Wilhelm Raabe

Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe


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und gleichsam einen scherzhaften Poetenkrieg ansagen. Machten aus des Doctoris eigener Lection und erklerung das Buch Lateinisch, Französisch, Deutsch. Damit sich zu erzeigen, das auch vielleicht zu dieser Zeit Leut weren, die etwas lernen könnten, wenn man ihren fleiß befördern, zur Ehren gebrauchen und belohnen wollte. Daran ihme denn ein sonderlicher grosser wohlgefall geschahe; daß er einen mit etlichen Kannen Wein, den andern mit einem Büchlein verehrte und vermanete, das sie also fortfahren wollen.«

      In deutsche Reime bringt Georg Rollenhagen die Batrachomyomachie, und der griechische Doctor gibt »anleitung, wie man Rathschlege von Regimenten und Kriegen nützlich hinein bringen und also eine förmliche Deutsche Lection, gleichsam eine Contrafactur dieser unserer Zeit daraus machen könnte.«

      So entstehen die ersten Umrisse des Buches, welches das deutsche Volk bis zum dreißigjährigen Kriege ergötzt, wo es durch das wilde Gebild einer schrecklicheren Zeit, durch den Simplicissimus leidergottes für eine Zeit in den Hintergrund gedrängt wird. Noch weiß der junge Student zu Wittenberg nicht, daß an diesem Manuscriptum sein Ruf und Ruhm haftet, der Kopf brennt ihm über dem Streben nach der Magisterwürde; die Handschrift des Froschmäuseler bleibt »unter der Bank beliegen« und wird »mit den Kinderschuhen vertreten, auch mit den Nüssen, wie man Lateinisch redet, hingeworfen.« Am Concordientage 1567 unter dem Decanat Johannes Ferinarii wird Georgius Rollenhagius in imagistrum promovirt, erhält den höchsten Grad in philosophia und ist unter den zweiunddreißig Candidaten oder Magistraten der Vierte. Einen Busenfreund hat er damals an dem Doctor Heinrich Brandes aus Braunschweig; der läd’t ihn ein, mit ihm zur Erholung eine Reise nach seiner Vaterstadt zu machen, und mit dem Freunde zieht Georg Rollenhagen nach Braunschweig, und von dort allein über Goslar zurück nach Wittenberg. Unterwegs werden wieder überall »gelerte Leute der Orter angesprochen und deren Freundschaft gesucht.«

      Mit diesem Ausflug schließt das Wanderleben des jungen Gelehrten ab; – ein hoch und wohlweiser Rath von Magdeburg beruft den Magister zu einem Prorector seiner Schule, und mit Freuden folgt der Magister dem Rufe. Doctor Franziskus Pfeil, sein späterer Schwiegervater, führt ihn in die Schule ein und nimmt ihn an seinem Tisch und in seiner Behausung auf. Rectore D. Edone hält er seine erste Lection de Zizaniis und verwaltet sein Conrectorat bis zum Jahre 1575. Da valedicirt der Rector D. Edo, und Georg Rollenhagen folgt ihm auf dem Lehrstul, vor welchem er sechszehn Jahre früher als Schüler saß.

      In der Ulrichskirche am Sarge aber spricht Aaron Burkhart, während die Verwandtschaft leise schluchzt, die Menge aber ernst blickt, öfters als sonst die Nase schnäuzt und mit dem Kopf schüttelt:

      »Ist also in die vierunddreißig Jahre Rector Scholae gewesen und mit den vorigen Jahren seines Prorectorats zweiundvierzig Jahre ein Bedienter dieser Schule blieben. Hier frag ich Einen, ob er nicht laqueos laboritatis weidlich gefühlet und lang genug hat an seinem Leibe tragen müssen? – Schularbeit, was das für eine schwere Arbeit sei, werden wissen diejenigen, so es versucht und eine Zeit lang erfahren haben.

      Pulverem scholasticum – Schulstaub – nennet man die Schularbeit a variis molestiis, so sich dabei finden und begeben, drum Jener sagte: Se malle potus Augiae stabulum repurgare quam in pulvere scholastico desudare; er wolle lieber den Stall des Augias reinigen, als im Schulstaub die Seele ausschwitzen.

      Wie Er – unser Rector – nun in der Schule seine Arbeit verrichtet diese lange geraume Zeit hier, werden wissen und ihm Zeugniß geben seine discipuli, derer wenig vorhanden sein werden, so nicht sagen müssen, daß sie auch mit zu der Zahl gehörig.

      Ein ansehnlicher Mann war er vom Leib und Person, wußte cum autoritate und gravitate zu reden, wußte auch wohl seine Autorität mit Ernst zu erhalten. Hatte ein herrlich geschwind ingenium, war ein feiner theologus, wie dann seine Mutter zu diesem studio sacro sancto ihn consecrirt und er ex voto matris um so viel desto williger sich dazu begeben hatte. War auch in jure ziemlich erfahren und konnte in Noth einen guten Rath aus gutem Grund communiciren. In philosophia, in medicina, re herbaria war er wohl geübt; wie willig er war gegen seine Discipulos und Andere mit Remediis zur Pestilenzzeit oder in andern Krankheiten, reden und bezeugen billig, die seiner Bereitsamkeit Genuß gehabt haben.

      Was oft in Sommerszeit, in großer Hitze mit seinen Schülern er herbatum gangen und die simplicia gezeiget, derer Namen, Nutzbarkeit angezeiget, wer ist hier vorhanden, der das nicht weiß?

      Er war ein guter Orator, Poeta, Comicus, seine carmina, orationes und gedruckten Comödien so vorhanden, damit dieser Stadt auch nicht geringer Ruhm zugezogen, mögen davon weiter rühmen. Was er in Mathesi, in Astronomia, Astrologia gewußt und studirt, hat er nicht aus Abgunst bei sich behalten und verhalten wollen, sondern gern mitgetheilt. Drumb was Anlauf wegen der thematum natalitiorum erigendorum, Nativitäten zu stellen, von fürstlichen, von adligen und unadligen Personen er gehabt, kann nicht unbewußt sein. Wie fleißig und stetiglich, ja täglich er die Witterung in Acht genommen, aufgezeichnet, laß ich reden die plaustra voluminum conscriptorum so vorhanden, daraus ja eine rechte große mühselige Arbeit und Fleiß zu ersehen und zu vermerken. –

      Anno 73 ist er von den Herren Canonicis des Stiftes zu Sankt Sebastian allhier zu Magdeburg zu einem Prediger vociret worden; bis er endlich die Predigt des Stifts zu Nicolai auch dazu bekommen. Hat also bei seiner Schularbeit in die sechs und dreißig Jahr mit gepredigt, da er anfänglich den Catechismum, die Leidensgeschichte des Herrn und sonst mehr gepredigt; bis er endlich aus Gutachtung des hochgeehrten Herrn D. Sigfridi Sacci, Dompredigers zu Magdeburg allhier im Erzstift die fünf Bücher Moysis zu erklären in Gottes Namen fürgenommen; damit er auch viel Jahre nach einander zu thun gehabt hat. Und weil er in denen so wohl fortgekommen, hat er oftmals zu wünschen pflegen: Gott wolle ihm doch das Leben fristen und gönnen, bis er seine fünf Bücher Moysis möchte absolviret haben. Gott hat ihn gnädiglich in seinen Wünschen und Begehren angesehen und das ihm gewährt; dann er in das 33. Capitel des fünften Buches Moysis mit seiner Erklärung kommen und die letzte Predigt gehalten vom Sterben Moysis des heiligen Mannes und Propheten Gottes, willens, die folgende darauf von seinem Begräbniß zu thun. Wie er nun auch die zu schreiben und zu concipiren angefangen, hat er zu Haus seiner lieben Hausmutter gesaget: Moysis ist nun todt; ich weiß nicht, wo ich ihn noch lassen und begraben werde!

      Es darf der Sorge nicht; mit seinem (eigenen) Begräbniß kömmt eher zu vor; heut wird er begraben und in die Erde gesetzet.

      Sein Confession und Glauben anlangend, wissen wir gar wohl, daß er die formulae concordiae und unsere Stadtconfessionen auch, wie gebräuchlich, unterschrieben habe. Hat auch vor etlichen Jahren auf Erforderung eines ehrenvesten Raths öffentlich eine Predigt de ascensione Domini in der Pfarrkirchen zu Sankt Johannis allhier gehalten. Hat gar oft pflegen zu gedenken: Lutherum Seligen hab er zwar nicht gesehen, aber von Jugend auf sei er in dessen Lehr auferzogen. Herrn Melanchthonem habe er in seiner Jugend gehöret, wie dann auch zu Wittenberg Herrn Eberum, zu Leipzig Herrn Pfeffingerum.

      Aus diesem Oberzählten bedenke es Jedermänniglich was einen schweren Strick der Arbeit und Sorge er am Halse getragen habe die Zeit seines Lebens; darum in Befindung desselben er eine familiarem sententiam sich gemacht und oft gesagt hat:

      Curis ad preces compellor

       Et precibus cura depello.

      Sorg und Arbeit zum Beten treibt.

       Das Gebet die Sorg wiederumb vertreibt.

      Laqueus livoris, der Neidstrick, ist ihm auch nicht ferne abgelegen; wie er in seinem Concept gedenket. Viel Widerwärtigkeit, Feindschaft hat er auch von denen, so seine guten Freunde haben sein wollen, daß nie Böses und Betrugliches Er bei ihnen sich vermuthete, erfahren müssen. Aber er hat alles vergeben. Denn als ich ihn fragte, ob er auch seinen Feinden und Beleidigern aus Grund des Herzens alles vergeben? hat er geantwortet: Er hätte gar keinen Feind, und gesprochen aus seinem Vaterunser: Vergieb uns unsere Schuld, als wir vergeben unsern Schuldigern. Wohlan, wir wollen jetzo nicht solches aufklauben und neu machen, sondern es zugleich mit ihm ruhen und schlafen lassen.

      Laqueus paupertatis, der Armuthstrick lag ihm auch ziemlich hart an. Bekannt’s oftmals selbst, er hätte nicht viel zum Besten, er werde wohl nicht reich werden. Tröstet sich mit dem Exempel des Herrn Philippi Melanchthonis, wie der auch nicht viel zum Besten gehabt und den Seinen nicht viel nach gelassen habe.