Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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liebte er nur mondäne Frauen, aber dieses kleine süße Mädchen in seiner natürlichen, taufrischen Schönheit schien ihm dennoch sehr zu gefallen.

      Das merkte Ilona und ärgerte sich. Was fiel dem Bergau denn plötzlich ein?

      Er starrte dieses »Schneegänschen« ja wie verzaubert an! So was konnte sie absolut nicht vertragen. Wo sie mit ihrer berückenden Schönheit auftauchte, hatte die sämtliche übrige Weiblichkeit zu verblassen.

      Sie sah auch tatsächlich gut aus, die kapriziöse Ilona. Sehr mondän gekleidet, sehr raffiniert zurechtgemacht; denn in dieser Hinsicht war ihre Zofe Meisterin. Und dennoch – ihr fehlte das gewisse Etwas, das die junge Silje Berledes so unwiderstehlich machte.

      Thea fand sich natürlich auch sehr schön, hatte ihre kostbare Gewandung auch wirklich gut gewählt.

      Trotzdem schien die Kleidung irgendwie nicht zu ihr zu passen. Man hatte das Gefühl, als ob die üppige Gestalt aus allen Nähten platzen müßte. Dazu trugen wahrscheinlich ihre unbeholfenen phlegmatischen Bewegungen bei, die den Anschein erweckten, als wäre die Frau sich selbst im Wege.

      Zu dem sehr stattlichen Eisengießer hätte sie figürlich gut gepaßt, das wäre ein respektables Paar geworden. Diesem Traum gab sich Thea denn auch hin, obwohl sie eigentlich keine Veranlassung dazu hatte. Aber komme einer gegen sein Herz an, das ein weites Eheglück ersehnt!

      Und dieses schien das »fremde Mädchen« ernstlich zu gefährden. Da war es wahrlich kein Wunder, daß Thea ihm immer mehr gram wurde.

      Und was sagte die nette, hübsche Bärbel zu dem reizenden Zuwachs des Hauses Hadebrecht, der heute hier im Mittelpunk stand? Sie lächelte – denn sie war gescheit. Sie sagte sich, daß es den Menschen zukommt, etwas Wunderschönes entzückt zu betrachten. Sie tat es ja auch.

      Nachdem die Tafel aufgehoben war, vergnügte man sich mit den üblichen Silvesterscherzen. Und dabei tat sich Ilona groß hervor und erreichte es auch wirklich, Hauptperson zu sein, wie sie es unbedingt verlangte. Sie arrangierte die belustigenden Spiele, wobei sie Spitzen verteilte, die ausgerechnet auf Silje Berledes zielten. Doch diese war schlagfertig genug, um immer gleich contra zu geben.

      Und Philchen freute sich. Recht so, Marjellchen! – dachte sie schadenfroh. Laß dir nichts gefallen, zeig deinen beiden Widersacherinnen die Zähnchen!

      Ilona, die beim Pfandauslösen selbstverständlich als Richter fungierte, schielte unter dem Tuch, das ihre Augen verdeckte, natürlich hervor. Eben hielt Mannerchen, der ihr assistierte, ein entzückendes Abendtäschchen empor. Und kaum, daß er seine Formel hergesagt hatte, schmetterte ihre Stimme hell und laut wie eine Fanfare, es mutete an wie eine Auforderung zum Kampf: »Der oder die soll singen!«

      Zuerst fast betroffene Stille, in die dann Siljes Stimme lachend klang: »Ach, du liebes bißchen, ich soll singen? Ei, und wenn ich es nicht kann?«

      »Na, singen kann doch wohl jeder«, bemerkte Ilona hämisch, die soeben die Binde von den Augen nahm, da das letzte Pfand ausgerufen war. »Wie, ist allerdings eine andere Frage. Aber wir werden milde Kritiker sein, nicht wahr, meine Herrschaften?«

      Lachende Zustimmung wurde laut, und Ilona versteckte ihre Schadenfreude hinter Gutmütigkeit.

      »Nun, wenn Sie sich genieren, dann will ich für Sie eintreten«, erbot sie sich gönnerhaft.

      Ohne Silje überhaupt erst zu einem Entscheid kommen zu lassen, setzte sie sich an den Stutzflügel, der in dem Saal stand, wo man sich trotz der verhältnismäßig wenigen Personen aufhielt, weil hier der Weihnachtsbaum aufgestellt war.

      Der große Flügel behauptete im Wohngemach seinen Platz, damit man ihn zu jeder Zeit benutzen konnte, was hauptsächlich der Sohn des Hauses tat, der wohl nicht so ein Genie war wie sein berühmter Bruder, aber immerhin über den Durchschnitt musikalisch.

      Aber Ilona hielt sich unbedingt für ein Genie und hatte auch tatsächlich einen gutgeschulten Sopran, mit dem sie gern brillierte, ob man nun einverstanden war oder nicht. Sie begleitete sich auch stets selbst, worauf sie sich noch etwas einbildete.

      Man lauschte Spiel und Gesang auch wirklich gern, wurde jedoch unruhig, als Lied auf Lied folgte, woran die Sängerin sich förmlich berauschte. Nebenan fuhr schon der Diener den Servierwagen mit den Sektflaschen auf.

      Doch Ilona sah und hörte nichts. Sie sang, als müßte sie damit einen Preis erringen.

      »Mach bitte Schluß!« grollte da der Baß des Hausherrn in ein Liebeslied hinein. »Es ist gleich zwölf Uhr.«

      Und dann ging alles ganz rasch. Die Sektpropfen knallten, die Kelche wurden gefüllt und verteilt. Man gruppierte sich um den Weihnachtsbaum, an dem die Kerzen strahlten. Es war genau zwei Minuten vor zwölf.

      Philchen, die etwas abseits neben Silje stand, hob dieser verstohlen das Glas entgegen und flüsterte ihr zu: »Vor neunzehn Jahren um diese Zeit schriest du dich gerade in die Welt. Mädchen, was bin ich doch froh, daß du es tatest! Prosit, auf dein Glück, das auch immer das meine sein wird!«

      Leise klangen die Gläser zusammen, man tat einen langen Zug.

      »Was macht ihr denn da?« fragte Ilona laut und vernehmlich in die feierliche Stille hinein. »Könnt ihr denn nicht warten…«

      »Prosit Neujahr!« rief der Hausherr mit Stentorstimme dazwischen. Und während man fröhlich anstieß, läuteten die Glocken von den Türmen der Stadt und von den beiden Fabriken gellten die Sirenen. Dann knatterte es, heulte und pfiff von Feuerwerkkörpern aller Art, die man auf dem weiten Gelände übermütig losließ.

      Aus dem Saal traten alle auf den Balkon, ergötzten sich ein Weilchen an dem sprühenden Schauspiel, nahmen dann wieder im Zimmer Platz und ließen sich nun die lukullischen Happen gut schmecken, die wie hingezaubert plötzlich dastanden.

      »Nun Herr Seifling« haben Sie Fräulein Berledes ihr Täschchen wiedergegeben?« fragte Ilona spitz das eifrig kauende Mannerchen, das erst den guten Bissen hinunterschluckte und dann eigensinnig den Kopf schüttelte.

      »Nein, ich tu es erst, wenn das Pfand richtig eingelöst ist. Anders ist es Schiebung, und das lehnt ein fairer Kaufmann ab.«

      »Bravo!« schmunzelte der Hausherr, die giftigen Blicke seiner Schwiegertochter ignorierend. Sie war sowieso schon wütend auf den »Despoten«, weil er ihr herrliches Spiel vorhin so »banausisch« unterbrochen hatte. Und nun sagte dieses lächerliche Mannerchen auch noch treuherzig: »Das geht bestimmt nicht gegen Ihren Gesang, gnädige Frau. Sie wissen ja, daß ich ihn gern höre. Aber sein Pfand muß schon jeder selbst einlösen, einspringen gibt’s da nicht. Man kann ja auch nicht zum Zahnarzt gehen und sich für einen andern einen Zahn ziehen lassen…«

      Weiter kam er nicht, weil stürmische Heiterkeit losbrach, die Ilona natürlich übel vermerkte. Denn ihren Gesang mit Zahnziehen zu vergleichen – das war denn doch wirklich die Höhe!

      »Herr Seifling, ich muß doch sehr bitten!« legte sie empört los, doch der Schwiegervater winkte ab, während er sich die Lachtränen aus den Augen wischte.

      »Ach was, Ilona, sei kein Frosch! Mannerchen hat sich im Eifer unglücklich ausgedrückt. Stimmt’s?«

      »Na, was denn sonst?« fragte er verwundert dagegen. »Und nun singen Sie endlich, gnädiges Fräulein, sonst behalte ich Ihr Pfand ein.«

      »Sind Sie hartnäckig!« seufzte das Mädchen, und Muttchen Seifling strahlte.

      »Das war er schon immer, unser Mannerchen. Nun tun Sie ihm schon den Gefallen, Fräulein Silchen, den zu erfüllen, ist doch wahrlich nicht schwer! Wenn Sie stecken bleiben, kommt Mannerchen Ihnen helfen. Er hat einen so wunderbaren Tenor.«

      »Na schön…«, resignierte Silje. »Was soll ich singen?«

      »Was jetzt so richtig paßt, gnädiges Fräulein«, strahlte Mannerchen. »Seit ich ihn gesehen, glaub ich blind zu sein.«

      Silje ging’s nicht so gut wie dem Hausherrn, Philchen und Eike, die blitzschnell zum Taschentuch griffen und es an Nase und Mund drückten. Sie mußte ohne diese