kommen.«
»Da haben wir’s!« lachte Lutz. »Mein lieber Freund, wer viel fragt, kriegt viel Antwort. Sie sollen mal sehen, wie vergnügt Ihre Gattin mit mir losgondeln wird! Oder haben Sie Bedenken, daß ich da Mittel anwenden könnte …«
»Aber keineswegs!« unterbrach Eike ihn rasch. »Ich habe sogar das größte Vertrauen zu Ihnen, Herr Professor. Übernehmen Sie bitte die Behandlung meiner Frau.«
Wenig später betraten sie dann das Zimmer, wo Ilona ihnen mit vor Mißtrauen funkelnden Augen entgegensah.
»Sind Sie etwa ein Arzt?«, fragte sie böse.
»Ich bin so frei, meine Gnädigste. Mein Name ist Lutz.«
»Na, wenn schon. Gehen Sie, ich lasse mich nicht wieder untersuchen.«
»Wer sagt Ihnen denn, daß ich das will?« lachte der Arzt sie freundlich an. »Ich sehe auch so, was Ihnen fehlt.«
»Und das wäre?«
»Eine kleine Salonkur in meiner Klinik. Denn ein Mensch, der so lustig in dem Sessel herumhampeln kann, bei dem ist das Rückgrat allenfalls geschwächt, aber bestimmt nicht beschädigt. Wollen wir wetten, daß wir beide nach gar nicht mal so langer Zeit einen flotten Boogie-Woogie zusammen tanzen?«
»O mein Gott, das werde ich nicht mehr können – nie mehr!« schrie sie hysterisch auf. »Ich bin ein erbarmungswürdiges Opfer des Schicksals. Geben Sie mir lieber Gift!«
»Das könnte Ihnen so passen!« lachte er gemütlich. »Und nun geben Sie hier nicht so an, meine Gnädigste, damit machen Sie sich nur lächerlich und fallen Ihren Mitmenschen auf die Nerven. Seien Sie hübsch friedlich, und kommen Sie mit mir. Sie sollen mal sehen, wie glänzend wir beide uns vertragen werden!«
»Nein, ich gehe nicht mit Ihnen. Lassen Sie mich in Ruhe!«
»Bitte sehr, ganz wie Sie wünschen«, entgegnete er. »Meinetwegen bleiben Sie hier sitzen. Nur, daß Sie bald den Sessel mit dem Rollstuhl vertauschen müssen.«
Damit schien der erfahrene Arzt sozusagen den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben. Denn Ilona wurde zugänglich – und er frohlockte. Er ließ davon jedoch nichts merken und erreichte auch mit allerlei Schlichen und Listen, daß die zuerst so mißtrauische Frau langsam Vertrauen zu ihm faßte. Schließlich erklärte sie sich gnädigst damit einverstanden, mit ihm in seine Klinik zu fahren.
*
Am Abend dieses ereignisreichen Tages saß man im Hadbrecht-Haus seit langer Zeit wieder einmal geruhsam zusammen. Man konnte es noch gar nicht fassen, daß man vor dem »kleinen Satan«, wie Philipp seine Schwiegertochter grimmig benannte, nun endlich Ruhe haben sollte.
Mitleidig betrachtete man Eike, der wie ein alter Mann wirkte mit der müden Haltung, dem verhärmten Gesicht und den umflorten Augen. Wahrlich kein Wunder, da er bisher keine Nacht ruhig hatte schlafen können, weil eben dieser kleine Satan ihn auch dann mit Befehlen hin und her gehetzt hatte.
»Spann für einige Zeit aus, mein Junge«, riet der Vater gütig. »Reise dahin, wo du dich von deinem Martyrium so richtig erholen kannst. Es ist kaum zu glauben, daß ein einziger Mensch es zuwege bringt, seine ganze Umgebung schachmatt zu kriegen. Aber ich sage euch, wenn Ilona zurückkommt, lassen wir uns nicht mehr von ihr tyrannisieren, ob sie gesund ist oder nicht. Dann werden wir ihr mal ganz gehörig die Zähne zeigen. Erst aber mal ab mit dir, mein Sohn! Damit du wieder der alte schneidige Kerl wirst.«
»Dazu fehlt mir nur einige Nächte lang fester, ungestörter Schlaf, Vater.
Trotzdem will ich deinen Rat befolgen und verreisen. Schon allein deshalb, damit ich den Besuchen bei meiner Frau, zu denen ich ja wohl verpflichtet bin, entgehen kann. Also, wenn sie Sehnsucht nach mir haben sollte«, setzte er mit ironischem Lächeln hinzu, »so laßt ihr den Bescheid zugehen, daß ich mich mal eine Weile von ihrer holden Gegenwart erholen möchte.«
So reiste Eike denn am nächsten Tag ab. Und kaum, daß er weg war, kam auch schon ein Anruf von der Klinik. Tatsächlich sagte eine Schwester, daß Frau Hadebrecht große Sehnsucht nach dem Gatten hätte und ihn voll Ungeduld erwartete.
Philipp, der das Gespräch entgegennahm, schmunzelte, als er Bescheid gab.
»Dann sagen Sie meiner Schwiegertochter, sie möchte ihre Sehnsucht bezähmen, denn mein Sohn ist auf unabsehbare Zeit verreist. Ihm sind die Sehnsüchte seiner Frau nämlich so auf die Nerven gegangen, daß sie dringender Erholung bedürfen.«
An dem Lachen am anderen Ende der Leitung merkte er, daß die Schwester ihn sehr gut verstanden hatte.
Als er den Seinen von diesem Gespräch erzählte gab es wieder einmal seit langer Zeit unbeschwertes Lachen. Wie froh war man doch, die Tyrannin nicht mehr im Hause zu haben. Daß sie sich um ihr Ergehen nicht allzu sehr sorgten, war ihnen gewiß nicht zu verdenken.
Und dann tauchte auch wieder Mannerchen auf, um sich nach dem Ergehen der lieben Familie Hadebrecht zu erkundigen. Er hatte nämlich gehört, daß Ilona in der Klinik und somit nicht mehr dicke Luft im Haus wäre.
Wem der Besuch hauptsächlich galt, darüber war man sich natürlich klar. Das verrieten schon die strahlenden Augen Mannerchens, mit denen er seines Herzens Schwarm anhimmelte. Er hatte ja auch gar zu lange auf den holden Anblick verzichten müssen, da Silje erst wochenlang Frau Ottilie gepflegt hatte, dann mit ihr im Bad war und auch, nach ihrer Rückkehr für ihn unsichtbar blieb, weil sich seine Gesellschaft gewiß nicht suchte. Und die ihre zu suchen, wagte Mannerchen so lange nicht, weil im Hadebrecht-Haus der Teufel los wäre, wie man sich unter den Bekannten erzählte.
Zuerst hatte er immer noch gehofft, Silje bei der Hochzeit Bärbels zu sehen, die Anfang März im Hause Balduin stattfand. Aber niemand von den Hadebrechts war dazu erschienen, man hatte wegen Ilonas Erkrankung abgesagt.
Aber jetzt war die Luft rein, und es verging kaum ein Tag, an dem Mannerchen nicht erschien. Immer unter irgendeinem Vorwand, der die Familie Hadebrecht schmunzeln ließ.
Als er gar begann, Silje sogar vom Dienst abzuholen, wurde es dieser denn doch zu bunt.
»Was mach ich bloß mit diesem aufdringlichen Menschen?« fragte sie eines Abends im Familienkreis ungehalten. »Ich kann ihn so schlecht behandeln, wie ich will, er wankt und weicht einfach nicht mehr von meiner Seite. Fräulein Luischen neckt mich bereits mit meinem hartnäckigen Verehrer, und das junge Ehepaar Tarknitt, das ich heute traf, fragte mich lachend, wann sie zur Verlobung erscheinen dürften. Und nun lacht ihr mich auch noch aus! Ist das etwa nett von euch?«
»Aber Kindchen, soviel treue Anhänglichkeit müßte dich doch rühren statt empören!« zwinkerte der Vormund ihr verschmitzt zu, und da wurde sie böse.
»Nun gut, man inmer weiter so! Mach mir aber bitte keine Vorwürfe, wenn du dich meinetwegen mit Familie Seifling entzweien wirst. Und das geschieht unter Garantie, sofern ich dem lieben Söhnchen einen Korb geben werde.«
»Ei verflixt«, kratzte der Senior sich jetzt den Kopf. »Das bekämst du wirklich fertig, Marjellchen?«
»Und wie! Daher versuche diese Ungeheuerlichkeit abzubiegen, indem du ein ernstes Wort mit dem jungen Seifling sprichst. Ihm klarmachst, daß er erst gar nicht um mich anhalten soll, weil ich ihn dann abweisen müßte. Dann bleibt ihm eine Beschämung erspart, und seine Eltern brauchen erst gar nicht zu erfahren, daß er sich um mich bewarb.«
»Ja, Kind, wie denkst du dir das eigentlich?« wurde der Vormund jetzt ernst. »Einem Verliebten Vernunft predigen, hieße Wasser mit Sieben schöpfen.«
»Ach was, verliebt!« tat sie verächtlich ab. »Du sollst mal sehen, wie seine Verliebtheit mit einem Schlag geheilt ist, wenn du ihm sagst, daß ich arm wie eine Kirchenmaus bin. Er bildet sich nämlich ein, daß du mich aussteuern wirst – und zwar gut und reichlich. Er will von meiner Mitgift sogar ein Haus bauen…«
»Hat er das gesagt?« fragte Philipp kurz dazwischen.
»O ja, er genierte sich durchaus nicht.«
»Demnach hat er dir bereits