da soll doch dieser und jener!« schalt der Mann jetzt aufgebracht. »Na warte, Bürschchen, dich knöpfe ich mir vor! Werde ihm zu verstehen geben, daß ich gar nicht abgeneigt wäre, meinem Mündel ein Haus zu bauen – das er jedoch nie beziehen wird.«
So geschah es denn auch. Ganz gehörig machte der empörte Mann dem o-beinigen Seifling seinen Standpunkt klar. Kläglich bekannte dieser, daß er Silje Berledes wirklich liebte und sie bestimmt auch ohne Mitgift heiraten würde. Aber seine Eltern waren nun mal auf eine reiche Schwiegertochter aus. –
»Dann bringen Sie ihnen diese in Gottes Namen, aber mein Mündel lassen Sie fortan ungeschoren, verstanden? Das hat der liebe Gott für einen ganz anderen Mann erschaffen, nicht für so einen armseligen Mitgiftjäger!«
Er war immer noch empört, als er den Seinen diese Unterredung wortgetreu wiedergab, fiel dann jedoch in ihr herzliches Lachen ein.
»Ach, was bin ich froh, daß ich diesen Hampelmann endlich los bin!« sagte Silje inbrünstig. »Ich danke dir auch für deine energische Mithilfe von ganzem Herzen, Onkel Philipp!«
»Bitte sehr«, schmunzelte er. »Wenn du wieder mal Bedarf hast, stehe ich dir gern zur Verfügung.«
Fortan ließ Mannerchen sich nicht mehr blicken, was bestimmt keinem weh tat. Dafür erschien jedoch ein anderer Mann im Hadebrecht-Haus, um eine alte Freundschaft zu erneuern – und zwar mit Thea. Er war ein Freund ihres verstorbenen Mannes gewesen und hatte in seinem Haus viel verkehrt. Bis die große Buchhandlung, der er als Geschäftsführer vorstand, pleite machte und Herr Reinhold Nargitt sich einen neuen Wirkungskreis suchen und dazu in eine andere Stadt übersiedeln mußte. Seitdem hatte Thea nichts mehr von ihm gehört. Und nun stand er plötzlich da und erzählte freudestrahlend, daß er die guteingeführte Buchhandlung in dieser Stadt gekauft hätte, wozu ihm eine Erbschaft verhalf.
»Na, das ist mal eine köstliche Überraschung!« Thea war vor Freude ganz aus dem Häuschen. »Lassen Sie sich mit den Meinen bekannt machen, lieber Reinhold …«
Zufällig waren alle Familienmitglieder, außer Ilona und Eike natürlich, versammelt und lernten nun den Mann kennen, von dem Thea schon so viel geschwärmt hatte. Demnach mußten alle guten Eigenschaften in ihm vereint sein; und er machte auch wirklich einen sympathischen Eindruck.
Er gefiel den Hadebrechts, und Frau Ottilie lud ihn gleich zum Abendessen ein, was er erfreut annahm. Man merkte ihm an, wie wohl er sich hier fühlte.
Und Theachen – nun, die schwebte sozusagen im siebenten Himmel.
Als er sich verabschiedete, wurde er zum Wiederkommen gebeten, was er auch eifrig versprach.
»Na, Thea«, schmunzelte der Vater, »du hast ja richtige Weihnachtsaugen!«
»Sie strahlen mir aus dem Herzen heraus«, entgegnete sie theatralisch, weil sie das nun einmal nicht lassen konnte. »Denn Reinhold hat mir einmal gesagt, daß ich für ihn das Ideal einer Frau wäre. Er ist ja so ein feiner Mensch, ein Idealist und Ästhet …«
»Na, na, mein Kind, man immer hübsch auf dem Erdboden bleiben«, unterbrach der Vater sie, ein wenig peinlich berührt. »Mach dir nicht zu viele Hoffnungen, sonst ist die Enttäuschung hinterher wieder groß.«
»Woran du auch immer gleich denkst, Papa!« tat sie verschämt. »Ich freue mich doch nur, in Reinhold einen alten lieben Bekannten wiedergefunden zu haben.«
»Na, dann ist ja alles in schönster Ordnung«, brummte er, gleich den anderen daran denkend, was Philchen damals sagte: Thea kann auf Kommando lieben und leiden.
»Werden wir leben, werden wir sehen«, sagte er aus diesem Gedankengang heraus. »Aber jetzt gehen wir erst mal schlafen, ich bin verflixt müde. Der Junge fehlt mir im Betrieb an allen Ecken und Enden. Seit er fort ist, merke ich erst, was er geleistet hat. Einesteils gönne ich ihm die Ausspannung von ganzem Herzen, andererseits wünschte ich, er wäre erst wieder hier …«
In dem Moment schlug der Fernsprecher an. Philchen, die am nächsten saß, nahm den Hörer ab und meldete sich.
»Ach, du bist es, Ilona?« tat sie gleich darauf erstaunt. »Eike, nein, der ist noch nicht von seiner Reise zurück. – Stimmt, drei Wochen ist er fort, aber er wird es bestimmt noch dreimal solange bleiben müssen – weil der Nervenarzt es für seine Kur notwendig hält. Männer dürfen keine Nerven haben? Mein liebes Kind, sie sind doch schließlich keine Büffel. Und wie geht es dir? Miserabel? Das tut mir aber leid. Schon’ dich nur, und komm’ um Himmels willen nicht zu früh nach Hause! Was ich damit meine? Selbstverständlich meine ich es nur gut mit dir… Sie hat den Hörer aufgeknallt«, legte Philchen nun den ihren in die Gabel und lachte dabei mit den anderen.
»Na, Philchen, du kannst aber fein schwindeln!« meinte der Bruder anerkennend. »Aber gut so, behalten wir die dreimal drei Wochen bei – auch wenn Eike dann wahrscheinlich schon längst hier ist. Verleugnen wir ihn einfach.«
»Und wenn Ilona nach Hause kommt und Eike vorfindet?« gab Frau Ottilie zu bedenken. »Dann können wir uns auf etwas gefaßt machen. Mir graut schon jetzt davor.«
»Oder sie wird das Grauen kriegen weil wir ihr allesamt gehörig die Zähne zeigen werden«, entgegnete Philipp verbissen. »Und wenn ihr das nicht paßt, dann mag sie sich zum roten Kuckuck scheren!«
*
Ruhe und Friede atmete der herrliche Maiabend, und Ruhe und Friede herrschten auch unter den Menschen, die im Hadebrecht-Haus auf der Terrasse saßen und andächtig dem Spiel lauschten, das aus dem Zimmer zart und süß zu ihnen herüberklang.
Denn dort spielte Silje Berledes auf der kostbaren Geige des Meisters Thomas Brecht, und Philchen gab auf dem Flügel die Begleitung dazu. Das war ein Genuß, auf den man nicht mehr verzichten wollte, seitdem man wußte, welch eine begabte Schülerin des Meisters die junge Silje gewesen war, und wie gut Philchen sich dem fast künstlerischen Spiel anzupassen vermochte. Abends verlangte man stürmisch ein kleines Konzert.
Selbst Thea machte da mit, was sie noch vor drei Wochen gewiß nicht getan hätte. Da hätte sie dem »fremden Mädchen« das Talent bestimmt mißgönnt. Doch seitdem Reinhold Nargitt erneut in ihr Leben getreten war, befand sie sich in einer Stimmung, in der sie selbst ihrem ärgsten Feind alles Gute gegönnt hätte. Und warum auch nicht? Sie war glücklich.
Langsam versank der rote Sonnenball hinter dem Horizont, den Himmel ringsum in Farben tauchend, wie sie keine Meisterhand hätte auf die Leinwand bannen können. Süß dufteten die Frühlingsblumen von den Beeten, die Vogelstimmen klangen schon müde und verträumt – und aus dem Zimmer tönte zart und feierlich das Largo von Händel das die Menschen wie ein Zauber einspann. Ihre Herzen öffneten sich weit.
Und aus diesem Gefühl heraus griff Reinhold Nargitt behutsam nach der Hand Theas, die neben ihm saß.
Langsam wandte sie den Kopf, sah in die guten Männeraugen hinein – und zwei Herzen strebten einander zu.
Die anderen lächelten und ließen sich dann weiter von der traumhaften Musik einspinnen. Sie konnten von der Terrasse aus den Mann nicht bemerken, der langsam über die dicken Teppiche schritt, sich dann gegen den Rahmen der breiten Flügeltür lehnte und unverwandt auf die Geigerin schaute.
Aus Siljes feinem Antlitz sahen die Augen träumend ins Weite, um den Mund lag ein Lächeln von sinnverwirrender Süße, die lichtbraunen Locken gleißten, als wären Sonnenfunken darübergestreut.
Mit schönheitsdurstigen Augen nahm der Mann das zauberhafte Bild in sich auf, sein Ohr erlauschte entzückt die wundersamen Klänge. Das war ein glückhaftes Nachhausekommen – und wie ein glückhaftes Symbol für sein ferneres Leben.
Jetzt schien der verträumte Blick der Blauaugen etwas zu erfassen, was das holde Lächeln spitzbübisch werden ließ.
Silje wandte sich Philchen zu, zeigte mit einer Kopfbewegung zu dem geöffneten Fenster hin – und nun schmunzelte, auch Philchen beim Anblick des Paares, das mit glückstrahlenden Gesichtern Hand in Hand wie versunken dasaß. Ein kleines Zwischenspiel als Überleitung auf dem Klavier – eine