Tante Philchen, das entgeht mir doch alles!« beklagte sie sich bitter. »Ich kann doch nicht nackt in die Ehe gehen.«
»Damit würdest du bestimmt öffentliches Ärgernis erregen«, bemerkte Philchen trocken, während Eike amüsiert lachte und die Mutter mißbilligend den Kopf schüttelte. »Setz dich da mit deinem Vater auseinander. Wenn er dir was geben will, ist es sein freier Wille. Denn deine Mitgift ist längst vertan, wie du ja wohl wissen wirst.«
»Aber ich bin doch sein Kind! Wenn das fremde Mädchen schon verlangt, daß Papa ihm ein Haus baut…«
»Wer verlangt das?« unterbrach Philchen sie jetzt ungehalten. »Silje womöglich? Ich denk, du hast ’nen Klaps. Der würde hier schon der Bissen im Hals stecken bleiben wenn sie ihn nicht bezahlte. Jedenfalls verbitte ich mir ein für allemal, daß man mir hier Vorschriften macht! Ich kann mit meinem Geld machen, was ich will – Gott sei Dank!«
»Oh, ich Arme…!«
»Na eben, das haben wir schon lange nicht mehr gehört. Hoffentlich wirst du dich in deiner Ehe so benehmen, daß dein Reinhold nicht sagen muß: Oh, ich Armer!«
Da stand Thea auf und wankte hinaus. Ganz wie zu jenen Zeiten, da das »Glück sie noch nicht heimgesucht hatte«.
»Nun, Ottilie, willst du der gramgebeugten Tochter nicht nachwanken und mit ihr um die Wette über die unmögliche Philine jammern?« fragte diese lachend, doch die Schwägerin winkte ab.
»O nein, denn ich bin ja mit Thea durchaus nicht eines Sinnes. Ich weiß gar nicht, woher das Kind diese – diese…«
»Habgier« – half Philchen freundlich aus.
»Nun, so kraß wollen wir es nicht bezeichnen. Es wird sich noch ein anderer Ausdruck dafür finden lassen…«
»Kommt aber auf dasselbe heraus.«
Sie mußten das Thema fallen lassen, weil der Hausherr zu ihnen trat, die es sich auf der Terrasse in den Liegestühlen wohlsein ließen. Und nachdem auch er sich so einen bequemen Platz gewählt hatte, steckte er zuerst einmal sein Pfeifchen in Brand, legte sich behaglich zurück und sagte: »Diese Silje ist doch ein Mordsmarjelchen, bei dem man sich auf allerlei Überraschungen gefaßt machen muß. So auch heute. Ich stand am Fenster meines Arbeitszimmers, um das Pferd zu beäugen, das wir aus der Konkursmasse eines Gestüts übernehmen müssen. Zwar verstehe ich nichts von Pferden, aber daß dieses ein Rassetier war, konnte selbst ich feststellen.
Und was soll ich euch sagen, kommt doch da unsere Silje des Weges, stutzt – und tritt dann an den Mann heran, der das Pferd brachte. Was sie miteinander sprachen, konnte ich nicht verstehen, aber ich konnte sehen was anschließend geschah. Silje mit Eleganz in den Sattel – und schon preschte sie davon, daß einem Hören und Sehen verging. Ich nichts wie nach unten und mir diesen tollkühnen kleinen Racker vorgeknöpft. Er war schon ziemlich kleinlaut, als er aus dem Sattel rutschte, doch bei meiner Standpauke füllten sich die Augen mit Tränen. Ich möchte ihr um Himmelswillen nicht böse sein, bettelte sie. Aber sie hätte beim Anblick des wunderbaren Pferdes nicht widerstehen können.
Als ich sie fragte, ob sie denn überhaupt reiten könnte, da strahlten ihre Augen schon wieder. Natürlich, sie hätte ja schon als kleines Kind im Sattel gesessen. Und später, als mein Sohn ihr Paps wurde, erst recht. Er brauchte diese frischfröhlichen Ritte als Ausgleich für sein Künstlertum und war froh, in ihr eine Begleiterin zu finden.
›Mein Paps‹ – dieses scheint bei ihr ganz groß geschrieben zu werden. Also mag der Junge auch noch so ein Leichtsinn gewesen sein, seine Frau jedenfalls scheint er vergöttert zu haben und seine Stieftochter nicht minder. Sonst würde sie nicht so voller Liebe von ihm sprechen.«
Verstohlen wischte er sich die Tränen aus den Augen. Sekundenlang war es sehr still, bis Eike fragte: »Also wirst du das Pferd behalten, Vater?«
»Ja. Ich möchte Silje damit eine Freude machen, bei der ich wegen Thomas schon tief genug in Schuld stecke. Warum lachst du so niederträchtig, Philine?«
»Weil du dir mit dem Geschenk den Zorn deiner Tochter zuziehen würdest. Sie wacht ohnehin schon mit Argusaugen darüber, daß ›diesem fremden Mädchen‹ um Himmels willen nur keine Zugeständnisse gemacht werden, die auf ihre Kosten gehen könnten. Ich hatte nämlich, bevor du kamst, deswegen gerade eine kleine Debatte mit ihr. Sie meint, daß mein Geld ihr eher zukäme als eben diesem fremden Mädchen, weil sie verbrieft und versiegelt meine Nichte ist. Und wenn du als ihr leiblicher Vater diesem bemißgünstigten Mädchen ein Pferd schenkst, dann sehe ich schwarz.«
»Da soll doch dieser und jener!« brauste der Bruder auf. »Soweit kommt das noch, daß man vor seinen eigenen Kindern Angst haben und ihnen über jeden Pfennig, den man besitzt, Rechenschaft ablegen muß! Thea hat das Erbe, das ihr zusteht, längst erhalten und von dem süchtigen Herrn Gemahl vergeuden lassen…«
»Philipp«, mahnte die Gattin leise dazwischen, »das ist ja nun alles schon längst vorbei. Aber ich habe doch das kleine Vermögen, das ich aus dem Nachlaß meines Vaters erhielt. Damit werde ich schon sorgen, daß unsere Tochter nicht mit leeren Händen in die zweite Ehe geht. Und soweit ich dich kenne, wirst auch du dein Scherflein dazu beitragen.«
»Scherflein ist gut!« brummte der Mann verdrossen. »Als ob unserer habgierigen Tochter damit gedient wäre! Bei der muß es immer gleich in die x-Tausende gehen, sonst ist es eine Lappalie. Und wenn sie da noch so Zetermordio schreit – das Pferd bekommt Silje doch!«
*
Dieser Wille ward nun von Philchen kundgetan, als sie am Abend ihren Liebling für sich allein hatte.
»Um Himmels willen!« hob Silje erschrocken die Hände. »Das würde ja einen Klamauk geben!«
»Von wem denn, wenn ich fragen darf?«
» Von deiner Nichte Thea. Die zählt mir sowieso schon jeden Bissen in den Mund, damit es ja nicht mehr werden als ich bezahle. Und nun soll ich gar noch ein Pferd haben, das nicht nur gekauft werden muß, sondern darüber hinaus noch Kosten verursacht für Verpflegung und Betreuung.
Und – dann überhaupt – wo gibt’s denn so was, daß eine Angestellte mit zweihundertvierzig Mark netto Monatsgehalt sich ein Reitpferd leisten kann?«
»Schaf…«, wandte Philchen ihren beliebten Ausdruck an. »Was schert es dich, wenn die mißgünstige Thea den Stift zur Hand nimmt und auf den Pfennig ausrechnet, was die Anschaffung und Unterhaltung deines Reitpferdes kostet? Die Kosten trage ich…«
»Nein, Philchen, das darfst du nicht!«
»Warum nicht? Soll ich denn gar keine Freude an meinem Geld haben, das ohne mein Zutun in die Kasse fließt, nur weil ich das Glück habe, als Tochter wohlhabender Eltern geboren zu sein? Bin ich nun dein vielgeliebtes Philchen oder nicht?«
»Doch, sehr sogar – aber…«
»Laß das Aber fort. Noch etwas?«
»Philchen, ich besitze ja gar keinen Reitdreß«, wehrte das Mädchen sich jetzt mit dem Mut der Verzweiflung. »Den habe ich damals verkauft…«
»Nun, warum sprichst du nicht weiter? Sag doch ruhig: Den habe ich verkauft, als mein Paps Pflege brauchte und ich doch so wenig Geld hatte.«
»Und wenn schon! Was ich für meinen Paps tat, geht niemand etwas an. Es hätte viel mehr sein müssen, um die Liebe und Güte vergelten zu können, die er für seine Stieftochter hatte.«
»So – und daß er durch seinen Leichtsinn das Erbe deiner Mutter und somit auch das deine verbrauchte? Blitz mich nicht so empört an, es ist nur eine Tatsache, die ich feststelle. Und Tatsachen soll man weder bemänteln noch verschweigen, wenn man Gerechtigkeitssinn besitzt. Und den besitzen wir Hadebrechts in vollem Maße. Allerdings lassen wir da auch immer noch das Herz mitsprechen – wenn es uns angebracht erscheint.
Und nun komm her, mein stolzes Mädchen. Gib dich deiner alten Tante geschlagen, die so viel mehr Lebenserfahrung besitzt als du Grünschnäbelchen. Ach, du willst nicht? Du, ich enterbe dich und was fängst