Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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nun mal kein Gedächtnis. Komm her, laß dir gratulieren und dir alles Gute wünschen, du Mordsmarjellchen. Hast du einen Wunsch?«

      »Ja – immer in deinem Betrieb arbeiten zu dürfen«, kam die Antwort spontan, und er betrachtete sie kopfschüttelnd.

      »Bescheidenes Gemüt! Meinetwegen magst du darin alt und grau werden. Doch ich hoffe, daß das Schicksal Erfreulicheres für dich in Bereitschaft hält. Wie spät ist es? Zwanzig Minuten vor acht. Die reichen aus, um uns hier an Kaffee und Kuchen laben zu können. Säble nur ein tüchtiges Stück davon ab Schwesterherz!«

      Während er sich mit einem behaglichen Schnaufer an den Tisch setzte, brachte der Sohn seinen Glückwunsch beim Geburtstagskind an. Dann nahm auch er Platz, Philchen holte zwei Tassen herbei, und das Schmausen konnte endlich beginnen.

      »Weiß der Kuckuck, Philchen, in deinem kleinen Reich hier lugt die Behaglichkeit aus allen Zipfeln«, stellte der Bruder seufzend fest. »Wenn ich dagegen an mein ›trautes Heim‹ denke – na, Schwamm drüber! Gib mir noch ein Stück Kuchen und dem Jungen da auch. Dem hat das liebe Schicksal auch nicht gerade Rosen auf seinen Weg gestreut.«

      Man wußte genau, daß er damit die Ehe des Sohnes meinte. Doch dieser stellte sich gleich den anderen dumm und sagte lachend: »Na, Vater, auf Rosen zu wandeln ist auch gerade kein Vergnügen. Denk an die Dornen!«

      »Hast recht, es ist eben nichts vollkommen auf der Welt. Und nun ran an die Arbeit! Stürzen wir uns noch am letzten Tag des Jahres hinein – und dann feiern wir ein bißchen. Unter uns wäre mir das zwar lieber, aber Gäste müssen ja auch einmal sein.

      Was lachst du so spitzbübisch?« sah er die Schwester mißtrauisch an. »Willst du etwa mit deinem Liebling auch heute auskneifen, wie du es Weihnachten so feige tatest?«

      »I bewahre«, winkte sie vergnügt ab. »Diesmal will ich mit meinem Liebling prunken. Dazu habe ich ihm ja die reizende Verpackung auf dem Tisch da geschenkt.«

      »Pfui, Philchen, jetzt wirst du boshaft!« war Silje entrüstet. »Als Paradestück werde ich dich bestimmt enttäuschen.«

      »Na, ich weiß nicht –«, betrachtete der Vormund sein bezauberndes Mündel augenzwinkernd. »Und wie steht es mit dem Schmuck?«

      »Na, Onkelchen, mehr behängen kann ich mich doch wohl noch kaum«, sie zeigte lachend auf den Ring, Armband und Kette. »Höchstens noch ein Ring durch die Nase.«

      »Du bist mir schon ein Rackerchen!« drohte er schmunzelnd. »Aber wie wär’s, wenn der gestrenge Senior der niedlichen kleinen Tippmamsell für heute Urlaub geben würde, hm?«

      »Nein, Onkel Philipp, daraus wird nichts! Fräulein Luischen hat heute noch so viel zu erledigen. Und wenn ich ihr auch nicht viel helfen kann, so ist es immerhin etwas.«

      Damit schlüpfte sie in den Mantel, drückte einen Kuß auf Philchens Wange und ging in Begleitung der beiden Chefs zum Dienst.

      Und das bemerkte Thea, die gerade aus ihrem Zimmer auf den Gang trat. Zuerst starrte sie den drei Davonschreitenden perplex nach, dann eilte sie in das Schlafzimmer der Schwägerin, die wie gewöhnlich um diese Zeit noch schlief und nun sehr ungehalten über die frühe Störung war.

      »Was plagt dich eigentlich, mich hier so rücksichtslos aus dem Schlaf zu reißen! Ich weiß sowieso schon nicht, wie ich den Tag herumkriegen soll…«

      »Halt hier keine langen Reden«, unterbrach Thea sie heftig. »Eben sind Papa und Eike mit diesem fremden Mädchen aus Tante Philchens Wohnzimmer gekommen. Wir müssen herauskriegen, was die beiden Herren schon am frühen Morgen da wollten.«

      Dazu war Ilona mit Freuden bereit. Denn alles, was in diesem »Eulennest« irgendwie aus dem Rahmen fiel, nahm sie mit Begeisterung auf.

      Schnell schlüpfte sie in die Pantöffelchen, zog ein Morgenkleid über und folgte der Schwägerin.

      Thea klopfte und betrat nun, von Ilona gefolgt, das Wohnzimmer der Tante, die zuerst verwundert guckte und dann gleich ironisch sagte: »Ach so, ihr kommt, um die Lage zu peilen. Beruhigt euch, es geht hier alles mit rechten Dingen zu – auch wenn ich schon am frühen Morgen den Besuch von Bruder und Neffen empfange. Und damit euch vor Neugierde nicht womöglich noch die Augen aus dem Kopf fallen, meine Lieben, so will ich euch erklären, was dieses hier zu bedeuten hat. Es ist der Geburtstagstisch, den ich für Fräulein Berledes herrichtete. Seid ihr nun zufrieden?«

      »Ja – aber das muß doch viel Geld gekostet haben«, zeigte Thea konsterniert auf den Tisch, und Philchen lächelte so recht niederträchtig.

      »Das hat es allerdings. Aber es ist ja schließlich mein Geld, nicht wahr?«

      »Das schon…«, mußte Thea zugeben, wenn auch widerwillig.

      »Ja – und was haben Papa und Eike dem fremden Mädchen geschenkt?«

      »Nichts – absolut nichts.«

      »Und was wollten sie denn hier?«

      »Das Lachen eines frischfröhlichen Menschenkindes lockte sie an, als sie an dieser Tür vorübergingen. Es gibt Gott sei Dank noch Menschen auf der Welt, die schon am frühen Morgen so herzfroh und unbekümmert lachen können. Tut’s auch, und es wird in diesem muffigen Haus bald ein frischer Wind wehen.«

      »Tante Philine, ich habe doch wohl das Recht, zu erfahren, was mein Mann bei diesem Mädchen…«, setzte Ilona empört an, kam jedoch nicht weiter, weil die Tante ihr mit einer herrischen Gebärde das Wort abschnitt.

      Die zierliche Gestalt schien förmlich zu wachsen, in den blauen Augen lag ein kaltes Drohen – und so drohend klang es auch, als sie sprach: »Behalte die weiteren Worte lieber für dich – sonst müßte ich dich nämlich aus meiner Wohnung weisen. Ich glaube, wir haben uns verstanden, nicht wahr?«

      Ihr einen giftigen Blick zuwerfend, wandte sich Ilona brüsk ab, ging hinaus – und Thea folgte wie ein begossener Pudel.

      *

      Das Hadebrecht-Haus öffnete nicht oft seine gastliche Pforte, doch wenn es geschah, wurde in den weiten Räumen die Pracht entfaltet, wie sie dem reichen Hause zukam. Einmal im Jahr gab es eine »lukullische Abfütterung«, wie der Fabrikherr sich spöttisch auszudrücken pflegte. Dann wurden alle die Menschen eingeladen, denen man in geschäftlicher sowie privater Hinsicht irgendwie verpflichtet war. Einige davon fanden sich auch öfter ein, und zu denen gehörten auch diejenigen, die heute erwartet wurden und die Silje aus Philinchens launigem Bericht bereits dem Namen nach kannte.

      Und nun lernte sie diese auch persönlich kennen.

      Man war ordentlich betroffen, als man das Mündel des Hausherrn, von dem man natürlich schon gehört hatte, in Augenschein nehmen konnte. Wie denn – es sollte doch so ein armes, geducktes Wesen sein, dem man in diesem Haus aus Gnade und Barmherzigkeit ein Asyl gewährte? – Und nun dieses entzückende Menschenkind, das die Natur mit allen Reizen ausgestattet hatte? Die elegante Kleidung tat noch ein übriges dazu – kurz und gut, die Menschen waren wie verzaubert.

      Hauptsächlich Siljes Tischherr, Seifling junior, machte kein Hehl daraus, wie gut ihm seine Dame gefiel. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er sie gewissermaßen vom Fleck weg geheiratet – und seine Eltern hätten noch nicht einmal was dagegen gehabt. Allerdings, die Mitgift. – Aber der reiche Hadebrecht würde sein Mündel, das außerdem noch die Stieftochter seines verstorbenen Sohnes war, bestimmt nicht als Kirchenmäuslein in die Ehe gehen lassen.

      Und Silje selbst? – Die amüsierte sich köstlich über die Bemühungen ihres Tischherrn, dessen Augen sie an die, eines Schellfisches erinnerten. Sein rundes Haupt zeigte schon jetzt recht schütteres Haar, und die untersetzte Gestalt stand auf strammen O-Beinen. Aber Mannerchen kam sich unwiderstehlich schön vor was die vernarrten Eltern ganz in Ordnung fanden.

      Aber außerdem gab es in dem heutigen Kreis noch zwei ledige Herren, von denen Silje auch recht wohlgefällig betrachtet wurde. Und diese hatten mit ihrer Hand zusammen auch noch allerlei zu vergeben, was geldlich gesehen nicht so ohne war. Der stattliche Witwer, Mitte Dreißig, besaß eine große Eisengießerei,