Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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      »Ruhe!« gebot der Senior ener­gisch. »Die Sachen, die Mutter für Fräulein Berledes bestimmt hat, kriegt diese, wenn sie von ihrer Reise zurück ist.«

      Da schmollte Thea, was allen nur recht war. Dann gab sie wenigstens Ruhe.

      Der Heiligabend verlief in der Familie Hadebrecht ganz vorschriftsmäßig. Man sang im Schein der Kerzen Weihnachtslieder, beschenkte sich gegenseitig gut und reichlich, aß hinterher den delikat zubereiteten Weihnachtskarpfen, trank danach die Weihnachtsbowle und gab sich alle Mühe, recht friedlich zu sein.

      Die einzigen im Familienkreis, die sich wirklich von Herzen freuten, waren die beiden Kinder. Sie jubelten beim Anblick der Dinge, die sie sich gewünscht hatten und die nun so verlockend dalagen. Selbst die altkluge, naseweise Anka war heute ganz Kind. –

      Doch viele Kilometer entfernt, oben in den bayerischen Bergen, da gab es echte Weihnacht. Da hatte sich das zusammengefunden, was irgendwie einsam auf der Welt stand. Da verschmolz ein Zusammengehörigkeitsgefühl die Menschen, die sich noch nie gesehen hatten und sich in Zukunft auch nie wieder sehen würden. Man sang an der glitzernd geschmückten Tanne die alten, schönen Weihnachtslieder, nahm dann an den gedeckten Tischen Platz und erfreute Zunge und Magen mit den lukullischen Genüssen. Jeder fand unter der aufgestellten Serviette eine kleine Weihnachtsgabe.

      Der Weihnachtssekt, allerdings nur eine halbe Flasche pro Person, genügte den meisten, um in eine leicht beschwingte Stimmung zu geraten. Wer mehr dazu brauchte, konnte auf eigene Rechnung nachbestellen.

      Das taten Philchen sowie Silje nun nicht, ihnen genügten drei Glas des prickelnden Getränks vollkommen.

      Nach schönen, harmonischen Stunden bezogen sie vergnügt das Doppelzimmer und schliefen in den bequemen Betten tief und friedlich bis zum Morgen. –

      Während der beiden Feiertage konnte jeder seinem eigenen Vergnügen nachgehen. Silje verbrachte diese Zeit beim Skilaufen, und Philchen tat es in Gesellschaft »gleichgesinnter Seelen«.

      Ehe man sich so recht versah, schlug die Scheidestunde. Man war allgemein restlos befriedigt von diesem Weihnachtsfest, an das man sich immer wieder gern erinnern wollte.

      *

      Am Spätabend trafen Philchen und Silje wieder im Hade­brecht-Haus ein. Wie Diebe wollten sie sich nach oben stehlen, doch da hatten sie die Rechnung ohne den Hausherrn gemacht. Denn als sie gerade den Fuß auf die Treppe setzten, öffnete sich die Wohnzimmertür, und der Gestrenge rief lachend: »Heda, ihr beiden Verschwörer, so was gibt’s nicht! Herein mit euch, und Rede und Antwort gestanden!«

      »Uns bleibt aber auch nichts erspart«, seufzte Philchen so komisch, daß Silje sich wieder einmal vor Lachen ausschütten wollte.

      Es drang bis ins Wohngemach, dieses unbekümmerte, goldige Lachen, das bei den darin Weilenden verschiedenartige Gefühle erweckte. Bei Frau Ottilie rief es ein liebes Lächeln hervor, Thea fand es aufdringlich, Ilona albern, und in den Augen des Juniors leuchtete es blitzartig auf.

      »Na, das ist wieder einmal Musik für meine Ohren!« schmunzelte der Senior, während er mit den beiden Damen nähertrat. »Was meinst du wohl, du kleiner Zeisig, wie ich das in den drei Tagen vermißt habe!«

      Die Heimgekehrten hatten die Mäntel in der Halle abgelegt, und nun stand es im Skianzug da, das junge bezaubernde Menschenkind. Braungebrannt von der Sonne in den Bergen, mit strahlenden Augen und lachendem Mund. Wie angegossen saß der Dreß auf dem grazilen Körper, der auch diesem manchmal recht plump wirkenden Anzug eine elegante und vornehme Note gab.

      »Wie ist es nun mit euch?« fragte der Senior. »Habt ihr Hunger, habt ihr Durst?«

      »Woher denn!« lachte Philchen, die auch recht frisch aussah und deren ganze vitale Art ihrer zweiundsechzig Jahre spottete. »Man hat uns ja direkt genudelt und mit guten Tropfen die Kehle genetzt.«

      »Dann setzt euch hin und erzählt, wie es sich für weitgereiste Leute gehört.«

      »Na schön, erzählen wir. Der Heiligabend verlief recht feierlich. Leichtbedudelt begaben wir uns zur Ruhe, schliefen, daß ein Auge das andere nicht sah, und aßen dann und tranken.«

      »Ganz Philchen«, lachte Eike amüsiert. »Mehr geschah nicht?«

      »Natürlich, mein Sohn. Dieser kleine Strolch hier machte beim Skilaufen und ähnlichen Winterfreuden Eroberungen noch und noch. Wie eine Sonne strahlte er, um die sich die Trabanten scharten. Wie ist es, mein Schatz, hast du nicht sogar einen Heiratsantrag bekommen?«

      »Philchen, du schwindelst ja!« lachte Silje lustig. »Bleib lieber bei der Wahrheit und verrate, daß du beinahe einen bekamst.«

      »Ach, den Opapa meinst du, mit seinen sieben Kindern und zwei Dutzend Enkeln? Daran konnte ich doch unmöglich meine blühende Jugend binden!«

      So trocken brachte sie es hervor, daß die anderen herzlich lachen mußten, und die Hausfrau sagte warm: »Philchen, wie gut, daß du wieder da bist! Ohne dich ist es hier so gar kein Leben.«

      »Da bin ich aber froh, daß es mich gibt. Denn Geben ist seliger als Nehmen. Stammt aus der Apostelgeschichte, Theachen, brauchst erst gar nicht deine sämtlichen Dichter in Gedanken durchzukramen.«

      Damit sprang sie lachend auf, Silje tat es gleichfalls, und mit einem fröhlichen Gutenacht gingen sie davon.

      *

      Am nächsten Morgen stand Silje dann wieder vor Fräulein Luischen, die ihren Famulus schmunzelnd betrachtete.

      »Na, Kindchen, Ihnen scheinen ja die Feiertage glänzend bekommen zu sein. War sie schön, die Fahrt durch den Weihnachtswinter?«

      »Sehr schön! So ein richtiger Jungquell!«

      »Den haben Sie auch gerade nötig, Sie kleine Christrose. Und nun wollen wir mit frischem Mut an die Arbeit gehen.«

      Dazu war Silje gern bereit Flott ging ihr die Arbeit von der Hand, und sie schaute erstaunt auf, als die Sirene aufheulte.

      »Ist schon Mittag?« fragte sie fast enttäuscht, und Fräulein ­Luischen lachte.

      »Haben Sie denn noch gar keinen Hunger?«

      »Eigentlich nicht. Mein Frühstück war so gut, daß ich tags­über damit auskommen könnte.«

      »Natürlich, wegen der schlanken Linie«, kam es von der Tür her, in welcher der Senior stand. »Aber nichts da, Marjellchen, gegessen wird! Denn essen und trinken hält Leib und Seele zu­sammen. Stimmt’s, Fräulein Luis­chen?«

      »Allemal«, verzog sich das Vollmondgesicht zu einem gemütlichen Lachen.

      »Doch zu der Erkenntnis kommt der Mensch erst, wenn das Herz still wird und die Haare grau werden.«

      »Letzteres will ich gelten lassen, aber ersteres kann hundert Jahre dauern«, blinzelte er ihr vergnügt zu. »Und nun komm, kleiner Zeisig, begeben wir uns gemeinsam an die Futterkrippe.«

      Silje zog den schicken Pelzmantel an, drückte das kecke Mützchen auf die schimmernden Locken und schritt dann an der Seite des Seniors über das weite Fabrikgelände dem Herrenhaus zu, das, abgegrenzt von einem Park, sehr vornehm und feudal dalag. Er hatte sein Elternhaus umbauen und vergrößern lassen, der Herr vom Ganzen. Genauso wie die beiden Fabriken, die zusammen ein stolzes Werk bildeten.

      Neben dem Hünen wirkte Silje Berledes wie ein Püppchen.

      Das ungleiche Paar ging flott dahin und wurde von Thea, die im Speisezimmer am Fenster stand, bemerkt. Nicht, daß der Vater mit dem ihr unsympathischen Mädchen Seite an Seite schritt, regte sie auf, sondern der kostbare Pelzmantel, den dieses Mädchen trug.

      »Kommt doch rasch mal her!« rief sie hastig ins Zimmer, wo auch Mutter, Schwägerin und Bruder sich bereits eingefunden hatten …

      Neugierig trat man näher, und Eike fragte verwundert: »Na und, was ist da wohl Aufregendes zu sehen? Etwa, daß zwei Menschen aus einer Familie so einträchtig nebeneinander hergehen?«

      »Das