Nikolai Gogol

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol


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Bild der Schützerin und Fürbitterin Maria im Lager eine Fassung aus gediegnem Silber. Noch lange priesen die Pandoraspieler diesen siegreichen Heerzug der Kosaken.

      Jetzt aber senkte Balaban im bittern Todeskampf das Haupt und sagte leise: »Ihr Herren und Brüder, mich will bedünken, ich sterb einen guten Tod: sieben hab ich aus dem Sattel gehauen, neun Feinden die Lanze in den Leib gerannt. Gar viele hat mein Gaul unter die Füße getreten, die Zahl der Feinde aber, die meine Kugel traf, hab ich vergessen. In alle Ewigkeit soll blühen das russische Land! …«

      Und seine Seele floh von hinnen.

      Ihr tapfern Kosaken! Ihr opfert ja die beste Blüte eures Heers! Schon ist Kukubenko umzingelt. Nur noch sieben Mann sind übrig vom wackern Regiment Nesamoiko; und auch die wehren sich mit schwerer Mühe der Haut. Von Blut besudelt ist Kukubenkos Panzerhemd. Taraß Bulba sieht seine Not und eilt selbst herbei, ihn herauszuhauen. Doch die Kosaken kommen zu spät: bevor der Ring der Feinde gesprengt ist, dringt eine scharfe Lanzenspitze Kukubenko mitten ins Herz. Matt hängt er in den Armen der Kameraden, die ihn stützen, und wie ein Bächlein plätschert sein junges Blut. So rinnt der köstliche Wein zur Erde, den unvorsichtige Diener in gläsernem Gefäß aus dem Keller holten. Sie stolpern an der Schwelle und zerschlagen den teuern Krug. Der Herr des Hauses kommt gelaufen und rauft sich das graue Haar. Hat er den edeln Wein, der jetzt den Estrich netzt, doch für den schönsten Festtag seines Lebens aufgehoben …

      Kukubenko ließ seine Augen im Kreis wandern und murmelte: »Ich danke Gott, daß er mich in eurer Mitte sterben läßt, Kameraden! Mögen, die nach uns kommen, noch bessere Leute sein als wir; mag ewig blühen das gottgeliebte russische Land!«

      Die junge Seele fuhr ihm aus dem Leib. Die Engel faßten sie an den Händen und führten sie in den Himmel. Wohl aufgenommen wurde sie dort oben. Der Heiland sprach zu ihr: »Setz dich zu meiner Rechten nieder, Kukubenko! Du hast der Kameradschaft Treue gehalten, du hast keine ehrlose Tat getan, hast keinen Menschen im Unglück verlassen, hast meine heilige Kirche als treuer Kämpfer verteidigt und beschützt!«

      Mit Trauer erfüllte alle Kukubenkos Tod. Locker waren die Reihen der Kosaken geworden, viele, sehr viele von den Tapfern fehlten schon in der Schar. Aber noch wankten die Kosaken nicht und trotzten jedem Ansturm.

      »Wie steht es, ihr Herren?« rief Taraß den Leuten zu, die ihm geblieben waren. »Habt ihr noch Pulver in den Pulverhörnern? Sind eure Säbel noch nicht stumpf? Ist die Kosakenkraft noch nicht erlahmt? Und halten die Kosaken durch?«

      »Ja, Alter! An Pulver fehlt es nicht. Die Säbel sind noch scharf. Noch nicht erlahmt ist die Kosakenkraft. Noch halten die Kosaken durch!«

      Von neuem legten sich die Wackern ins Zeug, als hätten sie nicht den kleinsten Verlust erlitten. Nur drei der Obersten waren noch am Leben, blutrote Bächlein strömten rings, hoch türmten sich zu Wällen die Leichen der Kosaken und der Polen. Taraß blickte zum Himmel auf und sah eine Kette von Geierfalken darüber hinziehen. Ja, denen war die Beute sicher! Und da wurde schon Metelitza von einer Lanze durchbohrt, dort drüben flog des einen Pißarenko abgehauener Kopf im Bogen durch die Luft und blinzelte noch mit den Augen, und auf der andern Seite brach Ochrim Gußka zusammen und zuckte, in vier Stücke gehauen, auf der Erde.

      »Jetzt!« sagte Taraß und winkte mit seinem Tüchlein.

      Ostap verstand das Zeichen. Er brach aus seinem Hinterhalt hervor und stürzte sich wütend auf die feindlichen Reiter. Dem starken Anprall hielten die Polacken nicht stand; Ostap scheuchte sie vor sich her und trieb sie dorthin, wo das Feld mit Fußangeln und Lanzenspitzen gespickt war. Da strauchelten und stürzten die Gäule, und über ihre Hälse zu Boden schossen die Polacken. Zugleich erkannten die Korßuner, die weiter hinten in Reserve standen, daß sie den Feind nun auf Schußweite hatten, und begannen aus ihren Hakenbüchsen in ihn hineinzufeuern. Blasses Entsetzen packte die Polacken, die Russenkämpfer aber faßten frischen Mut.

      »Sieg, Sieg! Nun haben wir gewonnen!« schrieen von allen Seiten die Kosaken, die Trompeten schmetterten, das Siegesbanner wurde geschwenkt. Über das Feld hin wimmelte flüchtig der geschlagne Feind.

      »Nein, nein, so sicher gewonnen ist der Sieg noch nicht!« sagte Taraß mit einem forschenden Blick zum Stadttor. Und er sprach wahr.

      Das Tor sprang auf; im Trab unter seiner Wölbung hervorgesprengt kam ein Husarenregiment, die Zierde aller Reiterregimenter. Die Krieger saßen einer wie der andre auf schwarzbraunen Hengsten von kaukasischem Schlag. Als Führer an der Spitze ritt ein stolzer Recke, der feurigste und schönste aus der ganzen Schar; lustig flogen ihm schwarze Locken unter dem bronzenen Helm, von seinem Arme flatterten die Enden einer kostbaren Schärpe, gestickt von den Händen der schönsten Maid. Gleich einem Schwindel packte es Taraß, als er in diesem Mann Andri erkannte. Der aber dachte mitten in Staub und Hitze der Schlacht nur an das eine: wie er sich das Pfand verdienen könnte, das seine Schöne ihm um den Arm geschlungen hatte. Er stürmte wie ein junger Windhund einher, der schönste, schnellste, jüngste der ganzen Meute. »Hetz, hetz!« ruft ihm der tüchtige Jäger zu, und er fliegt über die Steppe, seine vier Beine schreiben einen einzigen geraden Strich in der Luft, sein Körper liegt ganz auf der Seite, Schnee wirbelt um ihn auf, wohl zehnmal schießt er in der Hitze des Laufes weit über den gejagten Hasen hinaus.

      Der alte Taraß zügelte seinen Gaul und sah ingrimmig zu, wie Andri sich eine Gasse bahnte, wie er die Kosaken vor sich hertrieb und Hiebe austeilte nach rechts und links. Da packte den Hetman heißer Zorn; er schrie: »Was fällt dir ein! Die eignen Brüder …? Die eignen Brüder mordet der Lumpenhund?«

      Andri fragte nichts darnach, ob vor ihm seine eignen Brüder oder feindliche Fremde wären; er sah und hörte nichts. Er sah nur Locken, Locken, herrliche lange Locken, eine schwanenweiße Brust, einen schneeigen Hals, schneeige Schultern, den ganzen schönen Leib, den er mit wilden Küssen zu bedecken gierig war.

      »He, Burschen«, rief Taraß, »lockt den da in den Wald, lockt ihn mir in den Wald!«

      Sogleich machten sich dreißig der flinksten Kosaken daran, Andri in den Wald zu locken. Sie drückten ihre hohen Mützen fester auf die Köpfe und sprengten von der Flanke her mitten durch das Geschwader der Husaren. Sie fielen den vordern Reihen in den Rücken, brachten sie in Verwirrung, schnitten sie von den andern ab und hieben manchen aus dem Sattel. Golokopytenko aber zog Andri eins mit der flachen Klinge über die Schulterblätter, und dann rissen die Kosaken auf einmal alle aus, was ihre Pferde laufen wollten. Wie es Andri da herumriß! Wie ihm das junge Blut in allen Adern kochte! Er stieß dem Gaul die scharfen Sporen in die Weichen und sprengte wütend hinter den Kosaken drein, ohne sich umzuschauen, ohne zu sehen, daß nicht mehr als zwanzig Mann von den Husaren ihm zu folgen vermochten. Die Kosaken aber hielten in voller Karriere gerade auf den Wald zu. Fast hatte Andri Golokopytenko schon eingeholt, da fiel ihm eine mächtige Faust jäh in die Zügel. Andri sah auf: Taraß stand vor ihm! Der Jüngling erzitterte am ganzen Leib und wurde totenbleich. So geht es dem Knaben in der Schule, der einen Kameraden dreist geneckt hat und als Rache von diesem eins mit dem Lineal auf den Kopf bekommt. Er lodert wild wie Feuer empor, springt wütend aus der Bank heraus und jagt hinter dem erschrocknen Kameraden her, als wollte er ihn gleich in Stücke reißen. Da aber rennt er gegen den Lehrer an, der in das Klassenzimmer tritt, und plötzlich bricht sein Wutanfall in sich zusammen.

      So war auch Andris Zorn plötzlich verraucht. Er sah nur noch das furchtbare Gesicht des Vaters.

      »Nun? Was tun wir jetzt mit dir?« sagte Taraß und schaute ihm gerade in die Augen.

      Andri fand keine Antwort und saß gesenkten Blicks im Sattel.

      »Jetzt, Bursche, hilft dir keiner mehr von deinen Freunden, den Polacken!«

      Andri blieb stumm.

      »Verräter du! Verräter am Glauben! Verräter an den Kameraden! Marsch, herunter mit dir vom Gaul!«

      Gehorsam wie ein kleiner Junge, saß Andri ab und stand, nicht lebend und nicht tot, vor seinem Vater.

      »Stillgehalten und nicht gemuckst! Ich hab dich gemacht, ich mach dich jetzt auch kalt!« sagte Taraß, trat einen Schritt zurück und riß die Büchse von der Schulter.