Die Kosaken sahen sich um. Am rechten Flügel geigte der Kosak Metelitza den Polacken zum Tanz und machte manchem den Garaus, am linken drang der Oberst Newylytschki stürmisch vor; bei der ersten Wagenburg drosch Sakrutyguba sieghaft auf den Feind ein, bei der zweiten hatte der eine Pißarenko die Angreifer zurückgeworfen, bei der dritten war man schon auf den Wagen selber handgemein.
»Wie stehts, ihr Herren?« rief der Hetman Taraß und ritt durch die Reihen. »Habt ihr noch Pulver in den Pulverhörnern? Ist die Kosakenkraft noch nicht erlahmt? Und halten die Kosaken durch?«
»Ja, Alter! Noch haben wir Pulver in den Pulverhörnern, noch ist die Kosakenkraft stark und gesund, noch halten die Kosaken durch!«
Von einem der Wagen stürzte Bowdjug zur Erde. Mitten ins Herz hatte ihn eine Kugel getroffen; aber der Alte raffte die letzte Kraft zusammen und sagte: »Gern scheid ich vom Lichte. Schenke Gott einem jeden solch einen Tod! Ruhm und Ehre bis an den Jüngsten Tag dem russischen Land!«
Zu den himmlischen Höhen schwang sich die Seele Bowdjugs, dort zu melden, wie man auf russischer Erde zu kämpfen versteht, wie man – was mehr heißt – zu sterben versteht auf russischer Erde.
Bald nach Bowdjug stürzte auch Balaban, der Oberst, dröhnend zu Boden. Drei tödliche Wunden trug er, von einer Lanze die erste, von einer Kugel die zweite, die dritte von einem schweren Pallasch. Er war der tapfersten Kosaken einer. In manchem Seekrieg hatte er den Befehl geführt, den größten Ruhm aber gewann ihm sein Zug an die anatolische Küste. Gar viele Zechinen erbeuteten sie da, kostbares türkisches Gut, herrliche Stoffe und allerlei Schmuck. Doch auf dem Heimweg hatten sie viel Bitternis zu kosten. Die armen Teufel kamen ins Feuer türkischer Schiffsgeschütze. Die feindlichen Kugeln machten die Hälfte ihrer Kähne leck und brachten sie zum Kentern; so mancher mußte da im Meer sein Leben lassen. Aber die Schilfbündel an den Bordwänden bewahrten die Kähne vor dem Sinken. Balaban hieß die Kosaken rudern, was sie konnten, und hielt gerade auf die Sonne zu. So machte er sich unsichtbar für das türkische Schiff. Die ganze Nacht dann schöpften sie mit Schaufeln und Mützen das Wasser aus und flickten die Lecke; aus ihren Pluderhosen schnitten sie sich Segel zu, hißten sie und entrannen so der schnellsten unter den türkischen Fregatten.