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es nix macht – kä andrer macht es erst recht nix. Bleibt nur hier sitzen! Da is der Schlüssel. Und laßt bloß kä Seele von Menschen ins Zimmer!«

      Die Hebräer verließen das Haus.

      Taraß verschloß die Tür, stellte sich an das kleine Fenster und sah auf die schmutzige Gasse hinaus. Die drei Juden standen draußen und führten eine hitzige Unterhaltung. Ein vierter gesellte sich zu ihnen, und dann noch ein fünfter. Immer wieder erklang der Name: »Mardochai, Mardochai.« Die ganze Schar blickte nach dem einen Ende der Straße hinunter. Endlich trat dort über die Schwelle eines schmutzigen Hauses ein Fuß in jüdischem Schuh, über dem die Schöße des Kaftans flatterten.

      »Mardochai, Mardochai!« schrieen die Hebräer wie aus einem Munde.

      Ein hagrer Jude, dem aus dem faltenreichen Gesicht eine ungeheure Oberlippe ragte, etwas kleiner von Wuchs als Jankel, näherte sich der ungeduldigen Schar; alle seine Glaubensgenossen schnatterten in wildem Durcheinander rasend schnell auf ihn ein. Mardochai ließ die Augen öfter zu dem Fenster wandern, hinter dem Taraß stand. Dieser konnte leicht merken, daß von ihm die Rede war. Mardochai focht mit den Händen in der Luft, hörte zu, stellte hie und da eine Zwischenfrage, spuckte häufig zur Seite, hob die Schöße des Kaftans, wobei er eine äußerst schäbige Hose enthüllte, versenkte die Hände tief in die Taschen und holte irgendwelchen Klapperkram hervor. Schließlich erhoben die Hebräer ein solches Geschrei, daß der eine von ihnen, der den Auftrag hatte, Wache zu halten, das Warnungszeichen geben mußte. Taraß begann schon für seine Sicherheit zu fürchten, beruhigte sich aber bald wieder, kannte er doch den jüdischen Brauch, alles immer auf offner Straße zu verhandeln, und wußte er doch, daß aus diesem Gemauschel nicht einmal der Teufel selber klug werden konnte.

      Nach einer kleinen Weile strömte die Judenschar zu ihm ins Zimmer. Mardochai trat auf Taraß zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Wenn mir und der liebe Gott uns annehmen um de Sach, denn werd gewiß nix versäumt, was geschehn kann.«

      Taraß musterte prüfend diesen weisesten Salomo, der je auf der Welt gelebt hatte, und schöpfte wieder einige Hoffnung. Mardochais Äußeres vermochte in der Tat Vertrauen einzuflößen. Diese Oberlippe war einfach ein Monstrum – sie konnte ihre Dicke nur Einwirkungen von fremder Hand verdanken. Der Bart des Juden zählte höchstens fünfzehn Haare, und die befanden sich alle auf der linken Seite. Sein Gesicht wies soviel Spuren von Püffen auf, die dem »weisen Salomo« für seine Frechheit versetzt worden waren, daß er sicher selber längst nicht mehr Buch über diese Beulen führte und sich entschlossen hatte, sie schlechtweg als Muttermale zu betrachten.

      Mardochai empfahl sich mit seinen Freunden, die voll von Staunen ob seiner Weisheit waren. Bulba blieb allein. Er hatte Gefühle durchzukosten, die ihm bisher völlig fremd geblieben waren: zum erstenmal in seinem Leben befand er sich in fieberhafter Unruhe. Er war nicht mehr der unbeugsame, unerschütterliche, baumstarke Mann von einst, er war kleinmütig und schwach. Jedes Geräusch, jede Judengestalt, die am Ende der Gasse auftauchte, machten ihn zittern. In solchen Ängsten verbrachte er den Tag; er aß nicht, er trank nicht, seine Augen schweiften rastlos durch das niedrige Fenster auf die Straße.

      Endlich, spät am Abend, erschienen Jankel und Mardochai. Taraß stand das Herz still.

      »Nun? Wie ist es?« fragte er, ungeduldig wie ein wilder Steppengaul.

      Aber bevor die Juden sich noch zu einer Antwort gesammelt hatten, sah Bulba, daß Mardochai seiner letzten einsamen Locke beraubt war, die sich heute früh, wenn auch in ziemlich ruppigem Zustand, doch immer noch hübsch kraus unter seinem Käppchen hervorgeschlängelt hatte. Der »weise Salomo« wollte augenscheinlich etwas sagen, aber er stammelte solch einen wirren Blödsinn hervor, daß Taraß nicht eine Silbe verstand. Auch Jankel hielt sich in einem fort die Hand vor den Mund, als hätte er sich heftig erkältet.

      »Waih geschrien, mein goldner Herr!« sagte Jankel. »Es geht nix, de Zeiten sind ßu schlecht! Gott soll mich strafen: es geht nix! So ä gemeines Volk! Mer sollt ihnen spucken auf die Köpf! Mardochai muß es selber sagen! Mardochai hat Sachen gemacht – so was war noch nix da! – Dreitausend Soldaten bewachen das Gefängnis, morgen früh werden hingerichtet de ganzen Kosaken.«

      Taraß schaute den Juden fest in die Augen. Zorn und Ungeduld waren aus seinem Blick verschwunden.

      Jankel fuhr fort: »Und wenn der Herr noch möcht sehn den Herrn Sohn, dann muß es morgen sein ganz in der Früh, bevor daß aufgeht die Sonn! De Wächter lassen es ßu, und einer von de Aufseher hats üns versprochen. Bloß – se sollen haben kein Glück im ewigen Leben: waih geschrien, wie diese Gannefs aufs Geld sind! Schlimmer noch als wie ünsere Leut! Fufzig Dukaten hat ä jeder verlangt, und der Aufseher erst …!«

      »Ist schon recht. Führ mich nur hin!« sagte Bulba entschlossen. Die Kraft war in sein Herz zurückgekehrt.

      Jankel schlug ihm vor, er solle sich verkleiden und einen fremdländischen Grafen spielen, der grade aus Deutschland gekommen wäre. Das Gewand dafür hatte der schlaue Jude vorsorglich mitgebracht. Bulba erklärte sich einverstanden.

      Es war schon Nacht. Der Hausherr, jener rothaarige Jude mit den Sommersprossen, schleppte so etwas wie eine dünne Matratze herbei, legte sie auf die Bank und breitete eine Matte darüber. Dies sollte Bulbas Lager sein. Jankel bettete sich am Boden auf eine Matratze von gleicher Art. Der rote Jude trank ein Schnäpschen und zog seinen Kaftan aus. Als er dann in Strümpfen und Schuhen durchs Zimmer stieg, glich er ganz merkwürdig einem magern Küken. Er kroch zum Schlafen mit seiner Schickse in eine Art Schrank. Vor dem Schrank lagen die beiden Söhne des Paares wie Hündchen auf dem bloßen Estrich. Taraß machte von seinem Lager keinen Gebrauch. Er saß, ohne sich von der Stelle zu rühren, und seine Finger trommelten leise auf der Tischplatte. Er hatte die Pfeife im Mund und rauchte so mächtig, daß der rote Jude im Halbschlaf niesen mußte und seine Nase unter der Decke versteckte.

      Kaum zeigte sich das erste Dämmern des Morgens am Himmel, da gab Bulba Jankel einen Stoß mit dem Fuß. »Steh auf, Jude, und gib mir dein Grafengewand!«

      Im Nu war Bulba umgezogen. Er schwärzte sich den Schnauzbart und die Brauen und zog sich ein dunkles Mützchen über den rasierten Schädel. So hätte ihn nicht einmal ein Kosak aus der eignen Gemeinde erkannt, keiner hätte ihm mehr gegeben als fünfunddreißig Jahre. Frische Röte lag auf seinen Wangen, und auch die Narben dienten nur dazu, ihm etwas Gebieterisches zu verleihen. Das goldgestickte Gewand kleidete ihn prächtig.

      Die Straßen schliefen. Noch trug kein Handelsmann seinen Korb durch die Stadt. Bulba und Jankel gingen auf ein Gebäude zu, das im Umriß etwas von einem brütenden Reiher hatte. Es war sehr groß, niedrig, breit gelagert und düster, an seinem Ende erhob sich, gleich einem Vogelhals, ein langer, schlanker Turm, der oben ein überhängendes Satteldach trug. Dies Gebäude diente mannigfachen Zwecken: es vereinte in seinen Mauern die Kaserne, das Gefängnis und das Halsgericht. Unsere Wandrer traten durch das Tor in einen riesigen Saal, oder vielmehr einen überdeckten Hof. An die tausend Mann schliefen in dem einen Raum. In der Rückwand war eine niedrige Tür, vor der zwei Wachtposten saßen und ein sonderbares Spiel spielten, bei dem der eine dem andern abwechselnd mit zwei Fingern in den Handteller schlagen mußte. Sie schenkten den beiden Fremden keine Beachtung und hoben die Köpfe erst, als Jankel sagte:

      »Wir sinds! Pst, pst, die Herren: Wir sind es!«

      »Passiert!« brummte der eine Posten und öffnete mit der Linken die Tür, während er die Rechte dem Kameraden zum Schlage hinhielt.

      Sie durchschritten einen schmalen, finstern Gang und kamen in einen zweiten Saal, der so groß wie der erste war und hoch oben in den Mauern kleine Fenster hatte.

      »Wer da?« riefen mehrere Stimmen. »Hier darf keiner durch!« Eine ganze Schar von bis an die Zähne bewaffneten Kriegern verstellte den beiden den Weg.

      »Wir sinds doch!« rief Jankel. »Gott der Gerechte, wir sind es, erlauchteste Herren!«

      Aber das machte nicht den geringsten Eindruck. Da trat zum Glück ein dicker Kerl heran, der eine Art Vorgesetzter zu sein schien. Jedenfalls schimpfte er noch unflätiger als die andern.

      »Wir