erkennen; dann wär ich geliefert, weil ich in Pfiffen und Kniffen kein so besondrer Held bin. Ihr Juden aber seid vom lieben Herrgott ja eigens dafür in die Welt gesetzt. Ihr redet dem Teufel selbst ein Ohr ab und versteht euch auf jeden Schwindel. Darum komm ich zu dir! Und auch in Warschau würd ich allein sicher gar nichts erreichen. Schnell also, spann ein und bring mich hin!«
»Gott soll mich strafen! Glaubt denn der Herr, das geht so mir nix, dir nix: ich zieh gemütlich den Gaul aus dem Stall und spann ein und brauch dann bloß noch sagen: ›Hüh?‹ Glaubt denn der Herr, ich kann ganz einfach fahren mit ihm, daß ä jeder es sieht? Das erste ist doch: ßu verstecken den Herrn.«
»Na, dann versteck mich! Tu, was du willst! Steck mich ganz einfach in ein Pulverfaß!«
»O waih geschrien! Was glaubt der Herr? Ich hör immer: ä Faß! Muß denn da nix ä jeder denken, es is Branntwein drinnen im Faß?«
»Dann denkt ers eben!«
»Wie haißt! Denken soll er, daß Branntwein drin is?« rief der Jude, riß sich verzweifelt an seinen Peißes und schlug dann die Hände über dem Kopf zusammen.
»Na, reg dich nicht auf!« brummte Taraß.
»Ja, weiß denn der Herr nix, daß der liebe Gott hat geschaffen den Branntwein, damit ihn ä jeder möcht gerne probieren? Und die vernaschten Polacken, die gehn drauf als wie de Fliegen auf Zucker. Ä ganze Stund weit läuft ä so ä hungriger Junker hinter dem Faß her und bohrt sich, wie ich ihn kenn, in den Boden hinein heimlich ä kleines Loch. Und dann merkt er doch gleich: es lauft nix raus: Was wird er sagen? ›Der Jüd‹, wird er sagen, ›hat ja kä Pulver drinnen im Faß; dahinter steckt eppes was andres‹. Und was werd dann sein? Der Jüd werd gepackt, der Jüd kriegt gebunden de Händ auf den Rücken, der Jüd kriegt genommen sein Geld, der Jüd werd geworfen ins Kittchen. Denn alles, was es gibt Böses auf der Welt – der Jüd is dran schuld; der Jüd werd angeschaut als ä Hund und nix als ä Mensch, bloß weil er geboren is als ä Jüd!«
»Na, dann versteck mich in einer Last Fische!«
»Es geht nix, Herr! Gott soll mich strafen, das geht erst recht nix! An Polen sind heutßutag de Leut verhungert als wie de Wölfe: se stehlen mir meine Fisch und grabbeln mit de langen Finger bis auf den Grund und erwischen den Herrn.«
»Versteck mich meinetwegen in einem Fuder Teufel – nur bring mich nach Warschau!«
»Herr Ritter, jetzt horcht ämal gut ßu, was ich Euch will verzählen!« sprach der Jude, schob seine Ärmelaufschläge zurück und näherte sich Bulba mit beschwörend ausgebreiteten Armen. »Ich weiß schon, wie mer es können machen. Im ganzen Land werd doch jetzt nix wie gebaut, lauter feste Schlösser und neue Mauern um alle Städte. Massenweis haben se sich lassen kommen französische Baumeister aus Deutschland. De Straßen sind voll von Fuhren mit Ziegel und andre Stein. Soll sich der Herr hineinlegen unten im Wagen, und ich leg von oben auf ihn drauf Ziegelstein. – Der Herr ist blühend und stark – ä bissel schwer wird es sein, aber er hält es schon aus. Und unten im Wagen mach ich ä Loch, wodurch ich kann geben dem Herrn ßu essen eppes ä Kleinigkeit.«
»Tu, was du willst! Nur bring mich nach Warschau!«
Knapp eine Stunde später rasselte ein Fuder Ziegel zum Städtchen Uman hinaus, gezogen von zwei elenden Kleppern, auf deren einem, hochragend wie ein Meilenpfahl an der Straße, der tüchtige Jankel thronte. Der stoßende Gang des Pferdes erschütterte grausam sein dürres Gestell. Im gleichen Takte tanzten die grauen Peißes unter dem schmierigen Judenkäppchen.
Elftes Kapitel
Zu jener Zeit gab es an den Landstraßen noch keine Zöllner und Grenzer. Ohne Sorge vor diesem Schrecken aller unternehmenden Handelsleute konnte deshalb jeder seine Ware durchs Land führen. Wenn doch einmal einer die Ladung untersuchte, so tat er es auf eigne Faust. Voraussetzung war dabei immer, daß er der Kraft und Schwere seiner Faust auch wirklich vertrauen durfte, und daß der Inhalt des Fuders das Wagnis lohnte.
Ziegelsteine aber lockten keinen Strauchritter an; und so rasselte Jankels Wagen denn endlich wohlbehalten unter der Torwölbung hindurch in die Warschauer Hauptstraße. Bulba merkte in seinem Versteck fürs erste nichts von der Stadt als Lärm und Kutschergeschrei. Der Jude lenkte das staubbedeckte Rößlein, auf dem er schwankend thronte, nach mancherlei Umwegen in ein enges, finstres Gäßchen, das den Namen Dreck-oder Judengasse führte. In der Tat hausten hier auch fast sämtliche Juden von Warschau. Diese Straße erinnerte stark an einen Hinterhof im Armenviertel. Es sah nicht aus, als dringe ihr jemals ein Sonnenstrahl bis auf den Grund. Düster blickten die altersschwarzen Holzhäuser darein. Vereinzelt stand wohl ein Ziegelbau dazwischen, aber auch das Rot seiner Mauern hatte sich schon fast gänzlich zu Schwarz verdunkelt. Nur an den Giebeln oben leuchtete hier und da ein verputztes Stückchen Wand in der Sonne und tat mit seiner grellen Weiße den Augen weh. Allerlei Unrat lag am Boden herum: alte Dachrinnen, Lumpen, Küchenabfall, zerbrochne Töpfe. Jeder warf, was ihm im Weg war, kurzerhand vor die Tür hinaus – mochte sich, wer vorüberkam, dabei denken, was er sich dachte. Ein Reiter zu Pferd hätte mit gestrecktem Arm beinah die Wäschestangen erreichen können, die von Fenster zu Fenster quer über die Straße liefen, und an denen Strümpfe, Hosen, geräucherte Gänse und andre Herrlichkeiten baumelten. Hübsche junge Schicksen mit schmutzigen Wachsperlenschnüren um den Hals zeigten ihre Gesichter hinter den trüben Scheiben. Ein Haufe von ungewaschnen, zerlumpten krauslockigen Judenbengeln wälzte sich schreiend im Dreck. Ein rothaariger Jude, besprenkelt mit Sommersprossen wie ein Spatzenei, streckte den Kopf zum Fenster heraus und begann, als er Jankel erblickte, in seinem Kauderwelsch auf diesen einzureden; Jankel nickte ihm zu und lenkte sein Gespann durchs Tor in den Hof. Grade kam noch ein andrer Jude des Weges, er machte Halt und mischte sich in das Gespräch. Als Bulba sich endlich unter seinen Ziegeln hervorgearbeitet hatte, erblickte er drei Hebräer, die lebhaft durcheinander mauschelten.
Jankel trat auf Taraß zu und sagte ihm, sie wollten die Sache schon machen. Ostap säße im städtischen Gefängnis. Es würde ein schweres Stück Arbeit sein, die Wärter herumzukriegen, aber er hoffe dennoch, ihm Zutritt zu dem Kerker Ostaps zu verschaffen.
Bulba begab sich mit den drei Juden ins Haus.
Wieder erhoben die Hebräer ein großes Gemauschel in ihrer unverständlichen Sprache. Taraß schaute von einem zum andern. Ein Sturm von Gefühlen schüttelte ihn; aus seinen sonst so harten und ruhigen Augen brach ein heftiger Strahl von Hoffnung – wahnwitziger Hoffnung, wie sie den Menschen grade in der tiefsten Verzweiflung zuweilen packt; sein altes Herz schlug so voll und heftig, als sei er ein Jüngling.
»Hört einmal zu, ihr Juden!« sagte er, und seine Stimme hatte fast etwas Verzücktes. »Ihr bringt ja alles fertig in der Welt; und liegt ein Schatz auf dem Grunde des Meeres – ihr fischt ihn heraus. Es ist ja ein altes Sprichwort: Ein Jude ist fähig, den eignen Kopf zu stehlen, wenn er sonst nichts zum Stehlen erwischt. Befreit mir meinen Ostap! Helft ihm aus den Krallen dieses Teufelsgesindels! Ich hab dem Mann da fünftausend Dukaten versprochen, ich leg noch einmal fünftausend dazu. All mein Geld, das ich habe, meine kostbaren Becher und mein vergrabnes Gold, mein Haus und meine letzten Kleider verkauf ich; und ich geb es euch schriftlich auf Lebenszeit, daß ihr von allem, was ich noch jemals im Krieg erbeute, die Hälfte bekommt!«
»Es geht nix, goldner Herr, es geht nix!« sagte Jankel mit einem tiefen Seufzer.
»Gott straf mich, nein, es geht nix!« stimmte der rote Jude ein.
Die drei Juden wechselten Blicke.
»Nu–u, aber probieren …?« sagte der dritte und schaute, fast über sich selbst erschrocken, scheu auf die andern. »Wenn Gott will …«
Und nun begannen die drei auf deutsch zu verhandeln. So eifrig Bulba die Ohren spitzte, er verstand keine Silbe. Nur daß häufig der Name »Mardochai« fiel, wurde ihm klar.
»Horcht ämal, Herr!«