Джек Лондон

Gesammelte Werke


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eine Pfand­lei­he, und als sie sie ver­lie­ßen, hat­te Bil­ly eine Hand­voll ras­seln­des Sil­ber­geld in der Ta­sche.

      Er war aus­ge­las­sen wie ein Schul­jun­ge, und sie war eben­so froh und hei­ter wie er. Vor dem Zi­gar­ren­ge­schäft an der Ecke blieb er ste­hen, um eine Tüte Bull Dur­ham zu kau­fen, än­der­te aber plötz­lich sei­nen Ent­schluss und kauf­te statt des­sen Im­pe­ri­al­zi­ga­ret­ten.

      »Ach, ich bin heu­te ganz toll«, lach­te er. »Nichts ist zu gut – nicht ein­mal fer­tig­ge­kauf­te Glimms­ten­gel. Und ich will nichts von bil­li­gen Spei­se­häu­sern oder ja­pa­ni­schen Wirt­schaf­ten hö­ren. Wir ge­hen zu Bar­num.«

      Sie schlen­der­ten nach dem großen Re­stau­rant, wo sie an ih­rem Hoch­zeits­ta­ge ge­ges­sen hat­ten.

      »Du kannst be­stel­len, wozu du Lust hast«; sag­te Bil­ly frei­ge­big, als sie sich ge­setzt hat­ten. »Hier gibt es Len­den­bra­ten für einen Dol­lar fünf­zig. Was meinst du dazu?«

      »Ja«, sag­te sie eif­rig, »und nach­her Mok­ka, und vor­her Aus­tern – ich möch­te sie gern mit den Aus­tern vom Rock Wall ver­glei­chen.«

      Bil­ly las die Thea­te­r­an­zei­gen. Dann sah er von der Zei­tung auf. »Ma­tinée in Bells Thea­ter. Für fünf­und­zwan­zig Cent kön­nen wir re­ser­vier­te Plät­ze ha­ben – Teu­fel auch!« Sein Aus­ruf war so ge­kränkt und er­bit­tert, dass sie ein ganz er­schro­cke­nes Ge­sicht mach­te. »Wenn ich doch nur dar­an ge­dacht hät­te«, sag­te er är­ger­lich, »dann hät­ten wir zum Es­sen ins Forum ge­hen kön­nen. Das ist das fei­ne Re­stau­rant, wo Bur­schen wie Roy Blan­chard ver­keh­ren und das Geld ver­geu­den, für das wir an­de­ren uns ab­ra­ckern müs­sen.«

      Sie kauf­ten sich nu­me­rier­te Plät­ze für Bells Thea­ter; aber die Vor­stel­lung be­gann erst et­was spä­ter, und so gin­gen sie den Broad­way hin­ab und in das Elec­tric-Thea­ter, um sich die Zeit mit ei­nem Film zu ver­trei­ben. Sie sa­hen zu­erst einen Cow­boy­film, dann ein fran­zö­si­sches Lust­spiel, und dann kam ein länd­li­ches Dra­ma, das im Mit­tel­wes­ten spiel­te. Es be­gann mit ei­ner Sze­ne in ei­nem Bau­ern­hof. Die Son­ne schi­en warm auf die Ecke ei­ner Scheu­ne und einen Zaun, wäh­rend der Bo­den von großen Bäu­men be­schat­tet wur­de. Da wa­ren Hüh­ner und En­ten und Trut­häh­ne, die auf dem Hofe scharr­ten und her­um­wat­schel­ten. Eine große Sau mar­schier­te, von ei­nem präch­ti­gen Wurf sie­ben klei­ner Fer­kel ge­folgt, ma­je­stä­tisch durch den Kü­ken­schwarm, dass er bei­sei­te stob, wäh­rend die Hüh­ner sich an den Fer­kel­chen räch­ten und nach ih­nen hack­ten, so­bald sie sich von ih­rer Mut­ter ent­fern­ten. Und hin­ter dem Zaun stand ein Pferd, das schlaff und schläf­rig zu­sah, und hin und wie­der, in gleich­mä­ßi­gen Zwi­schen­räu­men, trä­ge mit dem Schweif schlug.

      »Es ist ein war­mer Tag, da sind Flie­gen – merkst du?« flüs­ter­te Sa­xon.

      »Ge­wiss. Und der Pfer­de­schweif! Das ist das le­ben­digs­te, was man sich vor­stel­len kann.«

      Jetzt kam ein Hund auf die Sze­ne. Die Mut­ter­sau mach­te kehrt und ver­schwand mit lä­cher­li­chen kur­z­en Sprün­gen in Beglei­tung ih­rer Nach­kom­men­schaft, eif­rig ver­folgt von dem Hun­de. Ein jun­ges Mäd­chen er­schi­en. Ein breit­ran­di­ger Stroh­hut hing ihr im Na­cken, und die Schür­ze war vorn auf­ge­steckt und vol­ler Kör­ner für das un­ru­hi­ge Fe­der­vieh. Tau­ben flo­gen vom Bild­rand her­ab und schlos­sen sich dem ge­schäf­ti­gen Schwarm an, und alle strit­ten sich um ih­ren An­teil am Fut­ter. Der Hund kam wie­der und dräng­te sich durch die ge­fie­der­ten Ge­schöp­fe hin­durch zu dem jun­gen Mäd­chen, das er, mit der Rute we­delnd, an­lach­te. Und da­hin­ter stand das Pferd, nick­te über den Zaun und schlug mit dem Schweif.

      Ein jun­ger Mann er­schi­en, und das Pub­li­kum wuss­te gleich, was er woll­te. Aber Sa­xon hat­te kei­nen Sinn für die Lie­bes­sze­ne, für die lei­den­schaft­li­chen Bit­ten des jun­gen Man­nes und die scham­haf­te Zu­rück­hal­tung des jun­gen Mäd­chens. Ihr Blick such­te im­mer wie­der die Kü­ken, die Son­ne und die Schat­ten­fle­cken un­ter den Bäu­men, die son­nen­be­schie­ne­ne Scheu­nen­mau­er und das schläf­ri­ge Pferd, das mit dem Schweif schlug.

      Sie schmieg­te sich en­ger an Bil­ly, und ihre Hand, die sie un­ter sei­nen Arm ge­steckt hat­te, such­te die sei­ne.

      »Ach, Bil­ly«, seufz­te sie. »Ich wür­de vor Freu­de ster­ben, wenn ich an ei­nem sol­chen Ort woh­nen könn­te.« Und als der Film zu Ende war, sag­te sie: »Wir ha­ben noch sehr viel Zeit, ehe das Thea­ter an­fängt. Lass uns blei­ben und den Bau­ern­hof noch ein­mal se­hen.«

      Sie blie­ben sit­zen und sa­hen die gan­ze Vor­stel­lung noch ein­mal, und als sie zu der Sze­ne im Bau­ern­hof ka­men, wur­de Sa­xon im­mer be­geis­ter­ter, je län­ger sie sie sah. Dies­mal er­fass­te sie noch mehr Ein­zel­hei­ten. Sie sah die Fel­der um den Hof, die wel­len­för­mi­gen Hü­gel im Hin­ter­grund, den be­wölk­ten Him­mel. Sie er­kann­te ei­ni­ge von den Hüh­nern wie­der, na­ment­lich ein al­tes, auf­säs­si­ges Huhn, das böse war, weil die Sau es mit ih­rem Rüs­sel fort­schob. Sa­xon ließ den Blick wie­der über die Fel­der bis zu den Hö­hen und zum Him­mel schwei­fen und at­me­te den großen, frei­en Raum und die Zufrie­den­heit ein, die dar­über ruh­te. Ihre Au­gen füll­ten sich mit Trä­nen, und sie wein­te still vor lau­ter Freu­de.

      »Und jetzt weiß ich auch, wo wir hin­wol­len, wenn wir Oa­k­land ver­las­sen«, sag­te sie.

      »Wo­hin denn?«

      »Dor­thin.«

      Er sah sie an und folg­te dann der Rich­tung ih­res Blicks, der sich im­mer noch auf die Lein­wand hef­te­te.

      »So«, sag­te er und füg­te nach kur­z­em Be­den­ken hin­zu: »Nun ja, warum nicht?«

      »Ach, Bil­ly willst du wirk­lich?«

      Ihre Lip­pen beb­ten, so eif­rig war sie, und ihre Stim­me zit­ter­te so stark, dass er ihr lei­ses Flüs­tern kaum hö­ren konn­te.

      »Aber ge­wiss«, sag­te er. Es war ihr großer Tag, und er woll­te mit kö­nig­li­cher Frei­ge­big­keit schen­ken. »Was du dir wünschst, sollst du ha­ben, und wenn ich mir die Nä­gel von den Fin­gern ar­bei­ten muss, um es dir zu ge­ben. Und ich habe selbst im­mer große Lust ge­habt, auf dem Lan­de zu woh­nen.«

      *

      Es war früh am Abend, als sie an der Ecke der Pine Street auf dem Heim­weg vom Bell Thea­ter aus der Stra­ßen­bahn stie­gen. Zu­erst mach­ten sie ge­mein­sam Ein­käu­fe, und dann trenn­ten sie sich an der Ecke – Sa­xon soll­te heim­ge­hen und das Abendes­sen be­rei­ten, und Bil­ly woll­te nach den Ka­me­ra­den, den strei­ken­den Fuhr­leu­ten, se­hen, die in dem Mo­nat, den er aus al­lem her­aus­ge­we­sen war, ge­treu­lich wei­ter­ge­kämpft hat­ten.

      »Nimm dich in acht, Bil­ly«, rief sie ihm nach.

      »Ge­wiss«, sag­te er und blick­te zu­rück.

      Ihr Herz klopf­te hef­tig, als sie sein Lä­cheln sah. Das war das alte, un­be­fleck­te, ver­lieb­te Lä­cheln, das sie stets auf sei­nem Ge­sicht zu se­hen ge­wünscht, das Lä­cheln, das sich zu be­wah­ren, sie – be­waff­net mit ih­rem ei­ge­nen Wis­sen und dem, das Mer­ce­des ihr ge­schenkt hat­te – bis zum äu­ßers­ten kämp­fen woll­te. Der Ge­dan­ke hieran flog ihr durch den Kopf, und mit ei­nem stol­zen klei­nen Lä­cheln er­in­ner­te sie sich all der hüb­schen klei­nen Din­ge, die sie da­heim im